Predigt zum 100-jährigen Jubiläum der Deutschen Evangelischen Christuskirche
Bischof Dr. Rolf Koppe
London
Es gilt das gesprochene Wort!
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unseren Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde!
Herzlichen Glückwunsch zum Hundertjährigen - aus Berlin vom Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber, und aus Hannover vom Kirchenamt der EKD.
"Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken!" Der Psalm 100 bringt über unsere Glückwünsche aus Deutschland hinaus zum Ausdruck, worum es bei dem Jubiläum dieser Kirche im geistlichen Sinn geht: "Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobt seinen Namen!" Soli Deo Gloria: Allein Gott sei Ehr. Für die Verkündigung des Wortes Gottes braucht die Gemeinde dieses inzwischen ehrwürdige und wunderschön restaurierte Gebäude. "Denn der Herr ist freundlich, und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für". Ohne den Bezug auf unsere jüdisch-christliche Herkunft gäbe es keine Ankunft im Glauben: "Erkennt, dass der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide".
Das ist die Botschaft an diesem 1. Advent im Jahr 2004, hundert Jahre nach dem Bau der Christuskirche. Sie lautet nicht anders als damals, als die Erbauer, allen voran Baron von Schröder, der deutschsprachigen Gemeinde in London eine neue Heimat gaben. In der alttestamentlichen Lesung haben wir von der Verheißung des Königs, der Recht und Gerechtigkeit bringt, gehört. In der Evangeliumslesung vom Einzug Jesu in Jerusalem. Ein großer Spannungsbogen wölbt sich über das Alte und Neue Testament bis in unsere Gegenwart und umschließt auch die hundert Jahre, auf die wir zurück blicken.
Was ist in dieser Zeit nicht alles geschehen! Die Freundschaft zwischen Deutschen und Engländern, die Kultur, Industrie und Handel einschließt und familiäre Bande knüpfen ließ, schlug im Ersten und Zweiten Weltkrieg in Feindschaft um. Durch Größenwahn und Neid. Kaiser Wilhelm, der dieser Kirche das Abendmahlsgerät und das Altarkreuz schenkte und zur gleichen Zeit den Berliner Dom bauen ließ, wollte mit dem Kolonialreich England mithalten in Südwestafrika, in Ostafrika oder in China. Vor 10 Tagen haben wir in Bremen des Aufstandes der Herero in Namibia vor 100 Jahren gedacht, der brutal niedergeschlagen wurde. Ja, die Geschichte holt uns immer wieder ein. Deshalb strecken wir die Hände zur Versöhnung und Vergebung aus!
Und dann die Naziherrschaft, die zum Zweiten Weltkrieg führte mit den Angriffen auf englische Städte und schließlich der Bombardierung deutscher Städte. Dazwischen die Kirchen in der Zerreißprobe der gerade sich anbahnenden ökumenischen Gemeinschaft. Dietrich Bonhoeffer und die deutschen Pfarrer in London samt den Gemeinden standen theologisch Pate bei der Geburt der Bekennenden Kirche 1934. Auch weil sie Unterstützung fanden durch Bischof Bell von Chichester, bei anglikanischen Christen, die mit Betroffenheit sahen, wohin sich die Reichskirche in Deutschland bewegte, indem sie das Christuszeugnis verleugnete und den Arierparagraphen auch in der Kirche anwandte.
Gott sei Dank liegen diese dunklen Kapitel hinter uns. Sie sind nicht vergessen, denn wer liebt, der muss gedenken. Nur wer hassen will, braucht sich nicht zu erinnern. Der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden und ihre Wiedereinweihung im nächsten Jahr ist ein großartiges Symbol der Versöhnung.
In Hannover steht auch eine Christuskirche im neugotischen Stil. Sie ist eng mit der Geschichte der Könige von Hannover, die von 1714 bis 1837 auch Könige von England waren, und deren Nachfahren verbunden. Diese Kirche ist nach ihrer Zerstörung wieder restauriert worden. Für mich ist sie auch ein Symbol des Neuanfangs zwischen unseren Ländern und Kirchen. Und zwischen den Generationen. Wie viele Partnerschaften gibt es inzwischen, wie viele junge Menschen machen ihre Erfahrungen im zusammenwachsenden Europa im Ausland! Gerade auch in dieser Gemeinde. Vor zehn Jahren habe ich hier meinen ersten Besuch gemacht, nach einer Reise in den Sudan. Nach dem Gottesdienst haben wir, Pastor Weber war damals der Einladende, diskutiert über die Ausbeutung der Rohstoffe und die humanitären Katastrophen in Afrika. Und über unsere Hoffnungen, einiges besser zu machen. An den Themen hat sich nicht viel verändert, an der Art miteinander weltweit zu kommunizieren, schon: Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung - das sind die globalen Herausforderungen.
Ja, ein Jubiläum gibt nicht nur Anlass zum Rückblick, sondern auch zum Vorblick. Was können wir Christen in England und in Deutschland gemeinsam tun? Worauf können wir uns verlassen? Zuerst sollten wir uns unserer Wurzeln vergewissern. Woher kommen wir, was verbindet uns mit unserer Sprache und Tradition? Viele schließen sich der Gemeinde an, weil sie auf deutsch singen und beten möchten. Und weil es eine engere Gemeinschaft gibt. "Jauchzet dem Herrn alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken". Diesen Geist spüre ich hier.
Andere suchen und finden Kontakt zu Christen anderer Traditionen. Viel ist geschehen zwischen der Church of England und der EKD. Wir laden uns gegenseitig zum Abendmahl ein. Wir treffen uns regelmäßig. Die Ökumene hat theologische Fortschritte gemacht. Können wir nicht gemeinsam noch praktischere Brücken schlagen, um klischeehaften Vorstellungen entgegenzutreten? Beim kürzlichen Besuch von Königin Elisabeth II. in Deutschland, der sehr positiv verlief, wurde beklagt, dass junge Engländer nicht gern Deutschland besuchen. Liegt es nicht auch an den Medien, die immer noch ein Bild von Nazideutschland reproduzieren, das es längst nicht mehr gibt? Ich höre und habe es auch bei vielen Besuchen selbst erlebt, wie tief die Vorurteile sitzen. Der Kirchentag im Mai nächsten Jahres in Hannover wäre eine gute Gelegenheit, sich gemeinsam auf den Weg zu neuen Erfahrungen zu machen! Das Motto heißt; "Wenn dein Kind dich morgen fragt...". Ein Anstoß, unseren Blick in die Zukunft zu richten. "Erkennt, dass der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide".
Liebe Gemeinde, aus den Gemeindebriefen, dem CVJM und aus den Begegnungen gestern in der Botschaft und am Abend im Pub habe ich eine Vorstellung davon bekommen, wie lebendig das Leben hier ist. Ich freue mich darüber mit Pastorin und Pastor Kruse und hoffe sehr, dass dieses Jubiläum noch einen Schub dazu gibt bei Kontakten mit der Botschaft, der deutschen Schule und vielen anderen Institutionen. Wir vom Kirchenamt in Hannover, Oberkirchenrätin Heider-Rottwilm, Oberkirchenrat Kaiser und ich möchten gern die Verbindungen zur Synode verstärkt wahrnehmen, auch wenn wir, wie viele wissen, finanziell und personell an Grenzen stoßen. Ich wünsche der Gemeinde weiterhin gutes Gedeihen und Gottes reichen Segen. "Der Herr ist freundlich, und seine Gnade währet ewiglich".
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.