Gesetzentwurf zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung natrionaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex

Schriftliche Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und FDP

Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bedankt sich für die Gelegenheit, sich zum Gesetzentwurf zu äußern und nimmt diese, auch im Namen des Kommissariats der deutschen Bischöfe, gern wahr. Beide Kirchen haben zum Referentenentwurf des Gesetzes bereits eine ausführliche gemeinsame Stellungnahme abgegeben,  auf die vorliegend Bezug genommen wird. Der Gesetzentwurf soll die Rückführungsrichtlinie,  die Arbeitgeber- und Sanktionsrichtlinie  sowie den Visakodex  in nationales Recht umsetzen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf ausgewählte Themenkomplexe.

I. Zusammenfassung
Die Kirchen regen an, den Gesetzentwurf in folgenden Bereichen zu überarbeiten:
1. Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie, der die Mitgliedstaaten auffordert, ein wirksames
System zur Überwachung von Rückführungen zu schaffen, ist noch nicht umgesetzt. Dies könnte im Rahmen eines neuen Absatzes 4 des § 58 AufenthG erfolgen.
2. Im Bereich der Abschiebungshaft sprechen sich die Kirchen dafür aus, Inhaftierungen von Minderjährigen und Familien mit minderjährigen Kindern grundsätzlich zu unterlassen und dies in § 62 Abs. 1 AufenthG aufzunehmen. Sie regen darüber hinaus an, im Rahmen des
§ 62 Abs. 4 AufenthG-E in Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie der Erwartung an die Bundesländer, separate Einrichtungen für die Inhaftierung von Abschiebungshäftlingen einzurichten, deutlicher Ausdruck zu verleihen. Ferner weisen sie darauf hin, dass Art. 16 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie den nationalen Behörden bei der Entscheidung über den Besuch von einschlägig tätigen Organisationen in Hafteinrichtungen kein Ermessen einräumt.
 
3. § 62a Abs. 4 AufenthG-E steht damit nicht im Einklang. Darüber hinaus sollte in § 62a Abs. 5 AufenthG die Verpflichtung der Behörden aufgenommen werden, in Haft genommene Personen auf ihr Recht hinzuweisen, mit einschlägig tätigen Organisationen Kontakt aufzunehmen. 
4. In § 58 Abs. 1a AufenthG-E ist die Verpflichtung aufzunehmen, Minderjährigen vor Ausstellung einer Rückkehrentscheidung Unterstützung durch eine geeignete Stelle zu gewähren, bei der es sich nicht um diejenige Behörde handeln darf, die für die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zuständig ist.
5. Im Rahmen der Sanktionsrichtlinie sind die Kirchen der Ansicht, dass auch Personen, die unter § 25 Abs. 4b AufenthG-E fallen, eine Bedenkfrist eingeräumt werden sollte.
6. Der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes, wie ihn § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) für Überstellungen nach der Dublin II VO vorsieht, wird den Vorgaben des Urteils des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 21.1.2011 (M.S.S. gegen Belgien und Griechenland; Application No. 30696/09) nicht gerecht. Die Kirchen sprechen sich deshalb dafür aus, § 34a Abs. 2 AsylVfG aufzuheben.
7. Die Kirchen regen an, das Vorhaben des Koalitionsvertrags einzulösen und öffentliche Stellen im Schulbereich von den Übermittlungspflichten im Rahmen des § 87 Abs. 2 AufenthG zu entbinden. Sie schlagen außerdem vor, Arbeitsgerichte von den Übermittlungspflichten gegenüber den Ausländerbehörden auszunehmen. Erfahrungsgemäß steht die Übermittlungspflicht der Geltendmachung von berechtigten Lohnansprüchen in der Praxis vielfach entgegen.

II. Umsetzung der Rückführungsrichtlinie

1. Abschiebungsbeobachtung – Umsetzung von Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie 

Die Vorgaben des Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichten, ein wirksames System zur Überwachung von Rückführungen einzurichten, bedürfen nach wie vor der Umsetzung.

Dies könnte im Rahmen eines neuen § 58 Abs. 4 AufenthG  erfolgen, der wie folgt lautet: „Abschiebungen sind wirksam zu überwachen“.

Die Richtlinie enthält keine Vorgaben, wie ein solches Abschiebungsbeobachtungssystem ausgestaltet werden sollte. Die Kirchen sprechen sich dafür aus, auf die guten Erfahrungen des in Deutschland an drei Standorten  praktizierten Modells zurückzugreifen und an allen Flughäfen, von denen aus regelmäßig Abschiebungen vollzogen werden, sowohl einen Abschiebungsbeobachter zu installieren als auch ein mit Vertretern staatlicher Stellen und nichtstaatlicher Organisationen, sowie Mitarbeitern von UNHCR und den beiden Kirchen besetztes Gesprächsforum einzurichten, in dem die Berichte des Abschiebungsbeobachters entgegen genommen werden, sowie problematische Einzelfälle oder etwaige strukturelle Missstände besprochen werden können. 

Gegen den Umsetzungsbedarf von Art. 8 Abs. 6 werden folgende Argumente vorgebracht:

a. Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie sei mit dem in Deutschland geltenden Rechtsschutz im Rahmen der Abschiebung ausreichend umgesetzt. Außerdem existierten innerbehördliche Kontrollmechanismen und die statistische Erfassung von Abschiebungen, die eine Überwachung i.S.d. Art. 8 Abs. 6 gewährleisteten.

Gegen dieses Argument spricht jedoch, dass sich ein Betroffener in der Regel mit einer Klage gegen die Anordnung der Abschiebung, nicht jedoch gegen die Art und Weise des Vollzugs der Maßnahme wendet. Ein Vorgehen hiergegen wäre nur im Nachhinein, im Regelfall also aus dem Ausland, möglich.
 
Darüber hinaus widerlegt die Entstehungsgeschichte des Art. 8 Abs. 6, dass mit den in Deutschland bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, etwaigen innerbehördlichen Kontrollmechanismen oder einer statistischen Erfassung von Abschiebungen die Vorgaben des Art. 8 Abs. 6 erfüllt sind. In seinem Bericht vom 20. September 2007 schlug der Berichterstatter des LIBE Ausschusses des Europäischen Parlaments (EP) MdEP Manfred Weber (CSU) vor, einen europaweit agierenden Ombudsmann des EP für Abschiebungen einzurichten.  Dieser sollte jederzeit unangekündigt Inspektionen durchführen, Berichte über gemeinsame Abschiebungsmaßnahmen entgegennehmen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten sowie von einzelnen Mitgliedstaaten Informationen oder eine Klarstellung über den Abschiebungsprozess verlangen können. Diesen Vorschlag lehnten Europäischer Rat und Europäische Kommission mit der Begründung ab, er räume dem EP in Verstoß gegen Art. 189 EGV zu weitgehende Kompetenzen ein. Als Kompromiss einigte man sich stattdessen darauf, mit Art. 8 Abs. 6 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten in die Richtlinie aufzunehmen, jeweils ein wirksames Abschiebungsüberwachungssystem einzurichten. 

Die Kommission richtete im September 2009 einen Workshop aus, um Vertretern interessierter Mitgliedstaaten die in EU Mitgliedstaaten bestehenden vier Modelle für eine Abschiebungsbeobachtung als Beispiele für die Umsetzung von Art. 8 Abs. 6 vorzustellen.  Das in Deutschland praktizierte Modell wurde gemeinsam von einem ehemaligen Abschiebungsbeobachter und einem Vertreter des Bundespolizeipräsidiums präsentiert. Die Kommission sieht darin eine gelungene Umsetzung des Art. 8 Abs. 6.

Auch der von der Kommission vorgeschlagene Entwurf der Änderung der Frontex VO sieht für die von Frontex koordinierten Abschiebungsmaßnahmen unter Art. 9 Abs. 3 mit Verweis auf Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie ein – in diesem Falle sogar explizit - unabhängiges Monitoring vor. 

b. Die Kosten für die Einrichtung der Beobachtungsstellen müssten die im Rahmen der Kompetenzaufteilung für Abschiebungsmaßnahmen zuständigen Länder tragen.

Zunächst kann gegen die europarechtliche Verpflichtung, eine Bestimmung umzusetzen, nicht ins Feld geführt werden, dass dadurch Kosten entstehen. Diese würden allerdings ohnehin nicht in vollem Umfang auf die Länder zurückfallen, da die Ausgaben durch Mittel aus dem EU Rückkehrfonds refinanzierbar sind. Bei Ausgestaltung des Rückkehrfonds hat die EU Kommission explizit vorgesehen, dass Maßnahmen für die Einrichtung und Unterhaltung einer Abschiebungsbeobachtungsstelle über den Rückkehrfonds refinanziert werden können. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in der Formulierung der nationalen Förderprioritäten darauf geachtet, dass Anträge zur Refinanzierung solcher Maßnahmen möglich sind. 

c. Die Weitergabe von Informationen im Vorfeld einer Abschiebung an die Abschiebungsbeobachtungsstellen verhindere Abschiebungen, weil die Betroffenen gewarnt seien und in der Folge untertauchten. Dabei gehe es vor allem um kleine Flughäfen, von denen so wenig abgeschoben würde, dass allein die Information über eine bestehende Abschiebung einer Warnung der Betroffenen gleichkäme. Außerdem sei die Einrichtung an diesen Flughäfen mit zu großem Aufwand verbunden.

Die Befürchtung, es könnten Abschiebungen durch die Abschiebungsbeobachterinnen verhindert werden, deckt sich allerdings nicht mit der Erfahrung der Bundespolizei an den bestehenden Abschiebungsbeobachtungsstandorten. Angesichts der deeskalierenden Wirkung, die die Anwesenheit von neutralen Beobachtern bei dem Vollzug der Maßnahmen erzielt, kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass beobachtete Abschiebungen tatsächlich häufiger vollstreckt werden können, als wenn kein Abschiebungsbeobachter bei der Maßnahme anwesend ist. Diese Einschätzung lässt sich auch anhand statistischer Angaben belegen. 

Eine Vereitelung einer Abschiebung wegen Weitergabe von Daten durch die Abschiebungsbeobachterinnen im Vorfeld ist bisher nicht bekannt geworden. Den Abschiebungsbeobachtungsstellen werden darüber hinaus gar keine konkreten Namen von Abzuschiebenden genannt.

An kleineren Flughäfen könnten Abschiebungsbeobachter im Falle einer Abschiebung vom Standort des nächsten größeren Flughafens hinzugezogen werden – es müssten also nicht an jedem Flughafen feste Abschiebungsbeobachtungsstellen installiert werden.

2. Abschiebungshaft

a. § 62 Abs. 1 AufenthG-E – Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie

Die Kirchen begrüßen die Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, der eine Inhaftnahme erst erlaubt, wenn keine anderen, ausreichenden und weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können. § 62 Abs. 1 S. 1 AufenthG-E verpflichtet nun vor der Anordnung der Abschiebungshaft zur Überprüfung, ob ein milderes Mittel zur Verfügung steht.

Die Anforderungen von Art. 17 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, der die Verhängung von Haft bei unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen nur im äußersten Fall und nur für die kürzestmöglich angemessene Dauer zulässt, wurden in § 62 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E umgesetzt. Die Umsetzung der Vorgaben ist ausdrücklich zu begrüßen. Anders als noch in Bezug auf den Referentenentwurf des Gesetzes besteht nun keine Diskrepanz mehr zu den Bestimmungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz, die vorsehen, dass Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres, Schwangere und Mütter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen grundsätzlich nicht in Abschiebungshaft zu nehmen sind (vgl. AVV 62.0.5). Allerdings verfahren wohl nur einige deutsche Bundesländer nach dieser Maßgabe, andere scheinen hingegen regelmäßig Ausnahmen von diesem Grundsatz zu machen und schutzbedürftige Personen zu inhaftieren. Auch vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vorhabens, Anpassungen im praktischen Vollzug der Abschiebungshaftregelungen im Lichte der Rückführungsrichtlinie zu prüfen, wäre nach Ansicht beider Kirchen nun der Zeitpunkt gekommen, eine umfassende Verbesserung der Situation dieses Personenkreises zu erwirken und eine Inhaftierung generell und nicht nur grundsätzlich auszuschließen.

b.  § 62a AufenthG-E – Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie
§ 62a Abs. 1 AufenthG-E

Nach Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie sind Abschiebungshäftlinge grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen und lediglich, wenn diese Art der Einrichtung in einem Mitgliedstaat nicht vorhanden ist, in gewöhnlichen Hafteinrichtungen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen unterzubringen. Der Richtliniengeber spricht sich also eindeutig für die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen in gesonderten Einrichtungen als Regelfall aus und lässt die Unterbringung in Strafhaftanstalten lediglich im Ausnahmefall zu. Wird also letztlich nur die Unterbringung in gesonderten Einrichtungen als angemessen erachtet, liegt hierin auch die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen dafür nötigenfalls zu schaffen. Dies muss sich auch im deutschen Recht deutlich niederschlagen. Dieser Anforderung wird § 62 a Abs. 1 AufenthG-E nicht vollständig gerecht. Beide Kirchen haben stets geltend gemacht, dass Abschiebungshaft keine Strafsanktion darstellt. Dies sollte selbstverständlich schon in der getrennten Unterbringung von Strafhäftlingen und Abschiebungshäftlingen zum Ausdruck kommen. Aller Erfahrung nach können ferner die spezifischen Bedürfnisse von Abschiebungshäftlingen in Strafvollzugsanstalten nicht angemessen berücksichtigt werden. Abschiebungshäftlinge leiden vor allem unter der Einschränkung der Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt und ihrer unsicheren rechtlichen Situation. Beide Kirchen votieren daher – für die Fälle, in denen Abschiebungshaft als ultima ratio zulässig ist – seit langem für die Einrichtung und Unterhaltung von gesonderten Abschiebungshaftanstalten. Der ratio der Rückführungsrichtlinie folgend sollte dieser Vorrang schon im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommen. Die Bundesländer, die noch keine eigenen Abschiebungshaftanstalten unterhalten, sollten sich dazu angehalten sehen, solche Anstalten einzurichten.

Die Kirchen begrüßen, dass das Gebot der Trennung von Straf- und Abschiebungshäftlingen nunmehr ausdrücklich in § 62a Abs. 1 S. 2, 2. Hs. AufenthG-E aufgenommen wurde.

§ 62a Abs. 4 AufenthG-E
Nach Art. 16 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie wird einschlägig tätigen Organisationen der Besuch von Hafteinrichtungen ermöglicht, soweit diese für den Vollzug von Abschiebungshaft genutzt werden. Solche Besuche können zwar von einer Genehmigung abhängig gemacht werden; den Mitgliedstaaten kommt hierbei jedoch kein Ermessen zu. Die in § 62a Abs. 4 AufenthG-E vorgesehene Ermessensregelung steht mit der Richtlinie daher nicht in Einklang.  Die Vorschrift ist also dahingehend zu ändern, dass Mitarbeitern von Hilfs- und Unterstützungseinrichtungen der Besuch von Vollzugsanstalten auf Antrag zu gestatten ist.

§ 62a Abs. 5 AufenthG-E – Umsetzung von Art. 16 Rückführungsrichtlinie
Art. 16 Abs. 5 der Rückführungsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, in Haft genommene Drittstaatsangehörige systematisch über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Dies schließt nach Art. 16 Abs. 5 S. 2 der Richtlinie die Unterrichtung über ihren Anspruch auf Kontaktaufnahme mit den in Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie genannten Organisationen ein. Dies sind auch einschlägig tätige nichtstaatliche Organisationen wie etwa die kirchlichen Wohlfahrtsverbände. § 62a Abs. 5 AufenthG-E schreibt den Hinweis auf das Recht zur Kontaktaufnahme mit solchen Organisationen nicht ausdrücklich vor. Wie Art. 16 Abs. 5 S. 2 der Rückführungsrichtlinie zeigt, hat der Richtliniengeber diesem Recht jedoch besonderes Gewicht beigemessen. Es ist zu befürchten, dass Abschiebungshäftlinge ohne expliziten Hinweis nicht von allen Unterstützungsmöglichkeiten Kenntnis erlangen. Da eine optimale Betreuung und rechtliche Unterstützung der in Haft genommenen Personen im allgemeinen Interesse liegen muss, sollte der Gesetzestext entsprechend ergänzt werden. 

3. Weiterer Umsetzungsbedarf

Nach Art. 11 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Es erscheint ratsam, diese Formulierung in § 11 Abs. 1 S. 4 AufenthG-E aufzunehmen. Hierdurch käme deutlicher zum Ausdruck, dass die Regelhöchstfrist von fünf Jahren je nach den Umständen des Einzelfalls – ggf. deutlich – zu unterschreiten ist.
Die regelmäßige Höchstfrist von fünf Jahren kann nach dem Entwurf neben den in Art. 11 Abs. 2 S. 2 der Rückführungsrichtlinie genannten Gründen – bei Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung sowie für die öffentliche Sicherheit – auch überschritten werden, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist. Grundlage für die letztgenannte Möglichkeit zur Überschreitung der Dauer der regelmäßigen Höchstfrist ist laut Begründung  Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Rückführungsrichtlinie, der es den Mitgliedstaaten freistellt, die Richtlinie nicht auf Straftäter anzuwenden, die aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer solchen rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren anhängig ist. Da die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, von der Ausnahmemöglichkeit Gebrauch zu machen, regen die Kirchen an, eine Höchstfristüberschreitung nur für diejenigen Straftäter zuzulassen, die zum Zeitpunkt der Fristbemessung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Jedenfalls sprechen sich die Kirchen dafür aus, eine Überschreitung der Höchstfrist nicht bei jeder Ausweisung aufgrund einer Straftat zuzulassen, sondern dies auf Ausweisungen aufgrund schwerwiegender Straftaten zu beschränken. Dies sieht die Begründung auch vor. Die Kirchen regen an, diese Voraussetzung zur Klarstellung in den Gesetzeswortlaut zu übernehmen.

b. § 58 Abs. 1a AufenthG-E – Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie

§ 58 Abs. 1a AufenthG-E setzt die Vorgaben von Art. 10 der Rückführungsrichtlinie nicht vollständig um. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass vor Ausstellung einer Rückkehrentscheidung für unbegleitete Minderjährige Unterstützung durch geeignete Stellen gewährt wird, bei denen es sich nicht um die für die Vollstreckung von Rückkehrentscheidungen zuständigen Behörden handeln darf. Diese zwingende Vorgabe der Richtlinie findet im Gesetzentwurf, anders als die Regelung des § 10 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie, bislang keinen Niederschlag.

III. Sanktionsrichtlinie

§ 59 Abs. 7 AufenthG-E
Nach dieser Vorschrift sollen Opfer einer in § 25 Abs. 4a AufenthG genannten Straftat durch eine mindes-tens einmonatige Ausreisefrist Bedenkzeit erhalten, um über eine Aussage vor Gericht entscheiden zu können. Diese Regelung sollte auch auf die in § 25 Abs. 4b AufenthG genannten Personen erstreckt werden. Überlegenswert erscheint es ferner, die Ausreisefrist derjenigen Ausländer zu verlängern, die gemäß § 70a AufenthG noch Lohnansprüche gegen Arbeitgeber oder sonstige haftende Unternehmer geltend machen möchten. Dies stünde im Einklang mit der Zielsetzung der Sanktionsrichtlinie, Anreize für unerlaubte Beschäftigung nicht zuletzt durch eine Stärkung der Rechtsstellung der Beschäftigten zu verringern.

Die Kirchen regen darüber hinaus an, die in § 87 Abs. 2 AufenthG normierte Übermittlungspflichte von Arbeitsgerichten gegenüber Ausländerbehörden aufzuheben. Erfahrungsgemäß steht diese Mitteilungspflicht in der Praxis oftmals der Geltendmachung berechtigter Lohnforderungen entgegen.  

IV. Weiterer Änderungsbedarf

1. Aufhebung von § 34a Abs. 2 AsylVfG
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 21. Januar 2011 (M.S.S. gegen Belgien und Griechenland; Application No. 30696/09) muss § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) aufgehoben werden. § 34a Abs. 2 AsylVfG legt fest, dass einem Asylsuchenden, der im Rahmen der so genannten Dublin II VO in den für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat zurückgeführt werden soll, der Weg des vorläufigen Rechtsschutzes verwehrt ist. Er kann zwar gegen die Rücküberstellungsentscheidung klagen. Dieser Klage kommt jedoch nach § 75 AsylVfG kein Suspensiveffekt zu; eine aufschiebende Wirkung der Klage kann wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG auch nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes hergestellt werden. § 34a Abs. 2 AsylVfG verhindert also eine effektive Überprüfung einer Überstellungsentscheidung im Rahmen des Dublinverfahrens.

In dem Verfahren eines von Belgien nach Griechenland abgeschobenen Asylsuchenden aus Afghanistan hat der EGMR nun festgestellt, dass es gegen das Recht auf ein wirksames Verfahren nach Art. 13 i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt, wenn dem Betroffenen kein effektives Rechtsmittel gegen die Entscheidung eines Mitgliedstaates auf Rücküberstellung in den nach der Dublin II VO zuständigen Mitgliedstaat zusteht, wenn dieser geltend macht, dass ihm in dem betreffenden Staat beispielsweise Folter oder erniedrigende Behandlung drohen. Der EGMR formuliert dazu in Rn. 387: „the court reiterates (…) that any complaint that expulsion to another country will expose an individual to treatment prohibited by Article 3 of the Convention requires close and rigorous scrutiny and that, subject to a certain margin of appreciation left to the states, conformity with Article 13 requires that the competent body must be able to examine the substance of the complaint and afford proper reparation.” Bei einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK verlangt das Gericht sogar grundsätzlich, dass der Rechtsschutz automatisch aufschiebende Wirkung haben muss (Rn. 293). Beide Kirchen sind deshalb der Ansicht, dass § 34a Abs. 2 AsylVfG keinen Bestand mehr haben kann und regen an, die Regelung aufzuheben.

2. Einschränkung der Übermittlungspflichten des Personals von Schulen i.R.v.
§ 87 Abs. 2 AufenthG
Beide Kirchen setzen sich darüber hinaus seit geraumer Zeit dafür ein, öffentliche Stellen nicht nur aber insbesondere auch im Schulbereich von den Übermittlungspflichten im Rahmen des § 87 Abs. 2 AufenthG zu entbinden. Darauf hatten sich die Koalitionspartner im Koalitionsvertrag auch geeinigt.  Es wird angeregt, dieses Vorhaben im Rahmen des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu verwirklichen.