Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen

Einleitung

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bedankt sich für die Gelegenheit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG) Stellung nehmen zu können. Das ausführliche Beratungsverfahren, in das Verbände, Institutionen und Kirchen sowie Vertreter von Ländern und kommunalen Strukturen eingebunden waren, hat sich als gutes Instrument erwiesen, die Materie aus Sicht der unterschiedlichen Akteure zu beleuchten und ein Forum eröffnet, in welchem umstrittene Regelungskomplexe in der gebotenen Differenziertheit diskutiert werden konnten. Für die Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) möchten wir uns deshalb ausdrücklich bedanken.

Die EKD begrüßt die Intention des BMFSFJ, durch eine bundeseinheitliche Regelung den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Vernachlässigung, Gewalt und sexuellen Übergriffen zu verbessern. Das Bekanntwerden der schockierenden Vorfälle von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen im letzten Jahr, die sowohl die Bevölkerung, als auch die betroffenen Institutionen tief erschüttert haben, hat einmal mehr gezeigt, dass es dringend einer stärkeren öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema und Verbreitung von Wissen über Hilfesysteme in der Bevölkerung bedarf. Die Weiterentwick-lung von Präventionsmechanismen in den Institutionen und Verbänden, eindeutige Vorgaben für das Verhalten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen bei Vorliegen von Anzeichen von Gewalt an Kindern sowie ein verbessertes Zusammenwirken der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bereiche, unterschiedlicher Berufsgruppen und staatlicher Stellen geben muss, um Kinder und Jugendliche zu schützen, sind ebenso dringlich. Dafür liefert der Gesetzesentwurf einige begrüßenswerte Ansätze.

Dies gilt beispielsweise für den Ausbau der Funktion und des Aufgabenbereiches von Familienhe-bammen, für die Stärkung des Systems Frühe Hilfen und die Präzisierung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII-E für öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe. Die EKD befürwortet die Einführung eines Anspruchs auf Beratung und Unterstützung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen durch Kinderschutzfachkraft sowie die Aufnahme eines Anspruchs auf Beratung von werdenden Eltern im Rahmen des § 16 SGB VIII-E. Die EKD bedauert jedoch, dass der Gesetzesentwurf keine Aussagen zur Refinanzierung einiger Maßnahmen trifft, insbesondere bei dem im Vergleich zu den bisherigen Aufgaben der insoweit erfahrenen Fachkraft erweiterten Arbeitsbereich der Kinderschutzkraft sowie dem Anspruch schwangerer Frauen und werdender Väter auf Beratung und Hilfe. Auch bei der Arbeit der Vernetzung auf lokaler Ebene finden die finanziellen Auswirkungen für die zu beteiligenden Akteure keine Berücksichtigung.

Die EKD befürwortet die nun vorgeschlagene, differenzierte Regelung zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen für Ehrenamtliche im Rahmen des § 72a SGB VIII-E. Diese wird – wie die Begründung des Gesetzesentwurfes zutreffend ausführt – den vielfältigen Formen des Ehrenamtes besser gerecht, als eine bundesweit geltende verpflichtende Regelung für alle Ehrenamtliche.

Die EKD beschränkt im Folgenden ihre Kommentierung auf einige ausgewählte Normen. Im Übrigen verweist sie auf die ausführliche Stellungnahme des Diakonischen Werkes der EKD.

Zu den einzelnen Regelungen:

Zu Artikel 1 Nr. 2: § 2 KKG-E
Information und Beratung der Eltern in Fragen der Kindesentwicklung
Der in § 2 Abs. 1 KKG-E formulierte Anspruch von Eltern und werdenden Eltern auf Information und Beratung wird ausdrücklich begrüßt. Ausweislich der Begründung (S. 6) stellt Absatz 1 jedoch keinen neuen Anspruch dar, sondern verweist auf die bereits in Bundes- und Landesgesetzen normierten Ansprüche auf Information und Beratung. Dies ist dem Wortlaut des Gesetzesentwurfs jedoch nicht zu entnehmen. Wir regen diesbezüglich eine Klarstellung an.

Nach Absatz 2 der Vorschrift sind die Länder verpflichtet, alle Eltern nach der Geburt schriftlich über Leistungsangebote und die zuständigen Leistungsträger zu informieren und ihnen dabei ein Gespräch anzubieten, das auf Wunsch in der Wohnung der Eltern stattfinden soll. Ein Informationsanspruch soll dem Wortlaut des Absatz 1 nach jedoch auch werdenden Eltern zustehen. Eine Verpflichtung der Länder müsste sich folgerichtig auch auf eine Weitergabe der spezifischen Information an werdende Eltern erstrecken.

§ 3 KKG-E
Rahmenbedingung für die strukturelle Zusammenarbeit im Kinderschutz
§ 3 KKG-E verpflichtet die Länder, flächendeckende verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger auf- oder auszubauen. Dieses Vorhaben wird befürwortet. Der zentralen Stellung des Jugendamtes, wie sie beispielsweise auch die Auswertung der Modellprojekte der Frühen Hilfen durch das Zentrum Frühe Hilfen gezeigt hat, wird dadurch Rechnung getragen, dass die verbindliche Zusammenarbeit auf der Ebene der Jugendämter organisiert werden soll. Wir regen an, in die Aufzählung der potentiellen Mitglieder auch Familienhebammen aufzunehmen, um den ge-wünschten Effekt der Verstärkung des Netzwerkes, wie ihn § 3 Abs. 4 KKG-E vorsieht, tatsächlich zu erzielen.

Eine Vernetzung wird die Kräfte der beteiligten Akteure allerdings binden und bei unveränderten Res-sourcen das Engagement in anderen Bereichen der Netzwerkpartner be- oder gar verhindern. Es ist deshalb für das Gelingen der Arbeit der beteiligten Akteure und des Netzwerkes unerlässlich, dass eine Refinanzierung dieser Aufwendungen sichergestellt wird. Das entspricht auch den Ergebnissen der Auswertung der Modellprojekte Frühe Hilfen. Regelungen diesbezüglich sieht der Gesetzesentwurf allerdings nicht vor.

§ 3 Abs. 4 KKG-E betont die Bedeutung der Familienhebammen für das Netzwerk Frühe Hilfen und sieht für den Aus- und Aufbau des Einsatzes der Familienhebammen eine zeitlich befristete „Bundesinitiative Familienhebammen“ vor, die das BMFSFJ mit 30 Millionen Euro jährlich für vier Jahre ab 2012 ausstattet. Die EKD wertschätzt die effektive und niedrigschwellige Arbeit der Familienhebammen, die ihnen gerade einen Zugang zu Familien eröffnet, die sonst aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten haben, Hilfeangebote anzunehmen. Ihr Beitrag zum aktiven Kinderschutz ist deshalb als sehr hoch einzuschätzen. Angesichts der den Familienhebammen vom BMFSFJ zugedachten Schlüssel- und Lotsenfunktion  (Begründung S. 7) erscheint es jedoch angebracht, eine bundesweit einheitliche Zusatzqualifikation zu normieren, die Hebammen systematisch auf diese Aufgaben vorbereitet. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Familienhebammen als Selbstständige oftmals nicht in kollegiale Strukturen eingebunden sind, in denen ein Austausch oder eine Supervision gewährleistet ist.

Für eine langfristige Finanzierung des Einsatzes der Familienhebammen bietet sich unserer Ansicht die Verankerung im Rahmen des SGB V an, über das Hebammen auch diejenigen Leistungen abrechnen, die Frauen acht Wochen nach der Geburt zustehen. Hierfür ist eine Kooperation zwischen BMFSFJ und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) jedoch dringend erforderlich. Wie bereits vermehrt von Teilnehmern an den Beratungen im BMFSFJ geäußert, ist es bedauerlich, dass der im Gesetzentwurf eingeforderten Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren auf lokaler Ebene bisher keine Vernetzung der Ministerien auf Bundesebene gegenüber zu stehen scheint. Eine ausschließli-che Konzentration auf Verbesserung der rechtlichen Grundlagen in der Kinder- und Jugendhilfe greift aus unserer Sicht zu kurz. Stattdessen sind auch die Rechtsgrundlagen im Gesundheitssystem diesbezüglich zu novellieren.

§ 4 KKG-E und § 5 KKG-E: Einschätzung von Anhaltspunkten bei Kindeswohlgefährdung und Weitergabe von Informationen an das Jugendamt

§ 4 KKG-E regelt in Verbindung mit § 5 KKG-E ein mehrstufiges Verfahren, das festlegt, wie sich die in § 4 Abs. 1 KKG-E genannten Berufsgruppen bei Vorliegen von gewichtigen Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung verhalten sollen. In der ersten Stufe sollen Angehörige der genannten Berufs-gruppen mit dem Kind oder Jugendlichen sowie deren Personensorgeberechtigten das Gespräch suchen und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken. Gefährdet eine Interaktion mit den Personensorgeberechtigten den Schutz des Kindes oder des Jugendlichen, ist von einem Gespräch abzusehen. Zur Unterstützung bei der Analyse, ob gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, haben die genannten Berufsgruppen nach § 4 Abs. 2 KKG-E einen Anspruch auf Beratung durch eine Kinderschutzkraft.

Ist ein Tätigwerden des Jugendamtes aus Sicht des Angehörigen einer der Berufsgruppen erforderlich und waren die Interventionen nicht angebracht oder erfolglos, befugt § 5 Angehörige der genannten Berufsgruppen zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt.

Berufsgruppen
Die EKD regt bei der Aufzählung der Berufsgruppen folgende Präzisierungen an: Unter § 4 Abs. 1 Nr. 5 KKG-E müsste in Beratungsstellen nach § 2 SchKG und anerkannten Beratungsstellen nach § 8 SchKG differenziert werden, da sich das Anerkennungsverfahren nach § 9 SchKG nur auf die Beratungsstellen nach § 8 SchKG bezieht. Alternativ könnte in § 4 Abs. 1 Nr. 5 KKG-E der Zusatz „anerkannt“ gestrichen werden. In die Auflistung der Berufsgruppen nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KKG-E sollten Lehrerinnen und Lehrer an privaten Schulen mit einbezogen werden. Dies korrespondiert mit dem Begründungstext (S. 10), der Lehrer an privaten Schulen ausdrücklich in die zweite Stufe des Verfahrens einbezieht und ihnen unter den genannten Voraussetzungen die Befugnis zur Weitergabe von Informationen nach § 5 KKG-E zubilligt.

Kinderschutzkraft
Zwar erscheint die Umbenennung der „insoweit erfahrenen Fachkraft“ des § 8a SCHB VIII in eine „Kinderschutzkraft“ zunächst bestechend, da sich auch Berufsgruppen wie Lehrer, Berufspsychologen oder Ärzte, die nicht regelmäßig mit Kindeswohlgefährdungen konfrontiert sind, unmittelbar etwas darunter vorstellen können. Zu befürchten ist allerdings, dass damit der bisherigen Praxis entgegengewirkt wird, sich an eine für die jeweilige Frage spezifische Fachkraft zu wenden, die in der Bezeich-nung „insoweit erfahrenen Fachkraft“ ihren Ausdruck findet. Beiden Begriffen – der „Kinderschutzfachkraft“ und der „insoweit erfahrenen Fachkraft“ - ist gemein, dass ihnen keine allgemeingültige Definition zu Grunde liegt. Genauso wenig sind ihre Qualifikationsanforderungen bundesweit einheitlich geregelt. Um sich beispielsweise zur Kinderschutzkraft fortzubilden, stehen bereits heute eine Vielzahl von Kursen zur Auswahl, die teilweise Abschlüsse anbieten, ohne bestimmte berufliche Erfahrungen oder Mindestqualifikationen vorauszusetzen. Darüber hinaus ist es aus Sicht der EKD unerlässlich, im Gesetz eine Refinanzierung des Beratungsanspruchs sicherzustellen. Dieser kann nicht nur im Jugendhilfebereich verankert sein. Erforderlich ist es, auch im medizinischen Bereich Fachkräfte zu etablieren, die bei den dort spezifischen Problemen beratend unterstützen können.
 
Befugnisnorm zur Informationsweitergabe
Eine spezifische Befugnisnorm für Angehörige bestimmter Berufsgruppen ist bereits im ersten Gesetzgebungsverfahren des Kinderschutzgesetzes 2009 und nun in den Beratungen zur Entwicklung des Bundeskinderschutzgesetzes eingefordert worden. Die präzisierte Auflistung der einschlägigen Berufsgruppen unterstützten wir. Es ist allerdings fraglich, ob die Aufspaltung des Verfahrens auf zwei Normen Rechtsanwendern die Stufensystematik in hinreichender Weise verdeutlicht. Auch die Begründung scheint – in Abgrenzung der Vorgaben von § 34 StGB – zu suggerieren, dass § 5 KGG-E keine Interessenabwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern, dem Schutz des Kindes und der Durchbrechung der in § 203 StGB normierten Schweigepflicht, voraussetzt. Nach dem Verständnis der EKD setzten jedoch auch §§ 4 und 5 KKG-E eine Abwägung zwischen den Rechtsgütern voraus und spezifizieren diese nur für Angehörige der spezifischen Berufsgruppen im Bereich der Kindeswohlgefährdung. Wir regen an, dies in der Begründung klarzustellen.

Zu Artikel 2
§ 8 Abs. 3 SGB VIII-E: Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche
Die EKD begrüßt die Aufnahme eines gebundenen Anspruches für Kinder und Jugendliche auf Beratung als sinnvolle Bestärkung der Rechtsposition von Kindern und Jugendlichen.

§ 8a SGB VIII-E
Die EKD befürwortet die Neugestaltung des § 8a SGB VIII-E. Für die Träger der freien Verbände stellt die in § 8a Abs. 4 SGB VIII-E aufgenommene Formulierung eines eigenen Schutzauftrags, der vom Schutzauftrag der Träger öffentlicher Jugendhilfe unabhängig ist, eine deutliche Verbesserung dar.

Die nun gefundene Kompromissformulierung zum Hausbesuch in § 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII-E, die die Mitarbeiter des Jugendamts nur dann verpflichtet, sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen, wenn dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, überlässt die Entscheidung den zuständigen Mitarbeitern und stellt demnach eine Verbesserung zur entsprechenden Regelung im Rahmen des Kinderschutzgesetzes dar.

Zum Begriff der Kinderschutzfachkraft und zur Notwendigkeit der Refinanzierung der neu eingeführten Aufgabenbereiche vgl. die Ausführungen unter § 4 KKG-E.

§ 16 Abs. 3 SGB VIII-E: Anspruch für Eltern und werdende Eltern auf Beratung und Hilfe
Wir unterstützen die Einführung des Anspruchs von Eltern, schwangeren Frauen und werdenden Vätern auf Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenz grundsätzlich und gehen davon aus, dass dies einen wirksamen Beitrag zum Kinderschutz leisten könnte. Allerdings ist zu befürchten, dass die Ausgestaltung als Soll-Anspruch, der den Behörden ein intendiertes Ermessen eröffnet, die Inanspruchnahme für Eltern und werdende Eltern in vielen Fällen verunmöglichen wird. Die EKD schlägt deshalb vor, die Beratungs- und Hilfeleistung für Eltern, schwangere Frauen und werdende Väter als gebundenen Anspruch auszugestalten. Diese Forderung wurde auch mehrfach im Rahmen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ erhoben und hat Eingang in den Zwischenbericht gefunden.

§ 43a SGB VIII-E: Ferienaufenthalte
Die Intention, Kinder und Jugendliche auch bei der Teilnahme organisierten Ferienangeboten durch das Einfordern von Mindeststandards bei der Betreuung vor Übergriffen zu schützen, ist zu begrüßen. Allerdings wirft § 43a SGB VIII-E unserer Ansicht nach einige Fragen auf. So bedarf es beispielsweise einer Klärung, was mit Ferienaufenthalten gemeint ist, welche Anbieter durch die Regelung einer Kontrolle unterworfen werden sollen und ob die Tätigkeit generell oder jede einzelne Ferienmaßnahme anzuzeigen ist. Die bloße Anzeige einer solchen Maßnahme versetzt das Jugendamt darüber hinaus noch keineswegs in die Lage, den jeweiligen Anbieter zu überprüfen. Dies würde darüber hinaus – je nach Auslegung der Vorschrift - enorme Ressourcen binden. Weitere Fragen wirft auch der verwende-te Begriff des Mindeststandards auf, insbesondere da geförderte und anerkannte Träger nach den bestehenden Regelungen des §§ 8a, 72a und 75 SGB VIII bzw. nach der geplanten Regelung des § 79a SGB VIII-E ohnehin zur Einhaltung bestimmter Standards verpflichtet sind. Wir möchten darüber hinaus in Zweifel ziehen, dass Eltern die erforderliche Mindestqualifikation allein aufgrund ihrer Eigenschaft als Eltern zugeschrieben werden kann. Wir regen deshalb eine Überarbeitung des §43a SGB VIII-E an. 

Nr. 17: § 72a SGB VIII-E
Persönliche Eignung von hauptamtlichen Beschäftigten
§ 72a Abs. 2 S. 1 SGB VIII-E verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, durch Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe sicherzustellen, dass diese keine nach Absatz 1 vorbestraften Personen beschäftigen oder mit Aufgaben der Vormundschaft oder Pflegschaft betrauen. Dieser Satz übernimmt laut der Begründung des Entwurfs (S. 22) den Gesetzeswortlaut des § 72a S. 3 SGB VIII. Fraglich ist, ob damit den freien Trägern eröffnet werden soll, in von den öffentlichen Trägern abweichender Form die Eignung der Beschäftigten sicherzustellen, oder ob mit dem Verweis auf Absatz 1 auch die Übernahme der Verpflichtung zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen bei Einstellung, Vermittlung bzw. in regelmäßigen Abständen umfasst ist. Sollte der Verweis auf Absatz 1 so zu verstehen sein, dass die persönliche Eignung in entsprechender Weise nachgewiesen werden muss, regen wir in Absatz 2 eine Differenzierung an. Während die EKD die Vorlage bei Einstellung und Vermittlung für eine geeignete Maßnahme hält, schlägt sie vor, von einer Verpflichtung der freien Träger, sich in regelmäßigen Abständen erweiterte Führungszeugnisse von ihren Mitarbeitern vorlegen zu lassen, abzusehen. Sachdienlicher, angemessener und mit weniger bürokratischem Aufwand verbunden erscheint es der EKD, die Fachkräfte auf Grundlage einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung dazu zu verpflichten, ihre Arbeitgeber unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen, falls wegen einer in Abs. 1 genannten Straftat gegen sie ermittelt wird.

Persönliche Eignung von ehrenamtlich Tätigen
Die EKD begrüßt ausdrücklich, dass von der Einführung einer Verpflichtung aller Ehrenamtlichen zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen abgesehen wurde und stattdessen die Möglichkeit sowohl für Träger der öffentlichen (§ 72a Abs. 1 SGB VIII-E) als auch der freien Jugendhilfe (§ 72a Abs. 2 SGB VIII-E) eröffnet werden soll, bei der Frage einer Vorlagepflicht nach Art, Intensität und Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit zu differenzieren.

Die Formulierung wird den in den Beratungen zur Entwicklung des BKiSchG vorgetragenen Bedenken gerecht. Einige Teilnehmer hatten gefordert, dass Ehrenamtliche, die in gleicher Weise wie hauptamtlich Beschäftigte mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt treten, den gleichen Regelungen zum Schutz vor Gewalt und Übergriffen unterfallen müssen. Andere Teilnehmer hatten auf die lediglich eingeschränkte Schutzwirkung von erweiterten Führungszeugnissen hingewiesen. Bei einer Verpflichtung aller Ehrenamtlichen zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses wäre auch aus unserer Sicht zu befürchten gewesen, dass sich Eltern und Kinder sowie die Personen, die in der jeweiligen Institution bzw. dem Verband Verantwortung für hauptamtlich und ehrenamtlich Beschäftigte tragen, durch eine solche Maßnahme in einer falschen Sicherheit wiegten. Angesichts der geringen Verurteilungsquoten bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist die Aussagekraft von Führungszeugnissen generell eingeschränkt.  Ermittlungen oder Anklageerhebungen, die nicht mit einer Verurteilung enden, werden weder im Führungszeugnis, noch im erweiterten Führungszeugnis aufgeführt. Darüber hinaus befürchtete die EKD, dass eine allgemeine Verpflichtung zur Vorlage von Führungszeugnissen Menschen von einem ehrenamtlichen Engagement abhalten könnte.

Die nun gewählte Formulierung des § 72a Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 S. 2 SGB VIII-E ist hingegen gelungen und kann in Institutionen und Verbänden sogar dazu beitragen, durch die Beschäftigung mit den verschiedenen Formen ehrenamtlicher Tätigkeit etwaige Lücken im Kinderschutz der jeweiligen Institution oder Organisation aufzudecken. Die EKD geht davon aus, dass die Vereinbarungen zur Vorlage von Führungszeugnissen durch die Abgrenzung der Tätigkeiten nach Intensität, Art und Dauer voraussichtlich ganze Bereiche des ehrenamtlichen Engagements – wie beispielweise die Regelarbeitsfelder der Jugendarbeit – nicht betreffen werden.