Gemeinsame Stellungnahme des kath. Büros Berlin und des EKD-Büros Brüssel zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Änderung der Richtlinie (EU) 2024/1760 (CSDDD) durch das sog. „Omnibus I-Paket"

Das Omnibus I-Paket ist ein umfassendes Maßnahmenbündel zur Überarbeitung und Vereinfachung bestehender Regelungen im Bereich der Unternehmensnachhaltigkeit.

Die beiden kirchlichen Büros begrüßen grundsätzlich die Anliegen der Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu verringern und Berichtspflichten gezielter zu gestalten.

Betroffen von den geplanten Änderungen ist u.a. die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)), die erst im Juni 2024 in Kraft getreten, von einigen Unternehmen bereits umgesetzt und von vielen weiteren Unternehmen auf den Weg der Umsetzung gebracht worden ist. Insofern wirft das Paket erhebliche Fragen mit Blick auf die Verlässlichkeit europäischer Gesetzgebung auf. Es sollen nun nachträglich zentrale Bestimmungen so abgeschwächt werden, dass eine Entkernung der Richtlinie droht. Die CSDDD ist ein wichtiger Meilenstein für mehr Unternehmensverantwortung für Menschenrechte und die Umwelt entlang globaler Lieferketten. Diese Verantwortung ist eine notwendige Folge der Freiheit des internationalen Handels, auf dem europäische Unternehmen ihre internationalen Geschäftsmodelle und einen großen Teil des europäischen Wohlstands aufgebaut haben. Sie entspricht der christlichen Sozialethik, die die Würde des Menschen und die Bewahrung der Schöpfung ins Zentrum stellt. Wo Lieferketten bis in Regionen mit schwachen staatlichen Strukturen reichen, braucht es verlässliche Regeln, damit ökonomischer Wettbewerb nicht auf Kosten der Schwächsten und der natürlichen Lebensgrundlagen ausgetragen wird. Angesichts der Debatte im Europäischen Parlament wollen wir auf eine Reihe von problematischen Vorschlägen zur Überarbeitung der CSDDD hinweisen.

1. Allgemeine Bewertung der Omnibus-Richtlinie COM (2025) 81) Die Omnibus-Richtlinie enthält nachvollziehbare Vereinfachungen, etwa indem sie belastende Berichtspflichten für kleinere Unternehmen verringert. Solche Anpassungen sind geeignet, den bürokratischen Aufwand zu begrenzen und die Akzeptanz bei den betroffenen Unternehmen zu erhöhen. Allerdings gehen wesentliche Änderungsvorschläge der EUKommission ebenso wie Elemente des Berichtsentwurfs von MdEP Jörgen Warborn weit über den Bürokratieabbau hinaus. Tatsächlich führen sie, würden sie verabschiedet, zu einer signifikanten Absenkung des menschenrechtlichen und umweltbezogenen Schutzniveaus der CSDDD. Die Entlastung erfolgt nämlich nicht primär durch weniger Verwaltung oder eine Vereinheitlichung der Regeln, sondern durch die erhebliche Abschwächung von Schutz-, Beteiligungs- und Durchsetzungsmechanismen. Es besteht das Risiko, dass die Richtlinie dadurch ihre Wirksamkeit weitgehend verliert.

2. Zentrale Kritikpunkte

a) Einschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie Besonders kritisch sehen die kirchlichen Büros die geplante Einschränkung des Anwendungsbereichs der CSDDD. Bereits der Vorschlag der Europäischen Kommission im Rahmen des Omnibus-I-Pakets sieht vor, die Schwellenwerte so anzupassen, dass deutlich weniger Unternehmen der Richtlinie unterliegen. Noch weiter geht der Berichtsentwurf des Berichterstatters im Europäischen Parlament, MdEP Jörgen Warborn. Er schlägt vor, die Sorgfaltspflichten künftig nur noch auf Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro anzuwenden. Damit würden zahlreiche Unternehmen vollständig aus dem Anwendungsbereich herausfallen. Diese Einschränkung steht im Widerspruch zum grundlegenden Ziel der Richtlinie, unternehmerische Verantwortung entlang globaler Lieferketten breit zu verankern. Darüber hinaus können auch kleinere und mittlere Unternehmen in Hochrisikosektoren agieren oder mit problematischen Zulieferstrukturen arbeiten. Ihre pauschale Herausnahme schwächt die Schutzwirkung der Richtlinie erheblich. Zudem entsteht der Eindruck, dass menschenrechtliche und ökologische Verantwortung lediglich eine Frage der Unternehmensgröße und nicht der -tätigkeit sei. Das widerspricht dem Ziel der CSDDD. Die Achtung der Menschenwürde und der Schutz der Umwelt sind grundlegende Verpflichtungen, die nicht von Bilanzkennzahlen oder Mitarbeiterzahlen abhängig gemacht werden dürfen.

b) Abschwächung von Klimaverpflichtungen Die Verpflichtung, Übergangspläne für den Klimaschutz „in Kraft zu setzen“, wird zu einer bloßen „Best-Effort“-Erwartung umgestaltet. Damit wird ein zentrales Instrument der EU zur Erreichung der auch von der EU als verbindlich akzeptierten Pariser Klimaschutzziele abgeschwächt. Angesichts des sich sogar beschleunigenden Fortschreitens der Klimakrise und der Dringlichkeit umfassender und effektiv wirkender Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung ist dies ein falsches Signal. Die Änderung reduziert Klimaschutz auf eine Absichtserklärung, die Unternehmen faktisch mehr Spielraum gibt, notwendige Maßnahmen zu verzögern oder ganz zu unterlassen. So wird aus einer verbindlichen Verpflichtung ein unverbindliches Ziel, das in der Praxis leicht unterlaufen werden kann. Der Berichtsentwurf geht sogar noch weiter: Er schlägt vor, die gesamte Regelung zu Klimatransitionsplänen vollständig zu streichen. Als Begründung werden der angeblich zu hohe Verwaltungsaufwand und mögliche rechtliche Unsicherheiten genannt. Diese vollständige Streichung würde die bisherigen Verpflichtungen komplett entwerten. Ohne verbindliche Vorgaben steht zu befürchten, dass Unternehmen notwendige Klimamaßnahmen weiter hinauszögern oder diese ganz ausbleiben.

c) Einschränkung der Stakeholder-Definition und Beschränkung der Einbindung Durch die Reduzierung des Stakeholderbegriffs auf direkt Betroffene und Arbeitnehmer werden zivilgesellschaftliche Organisationen, Umwelt- und Menschenrechtsinstitutionen praktisch aus dem Kreis der Beteiligten ausgeschlossen. Auch sollen nur noch „relevante Stakeholder“ einbezogen werden müssen. Dies schwächt jene Stimmen, die auf Basis eines breiten Erfahrungswissens Missstände einordnen und auf diese aufmerksam machen und mit ihren Ressourcen zu einer bestmöglichen Vertretung der Betroffenen beitragen können. Ohne diese Beteiligung droht ein entscheidender Teil der Aufklärungs-, Kontroll- und Schutzfunktion gerade in Hochrisikobereichen verloren zu gehen. Nicht selten sind es NGOs, Gewerkschaften oder kirchliche Hilfswerke, die über ihre Zugänge verlässliche Informationen erhalten und Missstände wie Kinderarbeit, Landraub oder Umweltverschmutzung aufdecken. Ihr Ausschluss verringert daher die Chancen, systematische Verletzungen frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

d) Beschränkung der Sorgfaltspflicht auf direkte Geschäftspartner Die geplante Eingrenzung der Reichweite der Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer bedeutet eine weitere, deutliche Abschwächung des ursprünglichen Schutzanspruchs. Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen ereignen sich häufig gerade in tieferen Ebenen globaler Lieferketten. Eine Pflicht zur Prüfung indirekter Partner nur bei „plausiblem Verdacht“ birgt erhebliche Risiken, dass schwerwiegende Verstöße unentdeckt bleiben. Besonders problematisch ist, dass gerade in Rohstoffabbau oder in der Textilproduktion die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen und massiven Umweltbelastungen typischerweise nicht bei direkten Zulieferern, sondern bei Sub-SubUnternehmen auftreten. Die vorgeschlagene Regelung läuft daher Gefahr, ein Risikomanagement zu begünstigen, das sich auf oberflächliche Prüfungen beschränkt und die gravierendsten Risiken in tieferen Lieferkettenebenen aus dem Blick verliert.

e) Verlängerung der Prüfintervalle Die Ausweitung der regelmäßigen Überprüfung von einem Jahr auf fünf Jahre bedeutet, dass neue Risiken und Entwicklungen möglicherweise deutlich später erkannt werden. Gerade in dynamischen globalen Lieferketten ist dies nicht verantwortbar. Fünf Jahre sind im Kontext internationaler Märkte eine sehr lange Zeit – in dieser Spanne können sich Lieferketten verändern und neue Hochrisikobereiche entstehen. Das Risiko steigt, dass Unternehmen jahrelang unbemerkt gravierende Verstöße begehen oder dulden, bis die turnusmäßige Prüfung sie erstmals ans Licht bringt. Außerdem besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Due Diligence-Bemühungen während der langen Prüfintervalle herunterfahren und ihre Sorgfaltsbemühungen damit auch strukturell schwächen.

f) Streichung der zivilrechtlichen Haftung Besonders gravierend ist die vorgesehene Streichung der zivilrechtlichen Haftung einschließlich der Eingriffsnorm und die Bestimmung der Prozessstandschaft. Problematisch ist auch, dass der Bußgeldrahmen von mind. 5 Prozent des jährlichen weltweiten Umsatzes wegfallen soll. Den Betroffenen wird der Zugang zu effektivem Rechtsschutz erschwert. Die Prozessstandschaft durch Gewerkschaften und NGOs zugunsten geschädigter Personen soll gänzlich abgeschafft werden. Die Durchsetzung der Rechte der Betroffenen wird erschwert. Diese Maßnahmen stellen insgesamt keinen Bürokratieabbau dar. Vielmehr werden hier die Folgen von Gesetzesverstößen für Unternehmen abgemildert – Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen werden für Unternehmen billiger. Damit geht die abschreckende und kompensatorische Wirkung verloren. Hinzu kommt, dass auch die Pflicht zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen in besonders schweren Fällen durch die Möglichkeit einer bloßen Suspendierung ersetzt wird. Unternehmen können so selbst bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Vertrauen darauf, dass ein Präventionsplan irgendwann greift, weiter zusammenarbeiten. Dies reduziert den Druck, untragbare Zustände rasch und konsequent zu beenden. Der Wegfall des Bußgeldrahmens könnte Wettbewerbsnachteile für kleinere Unternehmen nach sich ziehen, da es keine einheitlichen Vorgaben mehr gibt.

g) Ausweitung der Harmonisierung („Gold-Plating“-Verbot“) Der Vorschlag sieht vor, dass Mitgliedstaaten zentrale Sorgfaltspflichten nicht mehr strenger auslegen dürfen. Dies betrifft unter anderem die Identifizierung und Prävention von Risiken (Art. 6, 8, 10, 11, 14 CSDDD). Damit wird verhindert, dass einzelne Mitgliedstaaten ambitioniertere Regeln zum Schutz von Menschenrechten oder Umwelt einführen. Eine solche Absenkung auf das europäische Mindestmaß schwächt den Fortschritt dort, wo Mitgliedsstaaten bereits weitergehende Schutzmechanismen etabliert haben oder etablieren möchten. Ganz besonders bedauerlich ist aber das Signal, das die EU aussendet, wenn sie sich nunmehr aktiv gegen ambitionierte Menschenrechts- und Umweltstandards einsetzt.

Im Ergebnis darf Vereinfachung und Entbürokratisierung nicht mit einer substanziellen Entkernung von umwelt- und menschenrechtlichen Standards und Verpflichtungen verwechselt werden. Die Gestaltung einer humanen Wirtschaftsordnung ist ein fundamentaler Auftrag an den EU-Gesetzgeber. Die EU trägt hier eine besondere Verantwortung, da sie auch in ihren Außenbeziehungen zur Aufrechterhaltung ihrer Werte verpflichtet ist und sich darüber hinaus immer als Vorreiterin für soziale und ökologische Standards verstanden hat. Ein Zurückfallen hinter diesem Anspruch würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der EU schwächen, sondern auch die Rechtssicherheit und die Chancengleichheit für in der EU operierende Unternehmen untergraben.

Die CSDDD muss ein zentrales Instrument bleiben, um beides auf europäischer Ebene zu stärken. Nur so kann die EU sicherstellen, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung nicht gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander verbunden werden. Mit einer ambitionierten CSDDD bleibt die EU ein Vorbild für eine menschenwürdige, nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaftsordnung. Wir bitten um Ihre Unterstützung, damit die Deregulierung zu einer zielgerichteten Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen führen und gleichzeitig die Substanz der Richtlinie gewahrt bleiben kann.

Berlin/Brüssel, den 9. Oktober 2025