Macht hoch die Tür
Mit diesem Lied beginnt die Adventszeit

1. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.
2. Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit;
all unsre Not zum End er bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Heiland groß von Tat.
3. O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.
4. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
eu'r Herz zum Tempel zubereit'.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.
5. Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.
Text: Georg Weissel (1623)
Melodie: Johann Anastasius Freylinghausen (1704)
Im Evangelischen Gesangbuch (EG) steht es ganz vorne, unter der Nr. 1. Und viele Kirchengemeinden eröffnen mit dem Lied „Macht hoch die Tür“ bis heute die Adventszeit und das neue Kirchenjahr. Über die Jahrhunderte ist „Macht hoch die Tür“ zu einem internationalen und ökumenischen Klassiker geworden. Es findet sich auch im katholischen Gotteslob, ist in der Neuapostolischen Kirche und vielen Freikirchen in Gebrauch.
Im Unterschied zu den meisten anderen Kirchenliedern kennen wir im Fall von „Macht hoch die Tür“ den konkreten Anlass seiner Entstehung. Es wurde zur Einweihung der Altroßgärter Kirche in Königsberg am 2. Advent 1623 geschrieben. Verfasser des Textes ist Georg Weissel, der erste Pfarrer jener Kirche. Erstmals gedruckt wurde das Lied 1642 in der Sammlung „Preußische Fest-Lieder auf das ganze Jahr für 5–8 Stimmen“ in einem Chorsatz von Johann Stobäus. 1704 erschien das Lied im „Geistreichen Gesang-Buch“ von Johann Anastasius Freylinghausen dann mit der Melodie, die heute bekannt ist.
In dieser Version wurde „Macht hoch die Tür“ zum Kirchenlied-Hit. Im 19. Jahrhundert wurde der Text ins Dänische und Englische übersetzt, das Lied ist seither in vielen Gesangbüchern auf der ganzen Welt vertreten.
Der Text des Liedes knüpft an Psalm 24 an: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe“, so übersetzt Luther. Die Aussagen des Psalms beziehen sich auf eine Tor-Liturgie im alten Israel, die möglicherweise beim Einzug der Bundeslade, die Gegenwart Gottes verkörpernd, in den Tempel gefeiert wurde. Im Lied „Macht hoch die Tür“ wird die Freude auf die bevorstehende Ankunft Christi an Weihnachten übertragen. Die ersten vier Strophen sind durch einen Refrain verbunden („Gelobet sei mein Gott“), der die Trinität umschreibt: „Schöpfer“ (Str.1), „Heiland“ (Str. 2), „Tröster“ (Str. 3), „voll Rat, voll Tat, voll Gnad“ (Str. 4).
Das Lied zeigt auch eine neue Frömmigkeitspraxis in der Barockzeit. Das Individuum, das einzelne Ich rückt gegenüber der Gemeinde in den Vordergrund. Der Mensch richtet sich direkt an Gott, durchdrungen vom Glauben an ihn. „Komm, o mein Heiland, Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist“, heißt es in der fünften und letzten Strophe.
Besonders wichtig sei es, dass das Lied die übliche Vorstellung von „oben“ und „unten“ umstürze, erklärt Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Denn der König, der hier empfangen wird, herrscht nicht mit Macht und Gewalt“, sagt Claussen: „Sanftmütigkeit ist sein Gefährt“.
Jörg Echtler
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