Geordnete-Rückkehr-Gesetzentwurf
Gemeinsame ökumenische Stellungnahme
Gemeinsame Stellungnahme
des Bevollmächtigten des Rates der EKD
bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und
des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe
– Katholisches Büro in Berlin –
zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht
(Geordnete-Rückkehr-Gesetz)
Die beiden Kirchen danken dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für die Zusendung des Gesetzentwurfs. Aufgrund der erneut sehr kurzen Frist ist es nicht möglich, eine umfangreiche Stellungnahme abzugeben. Die Kirchen nehmen nur zu einigen ausgewählten Aspekten des Entwurfs Stellung und behalten sich vor, im laufenden Verfahren weitere Aspekte vorzutragen.
Die Kirchen möchten zunächst darauf hinweisen, dass aufgrund der Vielzahl der Gesetzentwürfe, die sich gerade in unterschiedlichen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens befinden, auch für den Gesetzgeber die Gefahr besteht, den Überblick zu verlieren. So soll etwa mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein § 60b AufenthG-E – Duldung für Personen mit ungeklärter Identität eingefügt werden, während durch den Entwurf eines Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung ebenfalls mit § 60b AufenthG-E eine Ausbildungsduldung eingeführt werden soll. Aufgrund der in allen Verfahren angegebenen Eilbedürftigkeit wird hier eine große Fehlerquelle geschaffen.
Zu den Regelungen im Einzelnen:
Artikel 1 – Änderung des Aufenthaltsgesetzes
Zu § 2 Abs. 14 AufenthG-E:
Mit § 2 Abs. 14 AufenthG-E soll die Systematik der Rückführungsrichtlinie genauer abgebildet und die bestehenden gesetzlichen Regelungen erleichtert werden. Die nun vorgesehene Regelung berücksichtigt nicht, dass eine Überstellungshaft nach Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO nur beim Vorliegen „erheblicher Fluchtgefahr“ möglich ist. Vielmehr geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass der Begriff der Fluchtgefahr nach der Rückführungsrichtlinie und der Dublin III-VO weitgehend deckungsgleich sei.[1] Begründet wird die Deckungsgleichheit mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. März 2017.[2] Der EuGH hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass die in Art. 2 n) Dublin III-VO geforderten, objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr durch einzelstaatliche Regelungen aufzustellen sind, da die Kriterien weder in der Dublin III-VO noch in einem anderen europäischen Rechtsakt festgelegt wurden.[3] Der EuGH hat sich in seinem Urteil nicht zu der Frage geäußert, wann von einer „erheblichen“ Fluchtgefahr auszugehen ist. Auch wenn die Definition der „Fluchtgefahr“ in der Dublin III-VO mit jener in der Rückführungsrichtlinie weitgehend übereinstimmt, muss diese Fluchtgefahr im Rahmen einer Überstellungshaft nach Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO erheblich sein. Auf die Erheblichkeit der Fluchtgefahr wird in dem vorliegenden Gesetzeswortlaut nicht eingegangen. Die Kirchen schlagen vor, einen Hinweis auf die Erheblichkeit der Fluchtgefahr im Rahmen der Dublin III-VO in den Gesetzestext aufzunehmen.
Mit Blick auf die Regelung des § 2 Abs. 14 S. 2 a) AufenthG-E, möchten die Kirchen darauf hinweisen, dass die Regelungen der Dublin III-VO keine freiwillige Rückkehr der Antragsteller in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat vorsehen. Dies deutet darauf hin, dass „[…] die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet [, die] konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will.“ sich nicht als Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr eignen.
Zu § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG-E:
Ein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG soll künftig vorliegen, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestes sechs Monaten verurteilt worden ist.
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG sind vor einer Ausweisung die Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet abzuwägen. Bei einer Beurteilung von rechtskräftigen Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straftaten als besonders schwere bzw. schwere Ausweisungsinteressen des Staates, ergibt sich zwangsläufig eine doppelte Bestrafung der Betroffenen, da neben der eigentlichen Strafe auch der Verlust des Aufenthaltstitels droht. Hier reicht die Höhe des Strafmaßes als Kriterium allein nicht aus, sondern es muss sorgfältig abgewogen werden, wann von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG auszugehen ist.
Die Kirchen befürchten, dass die nun vorgesehene Verschärfung des Ausweisungsrechts nicht zu einer leichteren Handhabbarkeit der Regelungen führen wird. Es ist zu befürchten, dass die Personen, die aufgrund vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder mehr verurteilt wurden und deshalb ausgewiesen werden aufgrund von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG oder aufgrund humanitärer Gründe nach § 60a Abs. 1 AufenthG in Deutschland bleiben, allerdings keinen Zugang zu Integrations- oder Resozialisierungsmaßnahmen haben werden.
Die Kirchen plädieren deshalb dafür, die bisherige ausgewogene Regelung der § 53 ff. AufenthG beizubehalten.
Zu § 60b AufenthG-E:
Aufgrund der noch fehlenden Gesetzesbegründung zu dieser Regelung, kann eine abschließende Bewertung nicht erfolgen. Die Kirchen möchten jedoch bereits jetzt betonen, dass einige der in § 60b Abs. 3 AufenthG-E geforderten Mitwirkungshandlungen in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen könnten.
Gemäß § 60b Abs. 3 Nr. 3 AufenthG-E ist der Ausländer verpflichtet, gegenüber der für ihn zuständigen Auslandsvertretung eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach er die Bundesrepublik freiwillig verlässt bzw. freiwillig in sein Heimatland zurückkehren möchte. Je nach Konstellation des Einzelfalls wird von den Betroffenen damit verlangt, eine objektiv unwahre Erklärung abzugeben. Anders als in § 49 Abs. 2 AufenthG wird nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erklärung gegenüber den Auslandsvertretungen des Herkunftsstaates mit deutschem Recht in Einklang stehen muss. Gerade diesen Punkt sehen die Kirchen kritisch; schließlich ist nicht geklärt, was den Betroffenen in ihrem Herkunftsland droht, sollte den dortigen Behörden bekannt werden, dass die abgegebene Erklärung nicht den Tatsachen entspricht. Eine Lösung hinsichtlich des Vorgehens einiger Staaten, Reisedokumente nur auszustellen, wenn zuvor eine „Freiwilligkeitserklärung“ unterzeichnet wurde, muss mit diesen Staaten gefunden werden.
Gemäß § 60b Abs. 3 Nr. 2 und 5 AufenthG-E sind nach der Rechts- und Verwaltungspraxis des Herkunftsstaats erforderliche Angaben oder Erklärungen abzugeben oder sonstige nach der dortigen Rechts- und Verwaltungspraxis erforderliche Handlungen vorzunehmen und allgemein festgelegte Gebühren zu zahlen. Beides ist nicht erforderlich, wenn die Handlungen nicht zumutbar sind. Die Kirchen plädieren dafür, in der Gesetzesbegründung beispielhaft konkrete Anhaltspunkte dafür zu benennen, wann die Erfüllung der Anforderungen nicht mehr zumutbar ist. So ist etwa aus Eritrea bekannt, dass die Abgabe einer „Reueerklärung“ gefordert wird und eine Auslandssteuer in Höhe von 2 % des jährlichen Einkommens abgeführt werden muss. Einige Staaten verlangen sehr hohe Bearbeitungsgebühren oder stellen Reisedokumente nur für einen sehr kurzen Zeitraum aus. Die Kirchen plädieren dafür, neben dem Hinweis auf die Unzumutbarkeit – wie in § 49 Abs. 2 AufenthG – eine Bestimmung aufzunehmen, dass die Vornahme der erforderlichen Handlungen in Einklang mit deutschem Recht stehen muss.
Zu § 62 Abs. 3a und Abs. 3b AufenthG-E:
In § 62 Abs. 3a und Abs. 3b AufenthG-E wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen Fluchtgefahr widerleglich vermutet wird bzw. welche Tatsachen Anhaltspunkte für eine konkrete Fluchtgefahr sein können.
Gemäß Abs. 3a Nr. 1 wird Fluchtgefahr widerleglich vermutet, wenn der Ausländer über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht und die Angaben nicht selbst berichtigt hat. Hierdurch soll klargestellt werden, „[…] dass abgeschlossene Täuschungshandlungen, die im Abschiebungsverfahren irrelevant für die Durchfürbarkeit der Abschiebung waren, keine widerlegliche Vermutung für Fluchtgefahr begründen können.“[4] Gemäß Abs. 3b Nr. 1 soll eine Identitätstäuschung , die sich in längerem zeitlichen Abstand zur Abschiebung ereignet hat, ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein. Auch bei Abs. 3b Nr. 1 ist aus Sicht der Kirchen jedoch entscheidend, ob die Identitätstäuschung noch andauert oder die Klärung der Identität durch den Ausländer erfolgte. Ist dies der Fall, ist nicht ersichtlich, wieso eine in der Vergangenheit liegende Identitätstäuschung Anhaltspunkte für Fluchtgefahr in der Gegenwart liefern soll.
Nach Abs. 3b Nr. 2, liegt ein konkreter Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vor, wenn der Ausländer zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlungen nach § 96 AufenthG aufgewandt hat, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren. Die Aufwendung erheblicher Geldbeträge soll demnach auch dann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr sein, wenn sie für legale Transportmittel und Reiserouten aufgewendet worden sind. Dies sei notwendig, da der Nachweis der Handlung eines Dritten nach § 96 AufenthG in der Praxis schwer zu führen sei. Erfasst werden sollen deshalb auch Zahlungen, „[…] die nach den Umständen des Einzelfalls im deutlichen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen des Ausländers im Herkunftsland stehen.“[5] Die Kirchen regen an, diese Regelung zu streichen, wenigstens aber zu konkretisieren. Auch aus der Gesetzesbegründung geht nicht hervor, wann ein deutliches Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen vor Ort vorliegen soll. Darüber hinaus geben die Kirchen zu bedenken, dass allein das Aufwenden von – auch erheblichen – Geldbeträgen für die unerlaubte Einreise, wenn überhaupt nur in sehr geringem Umfang Rückschlüsse auf das Verhalten des Ausländers in der Gegenwart zulassen.
Zu § 62 Abs. 6 AufenthG-E
Durch § 62 Abs. 6 AufenthG-E soll eine Mitwirkungshaft eingeführt werden, wonach ein Ausländer bis zu 14 Tage in Haft genommen werden kann, wenn er unentschuldigt einer erstmaligen Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG keine Folge leistet. Gemäß § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt persönlich erscheint sowie ärztliche Untersuchungen zur Feststellung der Reisefähigkeit durchführen lässt. Bei all diesen Handlungen handelt es sich um Mitwirkungspflichten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.[6] Auch wenn diese Handlungen dazu dienen, eine Abschiebung vorzubereiten, handelt es sich nicht um Handlungen, die Teil der Abschiebung sind. Die Kirchen machen deshalb, auf verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der geplanten Freiheitsentziehung geltend. Gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist die Freiheit der Person unverletzlich, ein Eingriff ist demnach nur zulässig, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen.[7] Die Mitwirkungshaft soll bereits dann möglich sein, wenn ein Ausländer einer erstmaligen Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG nicht Folge geleistet hat. Die Durchsetzung der Mitwirkungspflicht durch die milderen Mittel Ersatzvorname (§ 10 VwVG), Zwangsgeld (§ 11 VwVG) oder unmittelbaren Zwang (§ 12 VwVG) ist nicht vorgesehen. Aus Sicht der Kirchen verstößt die Regelung deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[8]
Zu § 62a Abs. 1 AufenthG-E
Durch § 62a Abs. 1 AufenthG-E soll das Trennungsgebot aus Art. 16 Abs. 1 RückführungsRL vorübergehend ausgesetzt werden. Dies ist nach Art. 18 Abs. 1 RückführungsRL möglich, wenn eine außergewöhnlich große Zahl von Drittstaatsangehörigen, deren Rückkehr sicherzustellen ist, zu einer unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen eines Mitgliedstaats oder seines Verwaltungs- oder Justizpersonals führt. Allerdings ist Abs. 1 gemäß Art. 18 Abs. 3 RückführungsRL nicht so auszulegen, als gestatte er den Mitgliedstaaten eine Abweichung von ihrer allgemeinen Verpflichtung, alle geeigneten—sowohl allgemeinen als auch besonderen—Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass sie ihren aus dieser Richtlinie hervorgehenden Verpflichtungen nachkommen. Die Kirchen bezweifeln deshalb, dass das in der Gesetzesbegründung aufgeführte Missverhältnis zwischen 487 Abschiebungshaftplätzen und mehr als 235.957 vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer eine Notlage im Sinne des Art. 18 Abs. 1 RückführungsRL darstellt. Eine bis 30. Juni 2022 geltende Ausnahme vom Trennungsgebot erscheint europarechtlich äußerst bedenklich.
Zu § 97a AufenthG-E:
Mit § 97a AufenthG-E wird festgelegt, dass Informationen zum konkreten Ablauf einer Abschiebung, insbesondere Informationen nach § 59 Abs. 1 S. 8 AufenthG (Termin der Abschiebung) bzw. Informationen zum konkreten Ablauf, insbesondere zum Zeitpunkt einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG, Geheimnisse oder Nachrichten im Sinn des § 353b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB sind. Behördenmitarbeiter, die derartige Informationen unbefugt weitergeben machen sich demnach gemäß § 353 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht strafbar. Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass Personen, die nicht Amtsträger, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete oder von einer anderen amtlichen Stelle förmlich Verpflichtete sind, sich wegen Anstiftung und Beihilfe zur Haupttat strafbar machen.[9] Die Einstufung insbesondere des Abschiebungstermins als Geheimnis sei notwendig, da Abschiebungen häufig aufgrund der „Undurchführbarkeit des Aufgreifens der abzuschiebenden Person am bekannten Aufenthaltsort“ scheiterten.[10]
Aufgrund des sehr weiten und ungenauen Wortlauts der Norm, nach dem Informationen zum konkreten Ablauf einer Abschiebung als Geheimnis oder Nachricht im Sinne des § 353b StGB einzustufen sind, befürchten die Kirchen eine erhebliche Rechtsunsicherheit und Verunsicherung insbesondere für Ehrenamtliche und Berater.
Artikel 5 – Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Zu § 1a Abs. 7 AsylbLG-E:
Nach § 1a Abs. 7 AsylbLG-E erhalten Ausländer, die eine Asylgestattung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG) besitzen oder vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) und deren Asylantrag aufgrund der Dublin III-VO nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege nach § 1a Abs. 1 AsylbLG-E. Die Kirchen halten eine derartige Regelung für europa- und verfassungsrechtlich bedenklich. Die Regelungen der Dublin III-VO sehen keine Möglichkeit zur freiwilligen Rückkehr in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat vor. Insbesondere in Fällen, in denen vor der Einreise in den zuständigen Mitgliedstaat andere Mitgliedstaaten zu durchqueren sind, gestaltet sich eine freiwillige Ausreise des Betroffenen auch praktisch schwierig.
Die von § 1a Abs. 7 AsylbLG-E Betroffenen haben demnach keine Möglichkeit, den Einschränkungen der Leistungen durch ihr eigenes Verhalten zu entgehen. Ein derartiges Vorgehen scheint den Kirchen auch nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012[11] vereinbar zu sein, wonach die Menschenwürde nicht migrationspolitisch relativierbar ist.
Die Kirchen halten es deshalb für geboten, für Ausländer, deren Asylantrag aufgrund der Dublin III-VO als unzulässig abgelehnt wurde, keine eingeschränkten Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG-E vorzusehen.
Berlin, den 15.04.2019
[1] Referentenentwurf, S. 31.
[2] Az. C-528/15.
[3] EuGH, Urteil v. 15.3.2017, Az 528/15, Rn 28 (juris).
[4] Referentenentwurf, S. 44.
[5] Referentenentwurf, S. 45.
[6] Vgl. Hofmann/Hofmann § 82 AufenthG.
[7] Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Abs. 2 GG Rn 82.
[8] Vgl. auch § 70 StPO.
[9] Referentenentwurf, S. 55.
[10] ebenda.
[11] BVerfG, 1 BvL 10/1.