Grußwort zum Beginn der Friedenskonsultation in Wittenberg
Präses der EKD-Synode, Dr. Irmgard Schwaetzer
„Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens“
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,
ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben nach Wittenberg: Synodale der EKD und der Gliedkirchen, Gäste aus der Ökumene, Menschen, die im Bereich der Friedensarbeit Verantwortung tragen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Danke für Ihre Zeit und Ihr Engagement!
In den kommenden zwei Tagen wollen wir gemeinsam über die Friedensverantwortung unserer Kirche nachdenken. Wir tun das mit Blick auf die Tagung der Synode der EKD im November 2019.
Das Leitthema dieser Synode lautet: "Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens". Die außerordentliche politische Bedeutsamkeit dieses Themas liegt auf der Hand: Unsere Welt befindet sich gegenwärtig in einem tiefgreifenden und mit hoher Geschwindigkeit sich vollziehenden Umbruch. Um uns in Mitteleuropa herum nehmen Krisen, gewalttätige Konflikte und Kriege rapide zu, im Nahen und Mittleren Osten, in Nord- und Zentralafrika, und – im Falle der Ukraine auch in Europa selbst.
Die politische Frage, wie wir "Frieden wahren, fördern und erneuern" (so der Titel der EKD-Friedensdenkschrift
von 1981) können, ist aber auch eine geistliche und eine theologische Frage: Welche Rolle und Aufgabe haben wir Kirchen als „Friedensstifter“? Wir sind selbst herausgefordert, Orte des Friedens zu sein. Wie wird eine Kirche aussehen, die dem Geist des Friedens konsequenter Raum gibt? Wir spüren, dass sich die großen Veränderungen nicht nur in der weiten Welt abspielen, sondern in unserem eigenen Land und auch in unserer Kirche.
Den Blick auf diese notwendigen Veränderungen wollen wir in den kommenden zwei Tagen schärfen. Wir laden ein, die wesentlichen und wichtigen Themen der Friedensverantwortung in den Blick zu nehmen und zu diskutieren. Dafür brauchen wir den Rat der Expertinnen und Experten, die an vielen Stellen gerade auch im Raum der Kirchen eine hohe Kompetenz aufgebaut haben: In den Landeskirchen („Kirche des gerechten Friedens werden“), an der FEST im Projekt „Orientierungswissen zum gerechten Frieden“, in den Ev. Akademien in Deutschland und dem dort angesiedelten Diskursprojekt „dem Frieden in der Welt zu dienen…“ und in den vielen lokalen und regionalen Projekten der evangelischen Friedensarbeit. All das muss zusammenfinden und ins Gespräch gebracht werden. Denn wir wollen sachlich und fachlich qualifizierte Beiträge zu den großen friedenspolitischen Herausforderungen erarbeiten.
Für mein Urteil liegt ein Schlüssel im Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Die Überwindung von Krieg und Gewalt wird nur gelingen, wenn wir einer internationalen Verteilungsgerechtigkeit näherkommen und eine Wirtschaftsordnung entwickeln, in der die Interessen der Ärmsten berücksichtigt werden. Dies wird nicht ohne einen veränderten und sorgsamen Umgang mit den "global commons", den globalen Gemeingütern, und den begrenzten Ressourcen der Schöpfung gelingen. Die Klimapilgerwege und insgesamt die "Pilgrimage of Justice and Peace" geben uns entscheidende Hinweise.
Der andere Schlüssel liegt darin, ob es uns gelingt, in unserem eigenen Land mit seiner wachsenden Vielfalt in Frieden und gegenseitigem Respekt zusammenzuleben und der dramatisch anwachsenden politischen Polarisierung Ideen und Praktiken für ein konstruktives und konfliktfähiges Miteinander entgegenzusetzen. Das ist eine genuin friedensethische Aufgabe!
Die Friedensdenkschrift von 2007 mit ihrem Leitbild des gerechten Friedens bietet einen guten Rahmen für die nötigen Diskussionen. Sie ist allerdings nun auch mehr als 10 Jahre alt und wir stehen vor neuen Herausforderungen. Um uns diesen Herausforderungen zu stellen, brauchen wir eine lebendige und kontroverse Debatte. Wir brauchen die Auseinandersetzung zwischen Pazifisten und denjenigen, die für eine militärische Komponente in Form einer „rechtserhaltenden Gewalt“ eintreten. Wir brauchen die Spannung zwischen der „prophetischen Stimme des Friedens“ und der „politischen Anschlussfähigkeit“ dessen, was wir sagen. Ich wünsche mir eine lebendige und vielfältige Diskussion, die hier von Wittenberg aus weiter ausstrahlt in den gesamten Vorbereitungsprozess, bis in die Synode 2019 und darüber hinaus. Wenn es gut läuft, kann eine solche Debatte innerhalb unserer Kirche auch ein Vorbild sein für die gesellschaftlichen Debatten um die Fragen der politischen Gestaltung unseres Gemeinwesens.
Ich wünsche uns zwei inspirierende und ermutigende Tage, von thematischer Arbeit und Gespräch ebenso geprägt wie vom Gebet und den festlichen und auch spielerischen Elementen. Damit deutlich werden kann: Der Friede Gottes ergreift den ganzen Menschen – mit Leib, Seele und Geist. Und erst so gewinnen wir die Kraft, den Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern.
Dr. Irmgard Schwaetzer