Zeichen der Aussöhnung
Mit einer Pilgerreise ins Heilige Land bereiten sich EKD und Bischofskonferenz auf 2017 vor
Zu den Ursprüngen des Christentums, an die biblischen Stätten im Heiligen Land, sind Delegationen der beiden großen Kirchen, der EKD und Deutscher Bischofskonferenz gereist. Die Reise war ein Auftakt und Signal der Aussöhnung zum Reformationsjubiläum 2017.
Mitten im Oktober stehen bei strahlendem Sonnenschein evangelische und katholische Bischöfe vor der Geburtskirche Jesu, singen „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein“ und hören die Weihnachtsgeschichte. In Bethlehem ist es nichts Besonderes, dass ganzjährig Weihnachtslieder gesungen werden. Und der Choral steht in den Gesangbüchern beider Konfessionen. Das Lukasevangelium in der Luther-Übersetzung, das die evangelische Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber liest, klingt für die leitenden Katholiken aber ungewohnt. Ihnen ist die katholische Einheitsübersetzung vertraut, und die Bibeltexte weichen voneinander ab.
Die Ökumene ist von Gemeinsamkeiten und Unterschieden geprägt. Um diese auszuloten, sind die Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland ins Heilige Land gefahren. An den Wirkungsstätten Jesu wollten sie sich auf die Herausforderung vorbereiten, die das Reformationsjubiläum 2017 für sie bedeutet.
Persönliches Kennenlernen
„Es ist uns in diesen Tagen bewusst geworden, wie viel uns verbindet", erklärt die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer. „Wenn man in das Zentrum des Glaubens hineingeht, findet man auch zueinander", bilanziert der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.
Neun katholische Bischöfe und neun EKD-Ratsmitglieder – Geistliche und Laien – sind durch Israel und die Palästinensergebiete gereist. Eine Woche lang haben sie gemeinsam gebetet, gesungen und Gottesdienste gefeiert. Sie sind Boot gefahren auf dem See Genezareth, hinabgestiegen zum Jakobsbrunnen und auf dem Weg von Jerusalem nach Bethlehem gewandert. „Wir sind uns als Mitmenschen begegnet", sagt der EKD-Ratsvorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Und seine Stellvertreterin, die westfälische Präses Annette Kurschus, ist dankbar für das persönliche Kennenlernen: „Das geschah mit Respekt und ohne Hierarchien."
Brückenschlag im Christusfest
Als vor zehn Jahren mit der Lutherdekade die Vorbereitungen für 2017 begannen, sah es nicht so aus, als ob sich beide Kirchen gemeinsam auf den Weg machen würden, um den 500. Jahrestag des legendären Thesenanschlags von Martin Luther im Jahr 1517 in Wittenberg zu begehen. Die gegenseitigen Verletzungen waren tief: Im Jahr 2000 hatte die vatikanische Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger den Kirchen der Reformation abgesprochen, „Kirchen im eigentlichen Sinn“ zu sein.
Nach Ratzingers Wahl zum Papst hatte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber 2005 für die Protestanten wiederum den Kurs einer „Ökumene der Profile“ abgesteckt. Beim Papstbesuch an Luthers Wirkungsstätte in Erfurt blieben protestantische Wünsche offen. Und ein internes EKD-Papier fand den Weg in die Öffentlichkeit, in dem der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, Thies Gundlach, eine kritische Einschätzung der katholischen Kirche deutlich machte. All das sorgte für schlechte Stimmung. Und während die Protestanten vom Jubiläum sprachen, betonten die Katholiken das Gedenken.
Nun ist die Brücke geschlagen – zum Feiern und zugleich zum Heilen der Erinnerung unter dem Leitgedanken eines Christusfestes. Beide Kirchen wollen die Gemeinsamkeiten des Glaubens in den Mittelpunkt rücken, statt die Defizite zu betonen, die es weiterhin im Amtsverständnis und in der Frage des gemeinsamen Abendmahls gibt.
Signal der Aussöhnung im Heiligen Land
Gundlach erklärt in Jerusalem, was sich verändert hat: „Wir haben gelernt, die Unterschiede entspannt zu ertragen.“ So war es keine Überraschung, dass die hochrangigen Pilger im Heiligen Land nicht gemeinsam Abendmahl oder Eucharistie feierten. Aber sie waren als Gemeinde dabei, wenn die jeweils andere Konfession an den Altar trat.
Nach 500 Jahren der Trennung, nach Konfessionskriegen, Streit und Missverständnissen haben die leitenden Protestanten und Katholiken als Pilgernde ihre Aussöhnung demonstriert – und wollen dies angesichts der religiösen Konflikte im Heiligen Land auch als Signal verstanden wissen.
Sie trafen nicht nur mit Muslimen auf dem Tempelberg und mit Juden an der Klagemauer zusammen, sondern auch mit dem örtlichen lutherischen Bischof Munib Younan. Der Palästinenser ist Präsident des Lutherischen Weltbundes. Er wird am Reformationstag im schwedischen Lund mit Papst Franziskus zusammentreffen, während zeitgleich am 31. Oktober in Berlin die deutschen Feiern zum Jubiläumsjahr eröffnet werden.
Thomas Schiller (epd)