Predigt im ZDF-Gottesdienst zur Eröffnung der 6. Tagung der 12. Synode der EKD
Predigt von Thilo Daniel (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens) in der Kreuzkirche in Dresden
Es gilt das gesprochene Wort!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. Philipper 4,7
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn, Jesus Christus
Wie könnte ich wohl über den Frieden predigen? Was wüsste ich mehr und besseres als andere dazu zu sagen - gerade hier und heute. Viele wissen, wie aufgewühlt und auf der Suche nach Frieden wir sind – Friede und Sicherheit . Nach dem Rücktritt unseres Landesbischofs ist der Wunsch nach Frieden obenauf. Wir sehen, dass wir ihn nicht herstellen können – nur erwarten.
Denn: Viel Unfriede hat die Frage gestiftet, wofür wir sind und wogegen wir sind. Unfrieden hat es gestiftet, dass wir für viele die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben sind. Und deshalb – so scheint mir – laufen wir Gefahr zu verlieren was uns verbindet – im Glauben verbindet – die Mitte des Glaubens. Ist uns der Frieden abhandengekommen? Ist doch Christus unser Friede!
Schalom. Das ist mehr als die Abwesenheit von Unfrieden. Gottes Friede. Friede mit Gott. Unversehrt, heil sein. Der Wunsch, dass es allen wohl ergehe, jenseits unterschiedlicher Meinungen; eine gemeinsame Mitte haben. Das Öffnen geballter Fäuste – sonst lässt sich die Hand nicht zum Gruß öffnen und ein „Schalom“ kommt nicht über die Lippen. Es braucht die Kraft, die Faust zu öffnen. Kraft, die aus der Wut und der Unversöhnlichkeit führt.
Der Frieden, er braucht wohl dauerhaften Einsatz, aber mehr noch eine Haltung, die von Hass nichts hält. Ein festes Vertrauen – Glauben – in den Frieden, der stärker ist als Hass. Hass von wem auch immer auf wen auch immer. Wer öffnet die geballten Fäuste zur Versöhnung? Und: Wie könnte ich dazu auffordern wollen? Sind denn meine Hände geöffnet?
In mein Nachdenken scheinen Bilder hinein. Bilder vom Frieden. Von Schülerinnen und Schülern. Ihre Erfahrungen, und die Gedanken derer, die sie unterrichten habe ich gehört. Und die Bilder sind mir vor Augen.
Kräftige Farben hier in der verwundeten Kirche, in der die Decke vom Kreuz gehalten wird.
Die Banner, sie ragen von der Decke herab. Hinein in unsern Gottesdienst -in unsere Wirklichkeit, in unser Leben. Da ist auch der Regenbogen. Zeichen des Gottesbundes mit Noah.
Es klingen Stimmen in meine Gedanken hinein. Junge Stimmen. Der Kreuzchor, der diese Kirche prägt. Schüler des Evangelischen Kreuzgymnasiums – eine von über 70 Evangelischen Schulen. Und gleichzeitig ein Chor, der von unserer Stadt Dresden getragen wird und damit für den von uns allen gemeinsamen Wunsch nach Frieden in unserer Gesellschaft steht – von Dresden bis Chemnitz, Zittau bis Plauen und Annaberg bis Leipzig – Stimmen die erklingen – und das Kreuz an der Decke – und der Regenbogen als Zeichen des Friedens auf dem Banner miteinander verbinden. Die Stimmen geben dem 85. Psalm – Psalm der Woche Raum in unserer Mitte.
„Könnte ich doch hören, was Gott der HERR redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht in Torheit geraten.“ (Psalm 85)
Die klaren Farben des Glaubens wie sie hier vor Augen sind – die klaren Stimmen: Es ist wie Licht statt Finsternis.
Bilder und Stimmen davon, wie es werden könnte tragen uns bis hierher durch den Gottesdienst. Schalom. Gottes Friede. Wünsche werden wach: Dass ihr es besser macht als wir. Dass ihr es anders macht. Streiten ohne zu schlagen. Für etwas streiten und füreinander streiten, statt gegeneinander. „Dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“ (Psalm 85)
Dass „Nach vorne blicken“ – es ist vielleicht noch nicht belastet durch friedlose Erinnerungen. Ein echter Beginn für die Friedensdekade in diesem Jahr. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung: der Herzschlag der Friedlichen Revolution vor dreißig Jahren – der Ökumenischen Versammlung vor dreißig Jahren. In Plauen und in Leipzig und genau hier – unter dem Kreuz an der Decke dieser Kirche. Der Blick dorthin - gelenkt von den Farben und Stimmen der Generation, auf die wir hoffen lässt mich hoffen und wünschen über die Grenzen der Generationen hinweg:
Dass die Zuversicht auf Jesus Christus dabei sein möge und wir vorleben, dass der Glaube die Botschaft des Friedens und der Versöhnung ist, auch wenn wir Christen wahrhaftig nicht immer die besseren Menschen sind, nicht aufgeben, auf Besserung zu hoffen.
Dass das Kreuz nicht ein Symbol der Gewalt geblieben ist, sondern am Ostermorgen zum Lebensbaum geworden ist. Und mit diesem Morgen werden wir Kinder des Lichtes – Kinder des Tages.
Nicht naiv - vielmehr kräftig. Klang und Bilder nehmen meine Sinne und meinen Wunsch nach Frieden mit hinauf zur Decke einer durch den Hass des Krieges bis heute verwundeten Kirche. Der Putz nach den Wunden der Zeit von Nationalsozialismus und Krieg nur rau und vorläufig aufgetragen und das Kreuz an der Decke. So steht die Kreuzkirche bis heute. Es ist so als ob nur das Kreuz an der Ecke wie der Eckstein, für das es steht, die Kirche im Innersten zusammenhält. Das Kreuz – das Zeichen des neuen Lebens.
Umkehren unter dem Deckenkreuz zum Altar hin uns wenden, wo wir dann im Abendmahl Christus in unserer Mitte haben, ihm Begegnen, ihn empfangen, der sich uns schenkt im Abendmahl.
Frieden.
Damit wir befreit über das sprechen können, was uns bis dahin bedrückt hat.
„Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesus Christus.“ (1.Thessalonicher 5)
Der Friede, der höher ist als alle Vernunft (Philipper 4, Vers 7) ragt in diesen Gottesdienst. Nicht gegen die Vernunft, sondern höher.
Christus weist über meine engen Grenzen, meine kleine Kraft hinaus. Der Blick geht weiter über die Synode der EKD, die wir gerade eröffnen und die Herbsttagung der Landessynode im Kirchenjahr weiter zum Bußtag, der uns in Sachsen als geschützter
Feiertag, als Tag der Besinnung, zur Verfügung steht. Blicke ich dahin voraus, dann heißt Umkehr nicht zurück, sondern Neubeginn. Nüchtern und wach. Schalom – Fäuste öffnen sich und Wege werden frei. Gerade der Zweifel, die Anfechtung, führen zur Gewissheit.
Ach, hilf mir beten, wachen, ringen,
Das ist mehr als eine pathetische Zeile. Das ist die Gewissheit, dass der Glaube eine Mitte hat: Jesus Christus. Er hat mit seinem Leben gezeigt, was Liebe ist. Versöhnung – Schalom – Friede.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus. Amen.
Predigt im ZDF-Gottesdienst zur Eröffnung der 6. Tagung der 12. Synode der EKD von Thilo Daniel (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens)