Statement zum Rüstungsexportbericht 2022

Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und evangelische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), Anne Gidion

Anne Gidion

Pralatin Anne Gidion, Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und evangelische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)

Es gilt das gesprochene Wort.



Sehr geehrte Damen und Herren,

die angesprochenen Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auch auf die europäische Rüstungsexportpolitik. Der Krieg gegen die Ukraine hat der europäischen Rüstungskooperation einen deutlichen Impuls gegeben. Auch wenn wie aktuell zur Unterstützung der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung eine solche Kooperation unter bestimmten Bedingungen wichtig und sinnvoll sein kann: Es zeichnet sich heute leider ein Bild ab, das weiterhin und in zunehmendem Maße Anlass zur Sorge gibt.

Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass sie Rüstungsexporte als zentralen Erfolgsfaktor für das Geschäftsmodell der europäischen Rüstungsindustrie betrachtet; sie fordert die Vereinheitlichung nationaler Standards. Zugleich vertritt sie aber die Auffassung, dass sich die Mitgliedsstaaten grundsätzlich nicht daran hindern sollten, in Kooperation entwickelte militärische Ausrüstung und Technologie in Drittstaaten zu exportieren. Faktisch läuft dies darauf hinaus, dass die am wenigsten restriktive nationale Rüstungsexportpolitik zum europäischen Maßstab wird. Angesichts des Umstands, dass sich die europäischen Rüstungskooperationen deutlich intensiviert haben, drohen diese Entwicklungen die positiven Impulse, die z.B. von dem deutschen Rüstungsexportkontrollgesetz ausgehen können, zu untergraben.

Daher fordert die GKKE, dass europäische Rüstungskooperationen keinen Vorrang vor einer restriktiven europäischen Rüstungsexportkontrolle gewinnen dürfen. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine strenge und einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Standpunktes der EU einzufordern und auf eine neue, rechtlich verbindliche EU-Verordnung hinzuwirken. In diesem Zusammenhang wären die Vorschläge zur Schaffung eines Gremiums zur gemeinsamen Risikobewertung und zur Verständigung über eine Liste problematischer Empfängerländer einzubeziehen. Dringend ist auch die Herstellung von Transparenz bezüglich der Rüstungsexporte der Mitgliedstaaten. Der seit Jahren nicht nur von uns beklagte Mangel an Transparenz in der europäischen Berichterstattung zeigt sich in besonderer Weise auch an der Europäischen Friedensfazilität, ein Fonds, der u.a. zur militärischen Unterstützung von Drittstaaten geschaffen wurde. Die Öffentlichkeit erfährt nicht, welche Waffen und Ausrüstungsgegenstände geliefert werden. Waffenlieferungen in instabile Regionen sind zudem mit hohen Risiken verbunden: Oft fehlt den Empfänger-Regierungen die grundlegende Legitimität durch die Bevölkerung, der menschenrechtswidrige Einsatz solcher Waffen ist zu beklagen, die Terrorgefahr kann in den Empfängerregionen steigen und das Risiko, dass die Waffen unerlaubt weitergeben werden, ist groß.
Die GKKE fordert, dass die EU Strukturen etabliert, um für EPF-finanzierte Rüstungsgüter Endverbleibskontrollen zu gewährleisten.

Die Zukunft der Rüstungsexportkontrolle ist europäisch. Aber angemessene nationale Bemühungen, z.B. um restriktive nationale Rüstungsexportkontrollgesetze, sind wesentliche Bestandteile des erforderlichen politischen Prozesses und müssen auch von anderen EU-Staaten forciert werden. Wir fordern daher die Bundesregierung dazu auf, mit den europäischen Partnern um eine restriktive europäische Rüstungsexportpolitik zu ringen. Es handelt sich dabei nicht um eine nachgeordnete Frage, der man mit Blick auf ihr Konfliktpotenzial aus dem Weg gehen kann. Am Umgang mit den Kriegswaffen und Rüstungsgütern zeigt sich auch der politisch-moralische Kern der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Um diesen lohnt es sich zu streiten.

Statement zum Download