Familienförderung

Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung

Zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Kinder

  1. Die Feststellungen des ersten Nationalen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Situation der Familien sind alarmierend. Demnach beziehen rd. 1,1 Millionen Kinder unter 18 Jahren Sozialhilfe; die Sozialhilfequote von Kindern unter 18 Jahren ist doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Mit besonderer Sorge betrachtet die EKD die Lage Alleinerziehender, junger Familien mit kleinen Kindern und von Migrantenfamilien. Familien in besonderen Lebenssituationen sind zusätzlichen Belastungen ausgesetzt und deshalb auch in stärkerem Maße auf Unterstützung angewiesen.

    Die Evangelische Kirche in Deutschland hat im Gemeinsamen Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" (1997) gefordert, dass das Kindergeld sowie das Erziehungsgeld der Höhe nach so auszugestalten sind, dass Kinder jedenfalls nicht die Ursache für Armut sein können und keine Familie auch in den niedrigeren Einkommensbereichen lediglich auf Grund der Tatsache, dass sie Kinder hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die existenznotwendigen Aufwendungen für Kinder müssen in realistischer Höhe angesetzt und von steuerlichen Belastungen freigestellt werden. Die sozialstaatlich gebotene Sicherstellung des wirtschaftlichen Existenzminimums von Familien erfordert die Anpassung der finanziellen Leistungen an die wirtschaftliche Entwicklung in angemessenen Zeitabständen.

    Daher begrüßt die Evangelische Kirche in Deutschland die Absicht der Regierungsfraktionen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus den Entscheidungen vom November 1998 weiter umzusetzen. Sie befürwortet die Anhebung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum von Kindern (§ 32 Abs. 6 EStG), die Aufstockung des Betreuungsfreibetrages zur Berücksichtigung des Aufwandes für Erziehung bzw. Ausbildung (§ 32 Abs. 6 EStG), den Wegfall der Altersgrenze von 16 Jahren für den Betreuungsfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG), die Aufstockung des Kindergeldes für das 1. und 2. Kind (§ 6 Abs. 1 BKGG) sowie die Möglichkeit, bei Erwerbstätigkeit der Eltern weitere Kosten für die Kinderbetreuung steuermindernd geltend zu machen (§ 33c EStG). Sie hätte es allerdings als hilfreich empfunden, wenn die Koalitionsfraktionen näher dargelegt hätten, auf welcher Basis sie die angesetzten Beträge ermittelt haben, zumal die Beträge eher niedrig angesetzt zu sein scheinen.

    Bedauerlich ist es, dass sich die Regierungsfraktionen in dem Gesetzentwurf darauf beschränken, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, ohne ein Gesamtkonzept für eine sozial gerechte Familienförderung vorzulegen. Die Synode der EKD hat auf ihrer Tagung im November 2000 die Bundesregierung aufgefordert, "nicht bei der Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den familienbezogenen Leistungen vom November 1998 stehen zu bleiben, sondern ein Konzept zur Förderung von Familien mit konkreten Umsetzungsschritten vorzulegen". Zu einem solchen Gesamtkonzept gehört nach unserer Sicht nicht nur eine Verbesserung der finanziellen Lage der Familien. Über die Lebensbedingungen, über Entfaltungsmöglichkeiten und Bildungschancen von Kindern entscheidet nicht nur die wirtschaftliche Situation einer Familie. Ebenso große Bedeutung kommt der Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung in den Betrieben, der Verfügbarkeit von Kindertageseinrichtungen, von Angeboten der Familienberatung- und -bildung sowie der Bereitstellung familiengerechten Wohnraums und eines kinder- und familienfreundlichen Wohnumfeldes zu. Die Synode der EKD hat sich daher mit ihrem Beschluss vom November 1998 auch dafür eingesetzt, den Ausbau und den Erhalt von Sachleistungen im Sinne einer sozialen Infrastruktur für Familien zu fördern.

  2. Anwendung von Art. 1 § 32 Abs. 6 S. 5 EStG auf die Zuschlagsteuern

    Die Neufassung von § 32 Abs. 6 EStG gibt die Freibeträge als Jahresbeträge an und sieht eine Zwölftelung für die Fälle vor, in denen ein Kind nicht das ganze Jahr berücksichtigt werden kann (S. 5).

    Nach dem Einführungsschreiben zum Familienlastenausgleich (i.d.F. des BMF-Schreibens vom 9.3.1998 Tz 26, BStBl. 98 I, 347) werden bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern nach § 51 a Abs. 2 EStG die Kinderfreibeträge stets mit dem Jahresbetrag angesetzt. Die Kirchen halten diese Vereinfachungsregelung nicht mehr für sachgerecht.

  3. Kinderbetreuungskosten – Art. 1 § 33c

    Die EKD begrüßt diese Regelung, da die Berücksichtigung der nachgewiesenen erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten den Erziehenden einen größtmöglichen Freiraum zur Gestaltung ihrer Berufs- und Lebensplanung einräumt.

  4. Art. 3 § 76 Abs. 2 Nr. 5 Bundessozialhilfegesetz

    Die EKD bedauert, dass die Kindergelderhöhung nicht von der Anrechung auf die Hilfe zum Lebensunterhalt abgesetzt wird. Die Kindergelderhöhung sollte allen Eltern, auch sozialhilfeberechtigten, für ihre Kinder in gleicher Weise zugute kommen.

Berlin, 15. Juni 2001