Stellungnahme zum Grünbuch "zur Zukunft der Mehrwertsteuer"

(EKD-Büro Brüssel)

Frage 6.

Welche MwSt-Befreiungen sollten abgeschafft werden? Erklären Sie bitte, weshalb Sie diese Befreiungen für problematisch halten. Welche Steuerbefreiungen sollten beibehalten werden? Führen Sie dafür bitte Gründe an.

Steuerbefreiungen, die der Verwirklichung sozial- und/oder kulturpolitischer Ziele dienen, sollten grundsätzlich beibehalten werden können. Vgl. dazu ausführlicher unten Antworten zu Frage 20. Ein Beispiel sind Steuerbefreiungen, wie sie in Deutschland gem. § 4 I Nr. 18 UstG für kirchliche und gemeinnützige Tätigkeiten gewährt werden. Diese Vergünstigungen werden eingeräumt, weil Kirchen und Wohlfahrtsverbände der Gemeinnützigkeit verpflichtet ist und im Gegensatz zu einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen nicht auf Gewinne ausgerichtet ist. Etwaige Gewinne fließen dementsprechend dem Gemeinwohl zu und können somit wieder für die Gesellschaft genutzt werden. Die Kirche leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Förderung des Gemeinwohls. Die gewährten Steuerbefreiungen tragen dieser Tatsache Rechnung und sollten deswegen erhalten werden.


Frage 9.

Was sind Ihrer Auffassung nach die größten Probleme beim Vorsteuerabzug?

Frage 10.

Wie könnten die Regeln für den Vorsteuerabzug neutraler und gerechter gestaltet werden?

Antwort zu Frage 9 + 10

Die Regelungen zum Vorsteuerabzug führen zu erheblichen Ressourcenverlusten bei gemeinnützigen Organisationen. Steuerbefreite kirchliche Einrichtungen haben nicht die Möglichkeit, die (geringere) eingenommene mit der (höheren) in Rechnung gestellten Umsatzsteuer zu verrechnen, wie sie für steuerpflichtige Unternehmen besteht. Damit werden diese gemeinnützigen Einrichtungen wie Endverbraucher behandelt. Sie müssen bei Einkäufen die Mehrwertsteuer zahlen ohne von dem Recht des Vorsteuerabzugs Gebrauch machen oder die Steuer an den wirklichen Endverbraucher weiter geben zu können. Sie zahlen damit unwiederbringliche Mehrwertsteuer. Damit sind für die gemeinnützigen kirchlichen Organisationen erhebliche Verluste verbunden und die Ressourcen für die gemeinnützigen Zwecke werden reduziert. Das Steuersystem sollte die vitalisierenden Bedeutung der gemeinnützigen Organisationen für die Gesellschaft als ganze gerecht werden. Zur gerechteren Gestaltung käme ein Rückerstattungsprogramm in Betracht oder zumindest eine reduzierte Mehrwertsteuerrate für alle Einkäufe einer kirchlichen gemeinnützigen Organisation, die dem gemeinnützigen Zweck zu Gute kommen.


Frage 20.

Würden Sie es vorziehen, wenn es keine ermäßigten Sätze (oder nur sehr wenige) gäbe, so dass die Mitgliedstaaten einen niedrigeren Normalsatz anwenden könnten? Oder würden Sie eine Liste verbindlicher, einheitlich angewandter ermäßigter MwSt-Sätze in der EU befürworten, etwa um bestimmte politische Ziele zu verwirklichen, die insbesondere in „Europa 2020“ ausgeführt sind?

Vergünstigte Steuersätze und Befreiungstatbestände dienen dazu, bestimmte erwünschte Ziele besser erreichen zu können. Sie sind damit Instrumente politischer Steuerung. Je stärker ein Steuersystem auf Vereinheitlichung angelegt ist, desto geringer fallen diese Steuerungsmöglichkeiten aus, die Ziele müssen dann auf anderem Wege, u.U. durch direkte Bezuschussung erreicht werden. Damit kann sich u.U. der Aufwand für die Betroffenen erhöhen. Gerade dort, wo sozialpolitische Ziele durch ermäßigte Steuersätze geförderte werden sollen, haben die Begünstigten keinen Aufwand: Sie profitieren schon beim Einkauf von den Vergünstigungen. Gleichzeitig kann dadurch sichergestellt werden, dass auch nur die Produkte und Dienstleistungen begünstigt werden, deren Förderung gesellschaftspolitischer Konsens ist. Dies wäre z.B. etwa bei einer allgemeinen Erhöhung sozialer Transferleistungen zum Ausgleich von Verlusten durch eine Abschaffung vergünstigter Sätze nicht der Fall. Solche Vergünstigungen dienen damit direkt und unkompliziert der Verwirklichung sozialpolitischer Ziele, wie sie in der Armutsreduktion auch Bestandteil der Strategie Europa 2020 sind.

Da Entscheidungen über die Notwendigkeit der Förderung bestimmter Aspekte des Zusammenlebens starken Lokal- und Regionalbezug haben und durch die unterschiedlichen Lebensbedingungen vor Ort bestimmt werden, ist hier das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung zu bringen. Diese Entscheidung sollte auf nationaler Ebene getroffen werden. Europäische Rahmenbedingungen wie Positivlisten für Befreiungen/Vergünstigungen können gleichzeitig dazu beitragen, die Diversität und damit den Verwaltungsaufwand zu begrenzen.

U.a. für Lebensmittel, kulturelle Veranstaltung und die Leistungen gemeinnütziger Verbände und der Kirchen wird in Deutschland gelten in Deutschland entsprechende Vergünstigungen. Diese dienen der oft Sicherung des Existenzminimums und anderen sozialpolitischen Zielen. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden. Durch die ermäßigten Steuersätze soll vor allem Familien und Geringverdienern die Möglichkeit auf Teilhabe und Chancengleichheit gewährleistet werden. Die Mehrwertsteuer knüpft ausschließlich an den Konsum an. Damit belastet die Mehrwertsteuer Familien und Geringverdiener stärker, weil diese einen verhältnismäßigen hohen Anteil ihres Einkommens für lebensnotwendige Konsumgüter ausgeben. Gerade Bezieher geringer Einkommen und kleiner Renten können zudem durch eine parallele Absenkung der direkten Steuern, selbst, wenn diese garantiert werden könnte, nur minimal entlastet werden. Die ermäßigten Steuersätze dienen daher dem sozialen Ausgleich, weil durch sie das soziale Existenzminimum erhalten bleiben und die Teilhabe an der Gesellschaft gesichert werden soll. Das lässt sich auch statistisch belegen: Eine Abschaffung der ermäßigten Steuersätze würde für Geringverdiener einen Realeinkommenverlust von 2,5 % bedeuten, für die mittlere Einkommensschicht einen Verlust von 1,5 % und selbst für die oberste Einkommensschicht - 0,9 %. Selbst die vollständige Nutzung der Mehrwertsteuerzugewinne zur Senkung der Mehrwertsteuer auf einheitlich 16 % würden für die unteren Einkommensschichten mit einem Realeinkommensverlust einhergehen (Studie des DIW, Wochenbericht Nr. 16.2011).