Voten aus aller Welt: Was bedeutet Reformation in meinem Kontext?
Brian Abrahams, Moravian Church (Südafrika)
Reformation in Südafrika bedeutet, die Liturgie attraktiver für junge Menschen zu gestalten.
Marianne Wagner, Evangelische Kirche der Pfalz (Deutschland)
Reformation heißt für mich, dass wir auch selber zu Veränderungen bereit sind.
CHEON, Min Heui, Presbyterianische Kirche (Republik Korea)
Reformation heißt für mich, dass wir Salz und Licht in der Gesellschaft sind.
Matissa Mohammed (Nord-Nigeria)
Reformation bedeutet für mich, Jugendliche darin auszubilden, wie sie friedlich miteinander umgehen können, ohne Diskriminierung wegen Religion und Stammeszugehörigkeit.
Ina, Teilnehmerin an einem Workcamp (Kamerun)
Das Erfrischendste an der Reformation für mich ist die Übersetzung der Bibel, die es möglich gemacht hat, dass man die Bibel auch selbst lesen kann und für sich auslegen kann.
Diks Pasande, Ökumenischer Mitarbeiter (Indonesien)
Reformation bedeutet, dass wir neue Perspektiven, neue Wege suchen müssen, dass junge Leute zusammen kommen.
Lee "Darius" Zhen Ying (Lutheran Church in Singapore, for Asia)
Freed from: Perfection-Children and teenagers in Singapore are expected to meet high standards in the pursuit of excellence. As a young person, I struggled with various issues of fear and self-worth. The breakthrough came when the Lord spoke to me through Psalm 139, where the psalmist spoke of how God created his inmost being, and knit him together in his mother's womb. Knowing that God valued me and had a plan for me even at conception, I knew I had no reason to fear. As the psalmist writes, I praise God because "I am fearfully and wonderfully made"!
Freed to: Service-Knowing the grace that is in Christ Jesus, I now share that message of hope and redemption with people so that we might all come to treasure the precious gifts and talents that God has given. I actively serve in my church's youth ministry as well as other ministries. One verse that I keep in mind at all times is the Apostle Paul's exhortation in 1 Corinthians 10:31, "So, whether you eat or drink, or whatever you do, do everything for the glory of God."
Carolina Huth (United Evangelical Lutheran Church, Argentina, for Latin America and the Caribbean)
Freed from: Immovable pews-When I first walked into the church that I now attend every Sunday I was surprised by the way in which the worship space was arranged. The altar is at the center and all the pews were moved so that they form a circle. What I experienced there, and I still experience every Sunday, is a shared, communal liturgy in which everyone can experience the gospel. We all have active roles during the service: saying the prayer of the day, playing musical instruments or reading the gospel. Being able to worship in the round creates an awareness of each other's presence and also places us at the same level. We are equal; there is no hierarchy in a circle.
Freed to: Creating new space-As Lutherans we believe that while traditions are not necessary for salvation, they are sometimes good for order, tranquillity and common practice. But when they do not serve their purpose, when people are uncomfortable and the church is no longer inviting and God's message does not reach everyone, then we may need to consider reorganizing the pews.
(alle Beiträge © Evangelisch im weltweiten und ökumenischen Horizont)
ekiba.de/html/content/reformation_oekumenisch312.html
Ab Brandenburg, Westmaas Protestantische Kirche (Niederlande)
Mir macht die Reformation Mut, mich und alle Christen als selbständige denkende und fühlende Menschen zu verstehen, die Verantwortung für unsere Welt übernehmen können und sollen. Wir sind alle "Priester" und deshalb zuständig! Wir müssen dem ungerechten Welthandel und der Umweltzerstörung entgegen treten, die in unserem Namen geschehen. Mit diesem Engagement möchte ich gern andere Christen anstecken und freue mich sehr, dass meine Gemeinde nun ihren gesamten Einkauf auf öko-faire Kriterien umstellt.
Maxi Hartl, Theologiestudentin, Mitglied des Global Young Reformers Network (Lutherischer Weltbund)
Reformation ist für mich das unübersehbare Ausrufezeichen in der Geschichte, das mich darauf hinweist, wie fundamental verändernd und radikal neu machend die Begegnung mit dem heiligen und lebendigen Gott ist. Die Reformatoren haben ganz persönlich erlebt, dass Jesus Christus sie mit Gott versöhnt und von ihren Sünden rettet. Deshalb mussten sie davon reden und schreiben. Reformation ist Zeugnis von Gottes Neuschöpfung. Weil Menschen neu wurden, konnte Kirche auch nicht so bleiben, wie sie war.
Rev. Dr. Samuel R. Zeiser, Ph.D. Allentown, Bischof, Northeastern Pennsylvania Synod Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (USA)
Die Reformation bedeutet, dass mein Glaube gestärkt, nicht kontrolliert wird. Denn ich lebe in Beziehung zu Jesus Christus. Diese Stärkung ist ein Geschenk für mich, das ich in der Heiligen Taufe empfangen habe. Diese Stärkung erlebe ich im Heiligen Abendmahl und sie findet ihre Erfüllung im Dienst der Liebe an meinem Nächsten. Dies geschieht nicht, weil ich würdig bin, in der Beziehung zu Christus zu leben, sondern weil Gottes Wort durch den Heiligen Geist in mir Glauben weckt.
Wilhelmina Koppe Lehrerin, Dordrecht, Protestantische Kirche (Niederlande)
Die Reformation gibt uns die Möglichkeit, das Gute aus den verschiedenen Traditionen wieder miteinander zu verbinden. Darüber miteinander ins Gespräch zu kommen und immer wieder ein Neuanfang zu machen. In der Universitätsstadt Leiden in den Niederlanden wird jeden Sonntag in dieser ökumenischen Weise mit katholischen, protestantischen und anderen Glaubensrichtungen zusammen gefeiert. Mit Gebet, Predigt und Brot und Wein. Martin Luthers Bibelübersetzung hat uns vor 500 Jahren vieles gegeben und vor allem die Wartburg bei Eisenach ist damit ein Symbol einer Zuflucht geworden: "ein feste Burg ist unser Gott". In diesem Sinne ist es gut, dass Kirchen immer wieder eine Zuflucht bleiben für Menschen, die miteinander darüber nachdenken, wie sie am besten Frieden und Gerechtigkeit in diese Welt bringen können. Mit Zweifel, mit Kritik und mit einem Funken von Gottes Liebe. Einige Zeilen die wir oft singen sind: Der Neuanfang hat schon begonnen, spürst du es nicht auch?
Fredah Wele Evangelisch-Lutherische Kirche (Papua-Neuguinea)
Die Reformation ist sehr bedeutsam für mich und für meinen Glauben und mein christliches Leben. Wenn es die Zeit der Reformation in der Geschichte nicht gegeben hätte:
Ich würde nicht die Wahrheit wissen, die das Wort Gottes in der Bibel beschreibt.
Ich würde nicht verstehen was es bedeutet: "Erlöst durch die Gnade Gottes allein".
Ich würde nicht glauben an den dreieinigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde
Ich würde einige Wege meines Lebens nicht verstehen, die ich Wunder nenne.
Mein Leben wäre heute völlig anders als es jetzt ist.
Außerdem erinnert es mich daran wie dieser Reformation Funke schließlich bis zu meinem Inselstaat kam. Der Funke kam und hat ein Feuer entfacht, nur weil jemand vor 500 Jahren von Gott berührt wurde. Deshalb bin ich in der Lage, das Evangelium Christi und die gute Nachricht des Heils zu kennen. Die Reformation des allmächtigen Gott begann mit Dr. Martin Luther, aber sie endete nicht in Wittenberg, sondern sie geht weiter durch das Leben von so vielen anderen Missionarinnen und Missionaren, die in alle Welt gingen. Daher glaube ich, dass die Reformation ein lebendes Wort ist, das im Laufe der Geschichte weiter zieht, es lebt und wird in Zukunft weiter leben.
Lia Valková, Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder, Prag (Tschechien)
Meiner Meinung nach kommt jetzt die Zeit, in der es zu einer neuen Reformation der Kirche kommt. Es gibt hier einen Prozess, der zur Beseitigung eines Aspektes führt, den die Reformation der christlichen Kirche mit sich gebracht hat, die Aufsplitterung. Ich sehe die Bemühung um Wiederannäherung und Verständnis für einander, mit der Aussicht auf Wiedervereinigung. Im Unterschied zur Vergangenheit wird dieser Prozess nicht von einem offenen Machtkampf und von Hass begleitet. So haben wir eine einzigartige Gelegenheit, einen Weg gegenseitiger Vergebung zu gehen, in Liebe und Frieden können wir nun einander annehmen quer durch alle Denominationen.
Wir können das suchen, was uns verbindet und einander gegenseitig bereichern mit dem, was wir Einzigartiges haben. Dazu brauchen wir aber den Grund, dass wir bedingungslos die einzige und vereinigende Wahrheit Christi empfangen, die uns befreit und die zwischen uns keinen Unterschied macht. Und so komme ich wieder zum Anfang, zu den Reformationsgedanken Hussens. Nach 600 Jahren ist Meister Jan Hus immer noch aktuell.
Martin Junge, Pfarrer h.c., Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Genf (Schweiz)
Der Lutherische Weltbund wird aufzeigen, welche Bedeutung das Zeugnis von reformatorischen Kirchen im Blick auf heutige Fragestellungen und Herausforderungen für die Menschheit hat.
Unter dem Hauptthema "Befreit durch Gottes Gnade" heißt es:
- Erlösung - für Geld nicht zu haben (Salvation - not for sale)
- Der Mensch - für Geld nicht zu haben (Human beings - not for sale)
- Die Schöpfung - für Geld nicht zu haben (Creation - not for sale)
Worauf sich der Zusatz "für Geld nicht zu haben" bezieht, mag sofort deutlich werden: Er knüpft an den prophetischen Einspruch an, den Luther im 16. Jahrhundert mit seinem Thesenanschlag an die Öffentlichkeit brachte. Auch die Stossrichtung ist weiterhin erhalten: Es geht um den Einspruch gegen die Vermarktung von Gaben, die ihrem Wesen nach dem Markt eigentlich entzogen sind und nie und nimmer zum Gegenstand monetärer Transaktionen werden dürfen. Dieses prophetische "Nein!" wird dann auf drei verschiedenen Ebenen konkretisiert: Erlösung, Mensch und Schöpfung.
(alle Beiträge © Reformation und die Eine Welt /Ev. - Luth. Landeskirche Sachsen)
www.evlks.de/doc/Themenheft_2016_web.pdf
Luke Nzioki Mwololo, stellvertretener Generalsekretär der Lutherischen Kirche (Kenia)
Eine Folge der Reformation ist: Menschen werden befähigt, die Bibel zu lesen. Sie können sich selbst mit dem Evangelium auseinandersetzen und brauchen dafür keine andere Instanz. Sie können sich mit Aussagen der Bibel identifizieren und diese auf ihre Lebenswirklichkeit übertragen. Das macht sie auch fähig zur Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, denn sie erfahren in der Bibel: Gott geht es um das Wohlergehen jedes einzelnen Menschen.
Gilbert Ilunga Nkasa Talwa, Generalsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche (Demokratische Republik Kongo)
Reformation bedeutet: Die Fähigkeit und auch die Möglichkeit zu haben, etwas ändern zu können, wenn es nicht in die richtige Richtung geht. Das Reformationsereignis hat es ermöglicht, dass Christinnen und Christen weltweit die gute Botschaft lesen und begreifen können. Wenn ich das Evangelium verstanden habe, kann ich auch urteilen: Was läuft in meinen Umfeld?
In meinem Land, in der Kirche richtig? Was läuft falsch? Dann kann ich zusammen mit anderen überlegen: In welche Richtung soll es weitergehen? Diese Urteils- und Diskussionsfähigkeit und das Vertrauen in die Mündigkeit der Menschen - das sind Geschenke der Reformation.
Dr. Alex Malasusa, Bischof der Östlichen Küstendiözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche (Tansania)
Die lutherische Kirche in Tansania ist die größte in ganz Afrika. Die Reformation hat für uns also eine besondere Bedeutung, auch heute. Sie erinnert uns daran, dass wir ein Teil der Kirche sind, sie aber nicht besitzen. Sie ist nicht unser Eigentum. Die Kirche ist auch nicht statisch. Die reformatorische Tradition fordert uns auf, zu überprüfen, wie wir eine wahrhafte Kirche sein können. Deshalb ist für uns die ökumenische Bewegung von großer Bedeutung. Ökumene bedeutet nicht, sich an Grenzen zu orientieren, sondern im Gegenteil: Ökumene bedeutet, über die Grenzen der eigenen Konfession hinauszugehen.
Die Reformation mahnt aber auch zu fragen: Ist unsere Kirche noch auf dem richtigen Weg? Welche Botschaft ist wichtig, angesichts der derzeitigen großen menschlichen Probleme? Wir sollten uns als Kirche immer fragen, wie können wir als Kirche für die Menschen da sein, spirituell, psychisch und physisch? Wir brauchen als Kirche in Zukunft keine neue Reformation, aber bestimmt noch viele Korrekturen. Unsere Kirche ist aufgerufen zu immerwährender Reform. Wichtig ist uns dabei auch das Selbstverständnis, Teil eines Ganzen zu sein.
Dr. Ying Gao, Leiterin des "Yanjing Theological Seminary" in Peking und Vizepräsidentin des China Christian Council (China)
Martin Luther wird von chinesischen Christen schon sehr verehrt. Bewundert wird vor allem sein Kampfgeist und die Art und Weise, wie er für seine Überzeugungen gekämpft hat. Wichtig sind die drei großen Prinzipien der Reformation, besonders die Rechtfertigung des Menschen durch den Glauben. Am theologischen Seminar haben wir viele Bereiche, in denen wir auf Gedanken von Luther zurückgreifen. Allerdings spielt das Luthertum bei uns sicher keine so große Rolle wie in anderen Ländern.
Wichtig war in den letzten Jahren die Sinisierung der christlichen Theologie im chinesischen Kontext. Es ging um die Frage: Welche Wege gibt es, damit die christliche Religion die Bevölkerung noch besser erreichen kann? Wer bei uns nicht in einem christlichen Kontext aufwächst, weiß meist nichts über das Christentum. Anders als in Deutschland, wo das Christentum Teil des kulturellen Systems ist. Die außerordentliche Entwicklung des Christentums in den letzten Jahren hat verschiedene Aspekte. Der erste Grund liegt sicher auch in der Politik der Religionsfreiheit nach der Kulturevolution. Im Zuge dessen hat das Christentum vielfach die chinesische Volksreligion ersetzt. Menschen brauchen einen Glauben und diese Rolle hat das Christentum übernommen. Außerdem spielt das christliche Menschenbild eine wichtige Rolle. Die Vorstellung des Menschen als Ebenbild Gottes ist eine theologische Vorstellung, durch die sich viele in China angezogen fühlen.
Barbara Luise Hiltel Venturini, Jugenddelegierte der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses (Brasilien)
Ich bin Lutheranerin, weil ich die Bibel vor allem auch so lesen möchte, dass meine gesellschaftliche Wirklichkeit dabei vorkommt. Es ist mir wichtig, das Evangelium nicht nur spirituell zu erfassen, sondern es auch mit sozialem Handeln in Verbindung zu bringen. Mir ist es wichtig zu wissen, dass ich durch Gottes Gnade gerechtfertigt bin. Das bedeutet für mich: Ich muss mich nicht durch meinen Glauben oder meine Taten beweisen. Ich bin schon so geliebt wie ich bin. Das ist auch sehr befreiend. Dann kann ich meinen Blick auch zu anderen wenden, kann sie lieben und etwas für andere tun. Die Bibel ist mir wichtig als Kraftquelle. Am liebsten lese ich die Bibel aber zusammen mit anderen, zum Beispiel in der Jugendgruppe, die ich leite. Dort sprechen wir gemeinsam über die Texte und setzten uns mit Alltagsproblemen aus christlicher Perspektive auseinander. Wir fragen uns, was es bedeutet, in der heutigen Gesellschaft als Christ oder Christin zu leben.
Bischof Dr. Munib A. Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, Präsident des Lutherischen Weltbundes (Jordanien)
Die Reformation oder die Theologie ist keine sich selbst genügende Angelegenheit. Wäre das so, wäre sie nur eine Art Philosophie. Sie steht zudem immer in einem bestimmten Kontext, sei dieser Europa, Amerika, Lateinamerika, Afrika oder auch Palästina. Auf diesen Kontext muss sie sich beziehen. Sie muss auf die Bedürfnisse und Nöte der Menschen eingehen und versuchen, hier Antworten zu finden. Für mich gehören gesellschaftliches Engagement und Spiritualität zusammen. Sonst schotten wir uns ab und bleiben für uns. Die Apostelgeschichte zeigt, dass es nicht genügt, nur das Evangelium zu verkünden und die Sakramente zu verwalten. Wir sind durch die Eucharistie in die Welt gesandt, um der Diakonie willen.
Meine Kirche engagiert sich vor allem in der Bildungsarbeit. Sie kommt Christen und Muslimen gleichermaßen zugute. Gegenwärtig sind 54 Prozent unserer Schüler und Studenten Muslime. Wir wollen sie nicht zum Christentum oder Luthertum bekehren. Aber wir geben allen, die unsere Schule besuchen, ob es Lutheraner, Nicht-Lutheraner, Christen oder Muslime sind, die gleiche evangelische Ausbildung. Das ist ein wichtiger Aspekt unserer missionarischen Aufgabe. Sie besteht auch darin, einen Beitrag gegen die Entwicklung extremistischer Haltungen zu leisten und einen Geist der Verständigung und Mäßigung zu entwickeln. Wir wollen diejenigen wieder in die Gesellschaft integrieren, die sich ausgeschlossen fühlen. Zweitens kann man sich angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts nicht einfach auf die Lektüre des Alten und des Neuen Testaments zurückziehen und so tun, als ob wir nichts mit der aktuellen Situation zu tun hätten. Hier muss die Kirche eine prophetische Rolle spielen, indem sie für Gerechtigkeit und Frieden eintritt. Das ist entscheidend. Unsere Menschen hier sind müde. Palästinenser und Israelis sind müde. Sie wollen einfach nur Frieden. Wir, die Kirche, wir sprechen uns gegen die Gewalt aus. Gegen die Verletzung der Menschenwürde. Gegen die Missachtung der Gendergerechtigkeit. Wir sprechen über die Verfolgungen von Christen im Irak und in Syrien. Wir thematisieren die Religionsfreiheit. Die Meinungsfreiheit. Die Kirche sollte der Welt immer eine ethische Richtung vorgeben.
Dr. theol. Dace Balode, Dekanin der Theologischen Fakultät der Universität (Lettland)
Die reformatorischen Idee: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan", zeigt, dass es nie nur um die eigene Freiheit gehen kann. Freiheit, die uns geschenkt wurde, bedeutet vor allem auch Freiheit, anderen Gutes zu tun. So kann das reformatorische Evangelium ein starkes Mittel sein, die Augen für die Nöte anderer zu öffnen. Sie kann Kraft und Mut geben, auch Situationen zu bewältigen, die hoffnungslos zu sein scheinen. Die Reformation war in meinen Augen ein Wendepunkt zur Aufwertung des einzelnen Menschen, und insofern ein Paradigmenwechsel im Denken. Doch die zentrale theologische Botschaft ist die Rechtfertigung allein aus Glauben. Es ist die gute Botschaft für Menschen, sich mit ihren Grenzen anzunehmen. Heute ist allerdings eine meiner brennendsten Fragen, wie es mit der Gendergerechtigkeit in unserer Kirche aussieht. In der Frauenordination sehe ich die Verwirklichung des grundsätzlichen reformatorischen Prinzips des Priestertums aller Gläubigen. Dafür möchte ich mich einsetzen.
Eszter Kailt, Pastorin der EvangelischLutherischen Kirche (Rumänien)
"Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen". Dieser Gedanke des Reformators ist mir wichtig - gerade heute angesichts der dringenden Zukunftsfragen wie Klimagerechtigkeit, Migration, Gerechtigkeit und Frieden. Ich denke, mit einem positiven Glaube an die Zukunft, Neugier und Handlungsbereitschaft können wir viel erreichen. Als ich mich vor kurzem mit Luthers Briefen beschäftigt hatte, fand ich heraus, welch ein begeisterter Prediger, Lehrer, Briefschreiber, Familienvater und Gärtner er war. Auch Gärtnern kann eine Form der Wertschätzung der Schöpfung sein. Predigen, lehren, Briefe schreiben - das bedeutet Offenheit und Engagement für die Fragen der Menschen. Es bedeutet Dialog. Was heißt es, Vater zu sein? Ich werde sagen können, was es bedeutet Mutter zu sein. Ich denke oft, dass Familie eine wichtige Keimzelle der Gesellschaft ist. Wenn sie geschützt wird, dann kann Integration, Gerechtigkeit und Frieden in unserer Welt wachsen. Ich wünsche, dass wir die Kraft des Evangeliums, des persönlichen Glaubens und der Gemeinschaft wiederentdecken können. Diese Quellen sind unersetzlich, wenn wir christliche Lösungen für die heutigen Probleme finden möchten. Ich wünschte, dass wir die passende Sprache fänden, um auch andere Menschen zu erreichen, die von anderen Weltbildern bestimmt sind. Der Schöpfer-Gott ist für alle da, für Arme, Reiche, für Kinder, Frauen und Männer aus jeder Nation.
(alle Beiträge: © weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) Zentrumfür Mission und Ökumene- Nordkirche weltweit, Breklum und Hamburg
Dr. Moses P. Manohar, Geschäftsführer der Inter Church Service-Association in Chennai (Indien)
Indien braucht eine neue Reformation. Die Inder müssen das "Priesterturn aller Hindus" bejahen. Der Hinduismus kennt aktuell nur das Priestertum aufgrund der Geburt: Nur diejenigen, die in eine bestimmte Kaste hineingeboren wurden, können Hindupriester werden. Auf diese Weise ist das Priestertum ein politisches Instrument der Ausgrenzung - eine diskriminierende und ungerechte Praxis. Die Priesterkaste bekräftigt darüber hinaus ihren Anspruch auf einen höheren sozialen Status, indem sie die Vorstellungen von ritueller Reinheit und Unreinheit am Leben erhält.
Der indische Staat muss vollständig aus den Fängen dieses Kasten-Hinduismus befreit werden. Das politische Indien muss mit der kulturellen Vorherrschaft des Hinduismus, den Ideologien des Feudalismus und des Grundherrentums brechen, denn die Tugenden des Feudalismus sind Gehorsam, Unwissenheit und Furcht vor dem Herrn. Eine Demokratie aber braucht andere Tugenden: Verantwortlichkeit, Redlichkeit, Gerechtigkeit und Fairness. Eine indische Reformation im heutigen Kontext muss die Macht des "Priestertums aller Gläubigen" wiederentdecken.
(© Mitteilen)
Christian Nottmeier, Pfarrer, Pretoria (Südafrika)
In meinem gegenwärtigen Kontext letztlich oft noch autoritär gedachter gesellschaftlicher, politischer wie auch religiöser Ordnungen scheint es mir lohnend, am Reformationstag diesen Freiheitsgebrauch zu thematisieren. Wenn Christus mich zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes beruft, dann hat das Folgen, privat, kirchlich, öffentlich. Bin ich in meinem Handeln nur meiner ethnischen Gruppe, meiner religiösen Prägung, meiner parteipolitischen Orientierung, meiner wirtschaftlichen Stellung verpflichtet, oder bedeutet mein Freiheitsgebrauch nicht auch, diese Grenzen immer wieder zu überschreiten, da, wo mein Verständnis des Christlichen und mein Gewissen es von mir erfordert.
Hannes Brüggermann, Vikar (Kairo)
Mitten in Kairo steht die Kirche der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde. Die Kirche wirkt ein wenig eingepfercht zwischen dem Nachbar-Hochhaus und der Hochstraße, die direkt davor vorbeiführt. Die Sandsteinfassade ist ein wenig versteckt hinter dem üppig bepflanzten Vorgarten. Und hinter Gummibaum und Palme lugen zwei Statuen hervor. Rechts und links des Portals stehen auf Säulen Luther und Melanchthon und beobachten mit ihren bronzenen Augen das bunte Treiben auf der geschäftigen Straße.
Reformation, das bedeutet für uns, dass Gottes Gnade allen Menschen geschenkt ist, eben nicht mit Abgrenzung oder mit Einschränkungen.
Wenn wir Gottesdienst feiern, dann ist da geistliche Heimat für Evangelische, für Lutheraner, für Reformierte, für Altkatholiken, für Griechisch-Orthodoxe, für Katholische.
Und so stehen die beiden Statuen am richtigen Platz, nicht als Heilige oder deutsche Helden, sondern als Reformatoren, in deren Tradition wir uns immer noch sehen.
Leise höre ich die Statue flüstern: "Schließlich erbarmte sich Gott meiner l ... ]. Da begann ich zu begreifen, dass dies der Sinn des Satzes sei: Gott schenkt seine Gerechtigkeit, und von diesem Geschenk kann der Mensch leben; Gott spricht den Menschen gerecht. Gott ist barmherzig: Er stellt sich auf die Seite des Menschen und schafft dem Menschen so Lebensraum. Da fühlte ich mich wie neu geboren."
Ulrich Holste-Helmer und Annegret Helmer (Bangkok)
"Mai pen rai" - das ist die Entsprechung zum sprichwörtlichen asiatischen Lächeln.
"Mai pen rai" - das heißt ins Deutsche übersetzt: "Macht nichts - kein Problem."
"Mai pen rai". Vielleicht könnte man diesen Satz auch so übersetzen: Es macht keinen Sinn, sich aufzuregen, oder aufzurechnen angesichts unserer Verletzlichkeit.
"Mai pen rai" - noch einmal anders und viel grundsätzlicher gedeutet: Nichts in dieser Welt ist so dramatisch, dass es dich völlig gefangen nehmen darf.
Oder, wie Martin Luther es formuliert: Trau deinen eigenen Erkenntnissen, deinen Gefühlen, deinen Zweifeln niemals völlig, niemals zu sehr. Wenn alles wankt, bleibt dir nur noch eine Zuflucht: der Glaube, der sich an Christus hängt.
(© bei den AutorInnen)