Grünbuch der Europäischen Kommission: "Von Herausforderungen zu Chancen: Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation"
(EKD-Büro Brüssel)
Frage 1:
Wie sollte die gemeinsame Strategie EU-Mittel für Forschung und Innovation für Teilnehmer attraktiver und leichter zugänglich machen? Was ist zusätzlich zu einem einheitlichen Zugangspunkt mit gemeinsamen IT-Instrumenten, einer einzigen Kontaktstelle für Unterstützung, einem gestrafften Satz von Finanzierungsinstrumenten, die die gesamte Innovationskette abdecken, und weiteren Schritten zur Vereinfachung der Verwaltung erforderlich? Die jeweils zu beachtenden unterschiedlichen Förder- und spezifischen Beteiligungsbedingungen der einzelnen Programme und Instrumente erhöhen den administrativen Aufwand und die Kosten. Dieses trifft vor allem Zuwendungsempfänger, die sich an unterschiedlichen mit EU-Mitteln geförderten Ausschreibungen oder Programmen beteiligen. Administrative Erleichterungen, wie z.B. Methodenzertifikate sollten daher genutzt werden können.
Frage 2:
Wie sollte erreicht werden, dass die EU-Finanzierung den vollen Innovationszyklus von der Forschung bis zur Vermarktung optimal abdeckt? Die beabsichtigte Schließung der Lücke zwischen Forschung und Innovation, zwischen Marktreife und Kommerzialisierung der Produkte kann eine erhebliche Spannung zur grundgesetzlich gesicherten Forschungsfreiheit bedeuten und eine neugiergetriebene Forschung in Rechtfertigungszwänge bringen. Dies ist zu vermeiden.
Frage 3:
Welche Merkmale der EU-Finanzierung bewirken einen möglichst großen Nutzen von Maßnahmen auf EU-Ebene? Sollte die Mobilisierung anderer Finanzierungsquellen einen hohen Stellenwert erhalten? Wichtig ist, dass neue Finanzierungsmaßnahmen nicht nur bestehende Quellen duplizieren und so zu einer weiteren Fragmentierung des Europäischen Forschungsraumes beitragen.
Frage 4:
Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation am besten eingesetzt werden, um die Ressourcen der Mitgliedstaaten zu bündeln? Wie sollten gemeinsame Programmplanungsinitiativen zwischen Gruppen von Mitgliedstaaten unterstützt werden?
Es erscheint zunächst sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene vergleichbare Grundsätze bei Anträgen auf Forschungsmittel einzuführen und ein einfaches, transparentes und kohärentes System der Forschungsfinanzierung zu etablieren. Es darf aber nicht darum gehen, Unterschiede zu nivellieren und lediglich die Akzeptanz für Forschung zu erhöhen. Unterschiedliche nationale ethische Traditionen und Wertungen müssen respektiert werden. Eine Zusammenführung der nationalen Forschungsförderungen und damit gemeinsame Forschungsschwerpunkte und –finanzierung sollten sich daher auf solche Bereiche beschränken, die EU-weit ethisch unproblematisch sind.
Frage 7:
Welche Maßstäbe sollten bei der Beurteilung des Erfolgs der EU-Finanzierung von Forschung und Innovation gelten? Welche Leistungsindikatoren könnten verwendet werden? Bei der Abwägung, ob Projekte erfolgreich gefördert wurden, darf nicht nur die konkrete Verwertbarkeit von Wissen im Vordergrund stehen. Wünschenswert wäre es, Ansätze zur sozialen Verantwortung der Forschungsförderung zu entwickeln, um sicherzustellen, dass der Fortschritt in Wissenschaft und Technik zur sozialen Gerechtigkeit und zur unparteiischen Behandlung z.B. durch gleichberechtigten Zugang zu wissenschaftlichem Fortschritt beiträgt. Auch der Nachweis partizipatorischer Strukturen sowohl in Forschungsplanung, -durchführung und –evaluierung sollten Indikatoren sein. Darunter kann z.B. die Einbeziehung der Öffentlichkeit oder die Begleitung durch Ethikkommissionen fallen.
Frage 9:
Inwieweit sollte sich eine stärkere Fokussierung auf gesellschaftliche Herausforderungen auf das Gleichgewicht zwischen Forschung aus Neugier und Planforschung auswirken? Nicht nur anwendungsnahe Forschung ist gute Forschung. Die EU-Förderung sollte stets Raum für eine Grundlagenforschung beibehalten, die nicht auf eine kurzfristige Anwendung ausgerichtet ist, sondern dem Erkenntnisgewinn dient. Als konkretes Beispiel sei die Nanotechnologie genannt. Sie ist bereits in die Anwendung vorgedrungen, obwohl zahlreiche grundlegende Erkenntnisse zu ihren gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen unbekannt sind. Ein Gleichgewicht kann durch Berücksichtigung unterschiedlicher Zeithorizonte erhalten werden. Die Bearbeitung von neu aufkommenden Fragen kann über eine kurz- bis mittelfristige Förderung erfolgen, die im Wettbewerbsverfahren vergeben wird. Diese Art von Förderung ist dann punktuell. Die Bearbeitung von komplexeren Fragestellungen bzw. großen gesellschaftlichen Herausforderungen benötigt eine kontinuierliche und systematische Abarbeitung der damit zusammenhängenden Fragestellungen über einen längeren Zeithorizont.
Frage 10: Sollte Bottom-up-Tätigkeiten mehr Raum gegeben werden?
Eine möglichst breite Förderung von Projekten aller Forschungsbereiche im Rahmen eines bottom-up-Ansatzes, bei dem die Antragsteller ihre Projekte selbst bestimmen, ist sicherlich wünschenswert. Wenn Regierungen aber immer mehr dazu neigen, ihre Zuschüsse nach dem Wettbewerbsprinzip zu verteilen, können Hochschulen nur noch Spitzenbereiche bezahlen, während Grundmittel für ein breiteres Forschungsangebot fehlen. Die Verwertbarkeit von Wissen darf aber nicht allein ausschlaggebend für die Förderung sein. Die EU sollte daher in erster Linie in die Grundlagenforschung investieren.
Frage 11:
Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation politische und zukunftsgerichtete Tätigkeiten optimal unterstützen?
Die Grundlagenforschung als Quelle zukünftiger Innovationen und damit die Hochschulen dürfen nicht zu Gunsten der anwendungsnahen Forschung als Quelle kurzfristiger Innovationen und damit der Industrie benachteiligt werden. Die EU-Förderung sollte den politisch propagierten Weg einer Energiewende angesichts des Klimawandels unterstützen, in dem sie bei der Forschungsförderung Projekte berücksichtigt, die innovative Beiträge zu einer Energieerzeugung aus regenerativen Energien und zu einer Steigerung der Energieeffizienz leisten können. Im Bereich der Landwirtschaft und der Ernährung sollte den Mehrheitsvoten der EU-Bevölkerung Rechnung getragen werden, die gentechnisch veränderte Pflanzen ablehnen. Der Weltagrarrat schlägt eine Agrarwende vor. Hierzu besteht ein hoher Forschungsbedarf, der nur durch industrieunabhängige Grundlagenforschung erbracht werden kann.
Frage 12:
Wie sollte die Rolle der gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission im Hinblick auf die Unterstützung der Politik und die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen verbessert werden?
Der Kommission könnte, wo nötig und von allen Beteiligten gewünscht, die Rolle als neutraler Moderator zwischen den relevanten Partnern (EU, Mitgliedstaaten, Industrie, KMUs, Forschungsorganisationen, Universitäten und andere Akteure) zukommen, der den europäischen Mehrwert gewährleistet.
Frage 13:
Wie könnten Tätigkeiten in den Bereichen Forschung und Innovation in der EU mehr Interesse wecken und für eine Beteiligung von Bürgern und Zivilgesellschaft attraktiver werden? Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit in die Konzeption, Umsetzung und Bewertung von Forschungsplänen eingebunden wird. Die Option, Organisationen der Zivilgesellschaft in ein System der Forschungsfinanzierung einzubeziehen, ist zu begrüßen. Der Raum der Wissenschaft und Forschung muss Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens werden. Sachliche Information und eine unvoreingenommene Debatte der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit hilft, Ängste abzubauen. Die Öffentlichkeit sollte aber nicht nur informiert werden, sondern auch selber mitentscheiden können, in welche Projekte die Mittel fließen. Wünschenswert ist daher eine Beteiligung der Öffentlichkeit sowohl bei der Konzeption von Forschungsplänen als auch bei der Bestimmung von Prioritäten für die Forschungsförderung. Es ist äußerst wichtig, das „Wie“ des Dialogs zu klären und entsprechende Strukturen zur Verfügung zu stellen, die eine Bevormundung durch Wissenschaft und Politik ausschließen. Ferner ist zu unterstreichen, dass die Forschungsförderung nicht an den Bedürfnissen der Industrie ausgerichtet sein darf. Die Förderung der Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen, die von der Mehrheit der EU-Bürger abgelehnt werden, erscheint daher fragwürdig. Die EU sollte vielmehr vermehrt ökosystemare Forschungen unterstützen, die an den Herausforderungen des Klimawandels ansetzen.
Frage 14:
Wie sollte die EU-Finanzierung der breiten Basis der Innovation, einschließlich nicht technologischer Innovation, Öko-Innovation und sozialer Innovation am besten Rechnung tragen? Forschungs- und Innovationspolitik sollte nicht nur auf die Natur- und Technikwissenschaften beschränkt bleiben, sondern den Beiträgen von Geistes- und Gesellschaftswissenschaften angemessen Rechnung tragen. Denkbar ist eine Verankerung im Rahmenprogramm in Form eines eigenständigen Unterprogramms. In allen Innovationsfeldern sollte eine Technikfolgenabschätzung verankert werden. Diese sollte ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beinhalten. Die ökologischen Aspekte sollten insbesondere auf Klimaverträglichkeit und Erhalt der Biodiversität hin angelegt sein. In den Innovationsfeldern, in denen die derzeit absehbaren negativen Folgen neuer Technologien und Forschungsfelder überwiegen, sind darüber hinaus Korrekturen und ggf. ethische Grenzziehungen angebracht. Wenn technische Neuerungen entwickelt werden, muss sich die davon betroffene Gesellschaft erst darauf einstellen und auch Gelegenheit haben, Entwicklungen mit zu beeinflussen. Das gilt besonders für die grüne Gentechnik, für die Nanotechnologie und die embryonale Stammzellforschung, deren Akzeptanz in manchen Mitgliedstaaten umstritten ist und deren Einführung und Implementation technikethische Fragestellungen und Technikfolgenabschätzungen erfordert, die nur im Zusammenspiel von Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften bearbeitet und in ihren Schlussfolgerungen plausibilisiert werden können.
Frage 15:
Wie sollte die Beteiligung der Industrie an den Forschungs- und Innovationsprogrammen der EU gestärkt werden? Wie sollten die gemeinsamen Technologieinitiativen (wie die im laufenden Rahmenprogramm) oder verschiedene Formen öffentlich-privater Partnerschaften unterstützt werden? Welche Rolle sollten die europäischen Technologieplattformen spielen?
Es erscheint problematisch, wenn die Industrie eine Schlüsselrolle bei der Festlegung von Prioritäten und im Rahmen öffentlich-rechtlicher Partnerschaften übernimmt und anschließend die Forschungsergebnisse auch noch patentiert. Es besteht die Gefahr, dass industrieunabhängige Forschung in den Hintergrund gedrängt wird. Deshalb muss u.a. sichergestellt sein, dass die Einbeziehung der Industrie nicht zu Lasten der Grundlagenforschung und damit der Hochschulen geht. Die Beteiligungsregeln von öffentlich-privaten Partnerschaften etwa sollten Hochschulen eine kostendeckende Teilnahme ermöglichen und faire Regeln zum Umgang mit geistigem Eigentum aufstellen. Diese Partnerschaften sollten auch verstärkt Kontrollen auf Qualität und Nachhaltigkeit unterfallen.
Frage 16:
Welche Arten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sollten auf EU-Ebene unterstützt werden, und in welcher Form sollte dies geschehen; wie sollten dadurch Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene ergänzt werden? Welche Arten von Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Beteiligung von KMU an EU-Programmen im Bereich Forschung und Innovation deutlich zu erleichtern? Wird die Industrieforschung weiter ausgebaut und der europäische Finanzierungsanteil reduziert, droht ein alleiniger Ausbau der Innovationskraft großer Unternehmen. Die Einbindung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die sich keine großen Forschungsetats leisten können, darf aber nicht vernachlässigt werden. Kleine und mittlere Unternehmen haben oft größere Probleme, da sie keine spezifischen Ressourcen im Unternehmen für die komplexe Antragstellung freistellen oder gezielt ausbilden können. Eine Vereinfachung und bessere Strukturierung der Fördermaßnahmen im Hinblick auf die KMU-Bedürfnisse ist daher nötig. Man könnte daher an ein individuelles Förderprogramm für diese Unternehmen denken mit vereinfachtem Antragsverfahren, etwa nach dem Vorbild des deutschen „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)“.
Frage 21:
Wie sollte die Rolle des Europäischen Forschungsrates im Hinblick auf die Unterstützung globaler Exzellenz gestärkt werden? Der Europäische Forschungsrat kann die Aufgaben der Verbundforschung nicht übernehmen, insbesondere weil er ohne thematische Vorgaben arbeitet und auf einzelne Forscherinnen und Forscher und nicht auf europäische oder internationale Verbünde angelegt ist. Deshalb sollte die Verbundforschung auf europäischer Ebene das Kernstück bleiben. Der Rat bedürfte jedenfalls eines signifikanten Mittelzuwachses sowie einer effizienten Governance-Struktur, um sich weiter profilieren zu können.
Frage 22:
Wie sollte die EU die Mitgliedstaaten beim Aufbau von Exzellenz unterstützen? Der Europäische Forschungsrat sollte weiterhin ausschließlich als Exzellenzprogramm für die Förderung individueller Grundlagenforschung verstanden werden, ungeachtet irgendwelcher politischen oder wirtschaftlichen Ziele.
Frage 23:
Wie sollte die Rolle der Marie-Curie-Maßnahmen im Hinblick auf die Förderung der Mobilität von Forschern und die Entwicklung attraktiver Laufbahnen gestärkt werden Dynamisch wachsende Forschungsbereiche leiden oft an einem Mangel an NachwuchswissenschaftlerInnen. Marie-Curie-Actions sollten daher mit mehr Mitteln ausgestattet werden, insbesondere hinsichtlich der Förderung von Institutionen bei der Ausbildung der NachwuchswissenschaftlerInnen (Initial Training Networks) und bei Einzelstipendien (individual fellowships). Dies zumal vor dem Hintergrund des absehbaren Mangels an IngenieurInnen und anderen AbsolventInnen der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Fächer, um eine Mobilität der WissenschaftlerInnen zu gewährleisten, wo der eigene Absolventenpool diese nicht hervorbringt.
Frage 25:
Wie sollten Forschungsinfrastrukturen (einschließlich EU-weitere-Infrastrukturen) auf EU-Ebene unterstützt werden? Die Forschungsinfrastrukturen dienen nicht nur der Durchführung von Experimenten und Messungen, sondern sind auch Plattformen des Austauschs zwischen Forscherinnen und Forschern und geben Impulse für die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik. Bestehende Forschungsinfrastrukturen (wie in Deutschland etwa Leibniz-Institute) sollten in ihrer europaweiten Vernetzung stärker gefördert werden. Auch sollten die Laufzeiten der Förderung verlängert werden, um ein effektives Management und ausreichende Planbarkeit und Vorbereitungszeiten zu gewährleisten.
Frage 27:
Zur Überwindung welcher Hauptprobleme und -hindernisse im Hinblick auf den EFR sollten die Finanzierungsinstrumente der EU eingesetzt werden, und wo sollten andere Maßnahmen greifen (z. B. legislativer Art)? Nahezu die Hälfte der öffentlich geförderten Forschungsarbeiten in Europa wird in den Forschungsorganisationen geleistet. Für diese wichtigen Forschungspartner fehlt eine systematische Unterstützung auf europäischer Ebene, damit sie sich untereinander abstimmen können. Denkbar ist, dass strategische Forschungsallianzen gegründet und finanziell gefördert werden. Die Mitgliedsstaaten, die EU, die Industrie, die Hochschulen und andere relevante Beteiligte wären bei der Forschungsplanung sowie der systematischen Bearbeitung der Forschungsaufgaben angemessen einzubinden. Gefördert werden sollten konkret Koordinierungsmaßnahmen und Verbundprojekte.
Wie sollte die gemeinsame Strategie EU-Mittel für Forschung und Innovation für Teilnehmer attraktiver und leichter zugänglich machen? Was ist zusätzlich zu einem einheitlichen Zugangspunkt mit gemeinsamen IT-Instrumenten, einer einzigen Kontaktstelle für Unterstützung, einem gestrafften Satz von Finanzierungsinstrumenten, die die gesamte Innovationskette abdecken, und weiteren Schritten zur Vereinfachung der Verwaltung erforderlich? Die jeweils zu beachtenden unterschiedlichen Förder- und spezifischen Beteiligungsbedingungen der einzelnen Programme und Instrumente erhöhen den administrativen Aufwand und die Kosten. Dieses trifft vor allem Zuwendungsempfänger, die sich an unterschiedlichen mit EU-Mitteln geförderten Ausschreibungen oder Programmen beteiligen. Administrative Erleichterungen, wie z.B. Methodenzertifikate sollten daher genutzt werden können.
Frage 2:
Wie sollte erreicht werden, dass die EU-Finanzierung den vollen Innovationszyklus von der Forschung bis zur Vermarktung optimal abdeckt? Die beabsichtigte Schließung der Lücke zwischen Forschung und Innovation, zwischen Marktreife und Kommerzialisierung der Produkte kann eine erhebliche Spannung zur grundgesetzlich gesicherten Forschungsfreiheit bedeuten und eine neugiergetriebene Forschung in Rechtfertigungszwänge bringen. Dies ist zu vermeiden.
Frage 3:
Welche Merkmale der EU-Finanzierung bewirken einen möglichst großen Nutzen von Maßnahmen auf EU-Ebene? Sollte die Mobilisierung anderer Finanzierungsquellen einen hohen Stellenwert erhalten? Wichtig ist, dass neue Finanzierungsmaßnahmen nicht nur bestehende Quellen duplizieren und so zu einer weiteren Fragmentierung des Europäischen Forschungsraumes beitragen.
Frage 4:
Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation am besten eingesetzt werden, um die Ressourcen der Mitgliedstaaten zu bündeln? Wie sollten gemeinsame Programmplanungsinitiativen zwischen Gruppen von Mitgliedstaaten unterstützt werden?
Es erscheint zunächst sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene vergleichbare Grundsätze bei Anträgen auf Forschungsmittel einzuführen und ein einfaches, transparentes und kohärentes System der Forschungsfinanzierung zu etablieren. Es darf aber nicht darum gehen, Unterschiede zu nivellieren und lediglich die Akzeptanz für Forschung zu erhöhen. Unterschiedliche nationale ethische Traditionen und Wertungen müssen respektiert werden. Eine Zusammenführung der nationalen Forschungsförderungen und damit gemeinsame Forschungsschwerpunkte und –finanzierung sollten sich daher auf solche Bereiche beschränken, die EU-weit ethisch unproblematisch sind.
Frage 7:
Welche Maßstäbe sollten bei der Beurteilung des Erfolgs der EU-Finanzierung von Forschung und Innovation gelten? Welche Leistungsindikatoren könnten verwendet werden? Bei der Abwägung, ob Projekte erfolgreich gefördert wurden, darf nicht nur die konkrete Verwertbarkeit von Wissen im Vordergrund stehen. Wünschenswert wäre es, Ansätze zur sozialen Verantwortung der Forschungsförderung zu entwickeln, um sicherzustellen, dass der Fortschritt in Wissenschaft und Technik zur sozialen Gerechtigkeit und zur unparteiischen Behandlung z.B. durch gleichberechtigten Zugang zu wissenschaftlichem Fortschritt beiträgt. Auch der Nachweis partizipatorischer Strukturen sowohl in Forschungsplanung, -durchführung und –evaluierung sollten Indikatoren sein. Darunter kann z.B. die Einbeziehung der Öffentlichkeit oder die Begleitung durch Ethikkommissionen fallen.
Frage 9:
Inwieweit sollte sich eine stärkere Fokussierung auf gesellschaftliche Herausforderungen auf das Gleichgewicht zwischen Forschung aus Neugier und Planforschung auswirken? Nicht nur anwendungsnahe Forschung ist gute Forschung. Die EU-Förderung sollte stets Raum für eine Grundlagenforschung beibehalten, die nicht auf eine kurzfristige Anwendung ausgerichtet ist, sondern dem Erkenntnisgewinn dient. Als konkretes Beispiel sei die Nanotechnologie genannt. Sie ist bereits in die Anwendung vorgedrungen, obwohl zahlreiche grundlegende Erkenntnisse zu ihren gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen unbekannt sind. Ein Gleichgewicht kann durch Berücksichtigung unterschiedlicher Zeithorizonte erhalten werden. Die Bearbeitung von neu aufkommenden Fragen kann über eine kurz- bis mittelfristige Förderung erfolgen, die im Wettbewerbsverfahren vergeben wird. Diese Art von Förderung ist dann punktuell. Die Bearbeitung von komplexeren Fragestellungen bzw. großen gesellschaftlichen Herausforderungen benötigt eine kontinuierliche und systematische Abarbeitung der damit zusammenhängenden Fragestellungen über einen längeren Zeithorizont.
Frage 10: Sollte Bottom-up-Tätigkeiten mehr Raum gegeben werden?
Eine möglichst breite Förderung von Projekten aller Forschungsbereiche im Rahmen eines bottom-up-Ansatzes, bei dem die Antragsteller ihre Projekte selbst bestimmen, ist sicherlich wünschenswert. Wenn Regierungen aber immer mehr dazu neigen, ihre Zuschüsse nach dem Wettbewerbsprinzip zu verteilen, können Hochschulen nur noch Spitzenbereiche bezahlen, während Grundmittel für ein breiteres Forschungsangebot fehlen. Die Verwertbarkeit von Wissen darf aber nicht allein ausschlaggebend für die Förderung sein. Die EU sollte daher in erster Linie in die Grundlagenforschung investieren.
Frage 11:
Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation politische und zukunftsgerichtete Tätigkeiten optimal unterstützen?
Die Grundlagenforschung als Quelle zukünftiger Innovationen und damit die Hochschulen dürfen nicht zu Gunsten der anwendungsnahen Forschung als Quelle kurzfristiger Innovationen und damit der Industrie benachteiligt werden. Die EU-Förderung sollte den politisch propagierten Weg einer Energiewende angesichts des Klimawandels unterstützen, in dem sie bei der Forschungsförderung Projekte berücksichtigt, die innovative Beiträge zu einer Energieerzeugung aus regenerativen Energien und zu einer Steigerung der Energieeffizienz leisten können. Im Bereich der Landwirtschaft und der Ernährung sollte den Mehrheitsvoten der EU-Bevölkerung Rechnung getragen werden, die gentechnisch veränderte Pflanzen ablehnen. Der Weltagrarrat schlägt eine Agrarwende vor. Hierzu besteht ein hoher Forschungsbedarf, der nur durch industrieunabhängige Grundlagenforschung erbracht werden kann.
Frage 12:
Wie sollte die Rolle der gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission im Hinblick auf die Unterstützung der Politik und die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen verbessert werden?
Der Kommission könnte, wo nötig und von allen Beteiligten gewünscht, die Rolle als neutraler Moderator zwischen den relevanten Partnern (EU, Mitgliedstaaten, Industrie, KMUs, Forschungsorganisationen, Universitäten und andere Akteure) zukommen, der den europäischen Mehrwert gewährleistet.
Frage 13:
Wie könnten Tätigkeiten in den Bereichen Forschung und Innovation in der EU mehr Interesse wecken und für eine Beteiligung von Bürgern und Zivilgesellschaft attraktiver werden? Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit in die Konzeption, Umsetzung und Bewertung von Forschungsplänen eingebunden wird. Die Option, Organisationen der Zivilgesellschaft in ein System der Forschungsfinanzierung einzubeziehen, ist zu begrüßen. Der Raum der Wissenschaft und Forschung muss Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens werden. Sachliche Information und eine unvoreingenommene Debatte der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit hilft, Ängste abzubauen. Die Öffentlichkeit sollte aber nicht nur informiert werden, sondern auch selber mitentscheiden können, in welche Projekte die Mittel fließen. Wünschenswert ist daher eine Beteiligung der Öffentlichkeit sowohl bei der Konzeption von Forschungsplänen als auch bei der Bestimmung von Prioritäten für die Forschungsförderung. Es ist äußerst wichtig, das „Wie“ des Dialogs zu klären und entsprechende Strukturen zur Verfügung zu stellen, die eine Bevormundung durch Wissenschaft und Politik ausschließen. Ferner ist zu unterstreichen, dass die Forschungsförderung nicht an den Bedürfnissen der Industrie ausgerichtet sein darf. Die Förderung der Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen, die von der Mehrheit der EU-Bürger abgelehnt werden, erscheint daher fragwürdig. Die EU sollte vielmehr vermehrt ökosystemare Forschungen unterstützen, die an den Herausforderungen des Klimawandels ansetzen.
Frage 14:
Wie sollte die EU-Finanzierung der breiten Basis der Innovation, einschließlich nicht technologischer Innovation, Öko-Innovation und sozialer Innovation am besten Rechnung tragen? Forschungs- und Innovationspolitik sollte nicht nur auf die Natur- und Technikwissenschaften beschränkt bleiben, sondern den Beiträgen von Geistes- und Gesellschaftswissenschaften angemessen Rechnung tragen. Denkbar ist eine Verankerung im Rahmenprogramm in Form eines eigenständigen Unterprogramms. In allen Innovationsfeldern sollte eine Technikfolgenabschätzung verankert werden. Diese sollte ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beinhalten. Die ökologischen Aspekte sollten insbesondere auf Klimaverträglichkeit und Erhalt der Biodiversität hin angelegt sein. In den Innovationsfeldern, in denen die derzeit absehbaren negativen Folgen neuer Technologien und Forschungsfelder überwiegen, sind darüber hinaus Korrekturen und ggf. ethische Grenzziehungen angebracht. Wenn technische Neuerungen entwickelt werden, muss sich die davon betroffene Gesellschaft erst darauf einstellen und auch Gelegenheit haben, Entwicklungen mit zu beeinflussen. Das gilt besonders für die grüne Gentechnik, für die Nanotechnologie und die embryonale Stammzellforschung, deren Akzeptanz in manchen Mitgliedstaaten umstritten ist und deren Einführung und Implementation technikethische Fragestellungen und Technikfolgenabschätzungen erfordert, die nur im Zusammenspiel von Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften bearbeitet und in ihren Schlussfolgerungen plausibilisiert werden können.
Frage 15:
Wie sollte die Beteiligung der Industrie an den Forschungs- und Innovationsprogrammen der EU gestärkt werden? Wie sollten die gemeinsamen Technologieinitiativen (wie die im laufenden Rahmenprogramm) oder verschiedene Formen öffentlich-privater Partnerschaften unterstützt werden? Welche Rolle sollten die europäischen Technologieplattformen spielen?
Es erscheint problematisch, wenn die Industrie eine Schlüsselrolle bei der Festlegung von Prioritäten und im Rahmen öffentlich-rechtlicher Partnerschaften übernimmt und anschließend die Forschungsergebnisse auch noch patentiert. Es besteht die Gefahr, dass industrieunabhängige Forschung in den Hintergrund gedrängt wird. Deshalb muss u.a. sichergestellt sein, dass die Einbeziehung der Industrie nicht zu Lasten der Grundlagenforschung und damit der Hochschulen geht. Die Beteiligungsregeln von öffentlich-privaten Partnerschaften etwa sollten Hochschulen eine kostendeckende Teilnahme ermöglichen und faire Regeln zum Umgang mit geistigem Eigentum aufstellen. Diese Partnerschaften sollten auch verstärkt Kontrollen auf Qualität und Nachhaltigkeit unterfallen.
Frage 16:
Welche Arten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sollten auf EU-Ebene unterstützt werden, und in welcher Form sollte dies geschehen; wie sollten dadurch Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene ergänzt werden? Welche Arten von Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Beteiligung von KMU an EU-Programmen im Bereich Forschung und Innovation deutlich zu erleichtern? Wird die Industrieforschung weiter ausgebaut und der europäische Finanzierungsanteil reduziert, droht ein alleiniger Ausbau der Innovationskraft großer Unternehmen. Die Einbindung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die sich keine großen Forschungsetats leisten können, darf aber nicht vernachlässigt werden. Kleine und mittlere Unternehmen haben oft größere Probleme, da sie keine spezifischen Ressourcen im Unternehmen für die komplexe Antragstellung freistellen oder gezielt ausbilden können. Eine Vereinfachung und bessere Strukturierung der Fördermaßnahmen im Hinblick auf die KMU-Bedürfnisse ist daher nötig. Man könnte daher an ein individuelles Förderprogramm für diese Unternehmen denken mit vereinfachtem Antragsverfahren, etwa nach dem Vorbild des deutschen „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)“.
Frage 21:
Wie sollte die Rolle des Europäischen Forschungsrates im Hinblick auf die Unterstützung globaler Exzellenz gestärkt werden? Der Europäische Forschungsrat kann die Aufgaben der Verbundforschung nicht übernehmen, insbesondere weil er ohne thematische Vorgaben arbeitet und auf einzelne Forscherinnen und Forscher und nicht auf europäische oder internationale Verbünde angelegt ist. Deshalb sollte die Verbundforschung auf europäischer Ebene das Kernstück bleiben. Der Rat bedürfte jedenfalls eines signifikanten Mittelzuwachses sowie einer effizienten Governance-Struktur, um sich weiter profilieren zu können.
Frage 22:
Wie sollte die EU die Mitgliedstaaten beim Aufbau von Exzellenz unterstützen? Der Europäische Forschungsrat sollte weiterhin ausschließlich als Exzellenzprogramm für die Förderung individueller Grundlagenforschung verstanden werden, ungeachtet irgendwelcher politischen oder wirtschaftlichen Ziele.
Frage 23:
Wie sollte die Rolle der Marie-Curie-Maßnahmen im Hinblick auf die Förderung der Mobilität von Forschern und die Entwicklung attraktiver Laufbahnen gestärkt werden Dynamisch wachsende Forschungsbereiche leiden oft an einem Mangel an NachwuchswissenschaftlerInnen. Marie-Curie-Actions sollten daher mit mehr Mitteln ausgestattet werden, insbesondere hinsichtlich der Förderung von Institutionen bei der Ausbildung der NachwuchswissenschaftlerInnen (Initial Training Networks) und bei Einzelstipendien (individual fellowships). Dies zumal vor dem Hintergrund des absehbaren Mangels an IngenieurInnen und anderen AbsolventInnen der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Fächer, um eine Mobilität der WissenschaftlerInnen zu gewährleisten, wo der eigene Absolventenpool diese nicht hervorbringt.
Frage 25:
Wie sollten Forschungsinfrastrukturen (einschließlich EU-weitere-Infrastrukturen) auf EU-Ebene unterstützt werden? Die Forschungsinfrastrukturen dienen nicht nur der Durchführung von Experimenten und Messungen, sondern sind auch Plattformen des Austauschs zwischen Forscherinnen und Forschern und geben Impulse für die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik. Bestehende Forschungsinfrastrukturen (wie in Deutschland etwa Leibniz-Institute) sollten in ihrer europaweiten Vernetzung stärker gefördert werden. Auch sollten die Laufzeiten der Förderung verlängert werden, um ein effektives Management und ausreichende Planbarkeit und Vorbereitungszeiten zu gewährleisten.
Frage 27:
Zur Überwindung welcher Hauptprobleme und -hindernisse im Hinblick auf den EFR sollten die Finanzierungsinstrumente der EU eingesetzt werden, und wo sollten andere Maßnahmen greifen (z. B. legislativer Art)? Nahezu die Hälfte der öffentlich geförderten Forschungsarbeiten in Europa wird in den Forschungsorganisationen geleistet. Für diese wichtigen Forschungspartner fehlt eine systematische Unterstützung auf europäischer Ebene, damit sie sich untereinander abstimmen können. Denkbar ist, dass strategische Forschungsallianzen gegründet und finanziell gefördert werden. Die Mitgliedsstaaten, die EU, die Industrie, die Hochschulen und andere relevante Beteiligte wären bei der Forschungsplanung sowie der systematischen Bearbeitung der Forschungsaufgaben angemessen einzubinden. Gefördert werden sollten konkret Koordinierungsmaßnahmen und Verbundprojekte.