Rüstungsexportbericht 2010 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)

Statement von Prälat Dr. Karl Jüsten, Katholischer Vorsitzender

 

 

Bundespressekonferenz 13.12.2010, 12.30 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie in jedem Jahr stellt die GKKE in den Wochen vor Weihnachten ihren Rüstungsexportbericht der Bundespressekonferenz vor. Es ist der 14. Bericht, den die GKKE FG Rüstungsexporte unter Leitung von Dr. Bernhard Moltmann erstellt hat. Es wurden öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres zusammenstellt und diese bewertet im Zusammenhang der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.

Aber in diesem Jahr sieht es mit den „öffentlich verfügbaren Informationen“ sehr schlecht aus: wir haben keine zusammengefassten amtlichen Zahlen über Rüstungsexportgenehmigungen und Kriegswaffenausfuhren in 2009. Weder die Bundesregierung noch das Generalsekretariat des Europäischen Rates hat die Zahlen und Werte für 2009 zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung hatte zwar auch in den Vorjahren ihre Berichte zum Ende des nachfolgenden Jahres noch nicht veröffentlicht. Aber wir konnten uns behelfen: die Zahlen, die die Regierung an die EU abgegeben hat, standen früher zur Verfügung, da die EU sie mit den Daten anderer Mitgliedsstaaten in der Regel im November veröffentlichte. Damit haben wir heute, im Dezember 2010, einen vorläufigen Höhepunkt an fehlender Information, Transparenz und mangelnder Beteiligung erreicht, den sich die Bundesregierung in diesem sensiblen Politikfeld leistet. Wir finden das unannehmbar und skandalös! Bei der Bundestagsdebatte im März des Jahres hatten Abgeordnete der Regierungsfraktion Besserung gelobt und einen Regierungsbericht im dritten Quartal versprochen. Gegen Ende des vierten Quartals nach dem Berichtsjahr steht der angekündigte Bericht immer noch aus.

Es gab einige Parlamentarische Fragen und „Kleine Anfragen“ im vergangenen Jahr, aus den - wenn auch spärlich gehaltenen - Antworten der Bundesregierung gehen immerhin einige Hinweise hervor. Die Zahl der Ausfuhrgenehmigungen in 2009 (16.318 einschl. Sammelausfuhrgenehmigungen) hat sich leicht erhöht. Die Einzelausfuhrgenehmigungen stiegen an auf 16.201 von 15.458 (in 2008), die Sammelausfuhrgenehmigungen gingen zurück und erreichten einen Wert von knapp 2 Mrd. EURO. Über die entsprechenden Werte wissen wir leider nichts.

Die renommierte US-amerikanische Studie „Conventional Arms Transfers to Developing Nations, 2002-2009“ beziffert die deutschen Rüstungstransfers im Jahr 2009 auf 2,8 Mrd. US-Dollar; für 2008 lag der Wert bei 2,9 Mrd. US-Dollar. Zugleich registrierte sie Neuverträge deutscher Hersteller für 2009 in Höhe von 3,7 Mrd. US-Dollar; dieser Wert lag für 2008 bei 1 Mrd. US-Dollar. Demnach erwarten wir für das Berichtsjahr 2009 ein anhaltend hohes Niveau an Rüstungsexportgenehmigungen und für das nächste bzw. die nächsten Jahre eine weitere Steigerung aufgrund der hohen Zahl abgeschlossener Neuverträge. Ebenfalls aus einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage wissen wir, dass Hermes-Kredite im Jahr 2009 in Höhe von rund 1,92 Mrd. € gewährt wurden. Ein rasanter Anstieg gegenüber 21 Mio. € in 2008! Diese staatlichen Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers bezogen sich auf Liefergenehmigungen an Abu Dhabi, Bangladesch, Indien, Irak, Südkorea, Libyen, Pakistan und Saudi Arabien. Unter den Empfängern sind Länder wie Pakistan.Bei kritischen Beobachtern klingeln die Alarmglocken: Konfliktregion, Entwicklungsland und nicht gerade menschenrechtskonforme Politik. Dieser enorme Anstieg an staatlichen Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers erstaunt gerade auf dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise. Einmal mehr wiederholt die GKKE den Appell an die Bundesregierung, Rüstungsausfuhren nicht durch staatliche Ausfallbürgschaften abzusichern. Denn damit wird das Geschäftsrisiko von rüstungsexportierenden Firmen zu Lasten des Steuerzahlers reduziert: Dies kommt einer indirekten Subvention von Rüstungsausfuhren gleich!

Die von uns regelmäßig beklagten Transparenzdefizite hat die Bundesregierung nicht nur nicht ausgeräumt, sondern sie scheinen sich auszuwachsen, zumindest was die Zeitabstände zum Geschehen betrifft. Und noch immer erfahren wir nichts über tatsächliche Exporte von Rüstungsgütern. Weitere Probleme in der Praxis der amtlichen Regierungsberichterstattung  sind unter Punkt (5.04) des Berichtes zusammengestellt. Vordringlich scheint uns, Voraussetzungen für parlamentarische Kontrolle zu schaffen, denn die Missachtung des Parlaments diskreditiert die Funktion der Legislative, das Regierungshandeln zu kontrollieren.

Der Bundestag, sollte ähnlich wie dies in Großbritannien oder Schweden geschieht, stärker an rüstungsexportpolitischen Entscheidungen beteiligt werden und zwar so, dass das Parlament nicht nur nachträglich rüstungsexportpolitische Entscheidungen legitimiert, die die Exekutive bereits getroffen und umgesetzt hat. Eine Variante könnte darin bestehen, das Parlament mit Entscheidungen zu befassen, die sich auf den Transfer aus Beständen der Bundeswehr beziehen, in denen also bereits bewilligte Steuermittel eine andere als ursprünglich vorgesehene Verwendung finden.