Wehrpflicht
Stellungnahme zu den Auswirkungen möglicher Veränderungen auf den der Wehrpflicht rechtlich folgenden Zivildienst
Wehrpflicht
Grundsätzlich gilt aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland, dass die Frage der allgemeinen Wehrpflicht keine Bekenntnisfrage darstellt, sondern auf der Grundlage von allgemeinen ethischen Prinzipien im Rahmen der politischen Vernunft im Hinblick auf die jeweils gegebene geschichtliche und politische Situation unseres Landes zu erwägen und zu entscheiden ist.
Nach ausführlicher Abwägung der für und gegen die Beibehaltung der Wehrpflicht sprechenden Gründe hat sich der Rat der EKD zuletzt in seiner Friedensdenkschrift "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" im Jahr 2007 verbindlich geäußert. In dieser Schrift heißt es:
,,(155) Mit der allgemeinen Wehrpflicht werden die von ihr erfassten Bürger einer einzigartigen Zwangspflicht, äußerstenfalls zum Einsatz des eigenen Lebens im Kampf unterworfen. Die Wehrpflicht ist mit so tiefen Eingriffen in die Grundfreiheiten, vor allem in das elementare Recht auf Leben, verbunden, dass sie der demokratische Rechtsstaat seinen Bürgern nur zumutet, wenn sie ausschließlich auf die Aufgabe der Landesverteidigung bezogen und zu diesem Zweck sicherheitspolitisch erforderlich ist. Deshalb setzt die Bundeswehr richtigerweise bei den Auslandseinsätzen nur Berufs- und Zeitsoldaten sowie ,Freiwillig zusätzlichen Wehrdienst leistende' (FWDL) ein. Falls die allgemeine Wehrpflicht auch künftig beibehalten werden soll, sind zwei Gesichtspunkte zu beachten: 1. Gerechtigkeit bei der Heranziehung zum Wehrdienst, die auch so empfunden werden kann, 2. eine Gestaltung des Wehrdienstes, die den Wehrpflichtigen eine gute Ausbildung vermittelt, angemessene Ausrüstung bereit stellt und das Bewusstsein gibt, gebraucht zu werden. Beides besitzt entscheidende Bedeutung für eine weitere gesellschaftliche Akzeptanz der Wehrpflicht."
Demnach ist die Beibehaltung der personalintensiven Wehrpflichtigenarmee, die von einem möglichen Verteidigungsfall für Deutschland ausgeht und einer reinen Freiwilligen- und Berufsarmee, die ihren Schwerpunkt auf Auslandseinsätze legt, denkbar.
Eine weitere Möglichkeit ist die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, die jedoch auch gegebenenfalls ausgesetzt werden kann.
Inkonsequent wäre es, die Wehrpflicht nur zu dem Zweck aufrechtzuerhalten, um auch in Zukunft Wehrdienstverweiger zu haben, die im Zivildienst eingesetzt werden können.
Zivildienst
Jede Änderung im Wehrrecht hat unmittelbar Konsequenzen auf den Zivildienst. Mit der Aussetzung oder der Abschaffung der Wehrpflicht würde folglich auch der Zivildienst an sein Ende kommen. Dies hätte nicht nur erhebliche Konsequenzen für die vielen jungen Männer, die durch den Zivildienst oft wichtige persönliche und berufliche Impulse erfahren, sondern auch für viele Kirchengemeinden und weitere kirchliche sowie diakon ische Einrichtungen.
Eine Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht müsste so behutsam erfolgen, dass das soziale und gesamtgesellschaftliche Gefüge durch die Änderungen nicht vor erhebliche Probleme gestellt wird. Gleichzeitig sehen wir bei einem möglichen Wegfall des Zivildienstes aber auch Chancen bei einer Neugestaltung sozialdiakonischer Arbeit und im Bereich des freiwilligen Engagements.
Es sind Perspektiven zu entwickeln, die eine Weiterführung der wesentlichen, bisher vom Zivildienst unterstotzten Funktionen ermöglichen. Freiwilliges Engagement allein wird nicht in der Lage sein, den Zivildienst zu ersetzen. Konkret muss für Tätigkeiten im sozialen Sektor, die bisher durch Zivildienstleistende geleistet wurden, ein Ersatz durch einen angemessenen Ausbau des Sektors der Freiwilligendienste, durch ehrenamtliches Engagement sowie durch reguläre Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Die durch den Wegfall des Zivildienstes frei werdenden finanziellen Mittel müssen nicht zuletzt dem Zweck der Kompensation dienen. Die Evangelische Kirche in Deutschland favorisiert die Möglichkeit, im Rahmen einer Konversion das
Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) finanziell besser auszustatten und personell zu stärken. Dabei sind auch andere christliche Freiwilligendienste sowie freiwillig Engagierte zu berücksichtigen. Bezüglich der wie auch immer ausgestalteten Freiwilligendienste ist das bewährte Prinzip der Subsidiarität beizubehalten.Eine besondere Aufmerksamkeit ist dabei dem Bildungsjahr bei der Durchführung von Freiwilligenprogrammen für junge Menschen zu schenken. Es ist Sorge dafür zu tragen, dass in diesen Bereichen Möglichkeiten als soziale Lernorte für junge Menschen angeboten werden.
Zu berücksichtigen ist auch, dass durch den Zivildienst junge Menschen aus allen sozialen Schichten und schulischen Vorbildungen, von der Hauptschule bis zum Gymnasium, erreicht werden. Wie bereits erwähnt, ist der Zivildienst für eine Reihe von jungen Menschen zugleich auch Ort der Berufsorientierung geworden. Nicht wenige haben sich danach für einen sozialen Beruf entschieden. Auch dieser Aspekt fällt bei einer Abschaffung des Zivildienstes weg und sollte durch andere geeignete Instrumente kompensiert werden.
In dem Zusammenhang verweisen wir auf die Dokumentation einer gemeinsamen Tagung der EKD, des Diakonischen Werkes der EKD und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerer zum Thema "Die Konversion des Zivildienstes als Chance", die am 20. Oktober 2003 in Berlin stattfand.
Schließlich ist seit vielen Jahren im Kontext der Überlegungen hinsichtlich eines möglichen Wegfalls der Wehrpflicht immer wieder auch die Frage nach einer allgemeinen Dienstpflicht aufgekommen. In der Reihe IIEKD Texte" ist unter dem Titel ,.Freiheit und Dienst" eine Argumentationshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegeben worden, die sich für den Ausbau und die Stärkung der Freiwilligendienste ausspricht.