Beschluß der 9. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 3. Tagung.
zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates vom 5.11.1998 in Münster.
Beschluß der 9. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 3. Tagung.
zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates vom 5.11.1998 in Münster.
Seit das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates im November 1996 in seiner endgültigen Fassung beschlossen und im April 1997 zur Unterschrift ausgelegt wurde, geht es um die Prüfung, ob der Text von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und ratifiziert werden sollte. In dieser Diskussion zeigt sich eine hohe Sensibilität für die Aufgabe, bei der Entwicklung der biomedizinischen Forschung und der Anwendung ihrer Ergebnisse die Würde der menschlichen Person zu achten und zu wahren.
Um der Würde der Person willen sind rechtliche Grenzziehungen notwendig. In besonderem Maß gilt dies für das Klonen des Menschen, das in jedem Fall verboten werden muß. Zu diesem Thema liegt inzwischen ein Zusatzprotokoll vor, das im Anschluß an das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin zu unterzeichnen wäre.
Im Blick auf dieses Übereinkommen selbst gibt es in der evangelischen Kirche Stimmen, die eine Unterzeichnung vollständig ablehnen, andere halten sie für möglich. Es besteht jedoch in der Evangelischen Kirche in Deutschland breite Übereinstimmung darüber, daß bei folgenden Regelungen aus ethischer und rechtlicher Sicht erhebliche Defizite bestehen:
- fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen (Art. 17,2); sowie Entnahme von regenerierbarem Gewebe bei Einwilligungsunfähigen, (Art. 20,2),
- Forschung an Embryonen in vitro (Art. 18),
- prädiktive genetische Tests (Art. 12),
- Eingriffe in das menschliche Genom (Art. 13),
- Möglichkeit national abschwächender Vorbehalte (Art. 36),
- gerichtlicher Rechtsschutz für den Einzelnen.
Da das Übereinkommen bereits zur Unterschrift ausliegt, ist es bedauerlicherweise nicht möglich, weitere Verbesserungen am Text des Übereinkommens zu erreichen. Vielmehr geht es darum, diese Defizite in die weitere Arbeit - insbesondere in Form der Zusatzprotokolle - einzubringen und auf ihre Berücksichtigung zu drängen.
Die Zeichnung und Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland ist überhaupt nur tolerierbar, wenn
- der Deutsche Bundestag sich im Ratifizierungsgesetz verpflichtet, im Falle eines Beitritts bestehende höhere deutsche Schutzstandards - insbesondere beim Schutz des menschlichen Lebensrechts und der menschlichen Würde im Embryonenschutz - ausdrücklich zu bewahren;
- die Bundesregierung bei der Ausarbeitung weiterer Zusatzprotokolle (Protokolle zum Schutz menschlicher Embryonen und Föten, zur Organtransplantation, zur medizinischen Forschung und zur Humangenetik) im Lenkungsausschuß für Bioethik des Europarates auf die Festlegung von Schutzbestimmungen hinwirkt, die der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen;
- die Bundesregierung auf die Ausarbeitung weiterer Zusatzprotokolle (etwa zur Eigennutzung und Präzisierung der im Übereinkommen zugelassenen fremdnützigen Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Personen) hinwirkt;
- der gerichtliche Rechtsschutz und das Auskunftsrecht beachtet werden.
Die Synode bittet den Rat und seinen Bevollmächtigten, diese Gesichtspunkte gegenüber den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung deutlich zur Geltung zu bringen.
Seit 1997 hat die Arbeitsgruppe "Bioethik" der Europäischen Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft (EECCS) Beobachterstatus im Lenkungsausschuß. Hier sollte die Gelegenheit genutzt werden, über den Delegierten der EKD die Forderung der Synode nach einer erkennbaren Anhebung des Schutzniveaus kontinuierlich in die Beratungen zu den Zusatzprotokollen einzubringen.
Münster, den 5. November 1998
Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland
Schmude