Ein feste Burg ist unser Gott

Die „Hymne der Reformation“

Wartburg bei Eisenach, Gesamtansicht vom Tor

1. Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind mit Ernst
ers jetzt meint;
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.

2. Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren;
es streit' für uns der rechte Mann,
den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott,
das Feld muss er behalten.

3. Und wenn die Welt voll Teufel wär,
und wollt uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie saur er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht':
Ein Wörtlein kann ihn fällen.

4. Das Wort sie sollen lassen stahn
und kein' Dank dazu haben;
er ist bei uns wohl auf dem Plan
mit seinem Geist und Gaben.
Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
Laß fahren dahin,
sie habens kein' Gewinn,
das Reich muss uns doch bleiben.

Text: Martin Luther (vor 1529)
Melodie: Martin Luther/Johann Walter (vor 1529)

Wohl kein Lied ist heute so sehr mit der ursprünglichen Botschaft der Reformation und des Protestantismus verbunden wie „Ein feste Burg ist unser Gott“. Heinrich Heine bezeichnete des Lied 1834, in Anspielung auf die französische Revolution, als „Marseiller Hymne der Reformation“. Den Charakter einer Hymne hat das Lied für viele Evangelische noch immer. Das gemeinsame Singen im Reformationsgottesdienst ist vielerorts eine Tradition. Im Evangelischen Gesangbuch (EG) steht das Lied unter der Nummer 362. Als Wochenlied ist es allerdings dem Passionssonntag Invokavit zugeordnet und nicht dem Reformationstag.

Martin Luther schrieb das Lied vermutlich in den späten 1520er Jahren. Im Sommer 1527 hatte der Reformator mit Ohnmachtsanfällen zu kämpfen, Wittenberg war von der Pest betroffen, auch Luthers Sohn erkrankt. Seine Parteinahme für die Fürsten während der Bauernkriege hat ihn Unterstützung gekostet, der innerprotestantische Abendmahlsstreit zermürbt ihn. Luthers Text vereinigt Trost und Vergewisserung in einer Welt „voll Teufel“, wo der „alt böse Feind“ hinter jeder Ecke zu lauern scheint. Luther gestaltet ihn, inspiriert von Psalm 46 („Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben“). Die „Zuflucht“, wie es im hebräischen Original eigentlich heißt, verwandelt Luther in das prägnante Bild der Burg.

Die Melodie ist den Erkenntnissen von Fachleuten zufolge wohl ein Gemeinschaftswerk von Luther und dem Wittenberger Kantor Johann Walter. Ihre ursprüngliche rhythmische Lebendigkeit und Widerborstigkeit wurde später weitgehend geglättet. Im EG sind beide Melodiefassungen als Varianten abgedruckt.

Die erste nachweisbare Veröffentlichung des Liedes erfolgte 1529 in den Augsburger „Form und Ordnung geistlicher Gesang und Psalmen“. In den folgenden Jahren wurde das Lied auch an zahlreichen anderen Stellen abgedruckt, so im Klug’schen Gesangbuch von 1533.

Mit dem Beginn der Befreiungskriege wurde „Ein feste Burg ist unser Gott“ mehr und mehr auch zum national-deutschen Kampflied. Das Motto „Ein feste Burg“ wurde im Deutschen Reich nach 1871 an vielen Kirchengebäuden angebracht, so auch am Turm der Schlosskirche Wittenberg. Während des Ersten Weltkriegs erreichte die nationalistische Instrumentalisierung des Liedes ihren Höhepunkt. Diese Rezeptionsgeschichte schwingt bis heute mit, tat der Faszination des Liedes aber kaum einen Abbruch.

Jörg Echtler

©Foto:

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