Theologisch-Religionspädagogische Kompetenz - Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung
Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums, EKD-Texte 96, 2009
2. Ausgangspunkte
Die internationalen und nationalen Leistungsvergleichsstudien haben dazu geführt, dass eine grundlegende Reform des deutschen Bildungssystems in Angriff genommen wurde. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2003 erstellte Expertise „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ [4] war der erste Schritt zu einer Umsteuerung des Bildungswesens. Der Erarbeitung von Kompetenzen und Standards für die Schüler und Schülerinnen folgte im zweiten Schritt konsequenterweise die Erörterung und Formulierung von professionellen Standards und Kompetenzen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügen muss. Dabei standen diejenigen Kompetenzen im Mittelpunkt, die von Berufsanfängern und -anfängerinnen nach dem Ende ihrer zweiphasigen Ausbildung in Universität, Studienseminar und Schule zu erwarten sind. Die KMK beschloss daher am 16.12.2004 „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“. [5]
Diese Standards formulieren Kompetenzen, die „für die berufliche Ausbildung und den Berufsalltag von besonderer Bedeutung sind und an die Fort- und Weiterbildung anknüpfen kann.“ [6] Die erforderlichen Kompetenzen umfassen also beide Phasen der Lehrerbildung und orientieren sich an berufsfeldtypischen Anforderungen, die durch die Lehrerfunktionen 'Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren' gegeben sind. Die Standards selbst bestimmen den Ausprägungsgrad der Kompetenzen. Die Bundesländer haben sich verpflichtet, die Standards vom Ausbildungsjahr 2005/2006 als Grundlagen für die Lehramtsstudiengänge und den Vorbereitungsdienst zu implementieren und anzuwenden. Sie sollen Eingang finden in die Studienordnungen, in die Ausbildungsprogramme der 2. Phase sowie in die Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem haben die Länder vereinbart, die Lehrerbildung regelmäßig auf der Grundlage der vereinbarten Standards zu evaluieren und die Standards zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Die von der KMK verabschiedeten Standards beschränken die Anforderungen an Absolventen und Absolventinnen allerdings auf die berufs- und bildungswissenschaftlichen Elemente in der Erstausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, während die fachbezogenen und fachdidaktischen Studienelemente zunächst ausgeklammert blieben. Am 17.10.2008 beschloss die KMK „ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen an das Lehramtsstudium“ aller Fächer und gab damit erstmals „den Lehramtsstudiengängen eine gemeinsame, inhaltlich grundlegende und verbindliche Ausrichtung“. [7] Die Entwicklung fachbezogener und fachdidaktischer Standards ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Umsteuerung der Lehrerbildung, weil nur so gewährleistet werden kann, dass die Perspektive des späteren Berufsfeldes bereits in das Studium integriert wird.
Das Desiderat, fachliche und fachdidaktische Standards zu formulieren, hat die Gesellschaft für Fachdidaktik e. V. (GFD) 2004 mit einem „Kerncurriculum Fachdidaktik. Orientierungsrahmen für alle Fachdidaktiken“ aufgenommen und 2005 mit einem Modell „Fachdidaktische Kompetenzen, fachdidaktische Standards und ein fachdidaktisches Kerncurriculum für die 1. Phase der Lehrerbildung“ [8] weitergeführt. Sie formuliert darin zehn fachdidaktische Kompetenzen und ordnet ihnen je zwei fachdidaktische realistische und überprüfbare Standards zu. Diese Kompetenzen und Standards sollen in der 2. Phase, in der Berufseingangsphase sowie in der Fort- und Weiterbildung weiter untermauert und auf einer höheren Niveaustufe realisiert werden. „Daher gilt es in der Zukunft mit den nachfolgenden Phasen und Institutionen der Lehrerbildung ein gemeinsames Modell des stufenweisen Aufbaus von Kompetenzen und ihrer schrittweisen Erweiterung bzw. Verbesserung zu entwickeln.“ [9] Nicht geleistet wird von der GFD die Formulierung realistischer fachwissenschaftlicher Standards.
In der Religionspädagogik ist die Reformdiskussion um die Lehrerbildung an mehreren Stellen aufgenommen worden [10]. Dabei stehen die domänenspezifischen Kompetenzen im Mittelpunkt, über die eine Lehrerin bzw. ein Lehrer für das Fach Evangelische Religionslehre verfügen muss. Die bisher vorgelegten Kompetenzmodelle beziehen sich entweder nur auf das Studium oder auf die Lehrerfortbildung. Sie unterscheiden sich im Detail voneinander, lassen aber Gemeinsamkeiten im Blick auf grundlegende Kompetenzbereiche erkennen. Diese richten sich
- auf die Person der Religionslehrerin bzw. des Religionslehrers, ihre Reflexionsfähigkeit, Rollenwahrnehmung und Entwicklungsfähigkeit,
- auf die Aufgabe, Lehr- und Lernprozesse im Evangelischen Religionsunterricht fachlich sachgemäß und didaktisch differenziert zu planen, zu organisieren und zu reflektieren,
- auf die Funktion, die Lernstände der Schülerinnen und Schüler zu diagnostizieren, sie bei ihren Lernprozessen zu beraten und zu fördern und die angeeigneten Kompetenzen religiöser Bildung zu beurteilen und
- auf den Beitrag des Evangelischen Religionsunterrichts zur Schulentwicklung.