„Einmal Gottesdienst im Vorgarten, bitte!“
Pfarrerin Anneke Peereboom liefert Gottesdienste frei Haus
Klingelbach (epd). In der Corona-Krise boomen die Gottesdienst-Angebote im Internet. Ersetzen können sie die Zusammenkünfte in Kirchen aber nicht vollständig, findet Pfarrerin Anneke Peereboom. Ihre Alternative: Sie zieht auf Bestellung mit Gitarre und Bibel vor die Häuser von Gemeindemitgliedern und feiert mit ihnen unter Einhaltung des nötigen Sicherheitsabstandes eine zehnminütige Kurzandacht. Damit erreicht sie nicht nur ihre Schäfchen, sondern auch so manchen Zaun- und Balkongast.
Bei ihrem Grübeln über Alternativen zu den verbotenen Gottesdiensten in der großen Klingelbacher Kirche mit ihren 500 Sitzplätzen habe sie sich an den Auftrag von Jesus erinnert, „Geht hin!“, sagt die Pfarrerin, die für die evangelische Kirchengemeinde in Klingelbach zuständig ist. Der kleine Ort liegt in Rheinland-Pfalz, knapp 50 Minuten mit dem Auto von Koblenz entfernt. Gerade die jetzige Krise biete die Chance, zu zeigen, dass die Kirche keine reine „Kommt her“-Institution sei, sondern Menschen im Alltag begleitet, sagt Peereboom.
Die Idee zu den Andachten sei ihr nach Begegnungen mit zwei Gemeindemitgliedern gekommen, erzählt die 41-jährige Theologin. Sie habe eine ältere Dame mit der Audio-Aufzeichnung eines Gottesdienstes überraschen wollen, habe sich aber einen Korb geholt. Die Dame habe zwar einen CD-Player, wisse aber nicht, wie man ihn bediene. Später habe ihr dann eine 35-jährige Frau aus der Gemeinde freudestrahlend über ein mobiles Gottesdienstprojekt in der Nordkirche vorgeschwärmt und zur Nachahmung empfohlen.
Mehr Verkündigung, weniger Sitzungen
Die Feuerprobe gab's bei einem Ehepaar um die 60. Das hatte sich von ihrer Pfarrerin eine Predigt in gedruckter Form zum Lesen gewünscht. Aber die Theologin brachte nicht nur ein Stück Papier, sondern gleich sich selbst mit. Vom Bürgersteig aus gab es dazu zwei Lieder mit Gitarre, gute Gedanken, ein Gebet und ein Segenswort. Und nach zehn Minuten ließ Peereboom dem Paar noch eine Rolle Toilettenpapier auf der Türschwelle zurück. „Du zeigst mir den Weg zum Leben. In dir ist Freude in Fülle!“, hatte sie darauf geschrieben.
Eigentlich habe sie mit ihren „Lieferando“-Gottesdiensten Menschen erreichen wollen, die nicht im Internet unterwegs sind, sagt Peereboom. Tatsächlich werde sie aber nicht nur von Älteren über das Telefon kontaktiert, sondern auch von Personen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind. „Die Nachfrage nach den Andachten über Telefon, E-Mail, Facebook und Instagram ist geradezu explodiert“. Auch immer mehr Menschen bäten um Seelsorgegespräche, auch solche, die der Kirche fern stehen.
Sie freue sehr über das neu erwachte Interesse an der Kirche, sagt die Mutter von vier Kindern im Alter von einem bis zehn Jahren. Aber auch darüber, dass sie wegen wegfallender Sitzungen ihrem eigentlichen Auftrag, der Verkündigung des Evangeliums, stärker nachkommen könne als vor der Krise. Schon jetzt erhält sie zahlreiche Anfragen für die Karwoche. Sie werde für Gründonnerstag auf jeden Fall einen Abendmahlsgottesdienst vorbereiten, sagt Peereboom. „Der hat in Klingelbach eine große Tradition.“
Dieter Schneberger (epd)