Reformation und Islam

Ein Impulspapier der Konferenz für Islamfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Juni 2016

Vorwort

Was in Wittenberg im Jahr 1517 seinen Anfang nahm, hat nicht nur die Geschichte der Kirchen und des Christentums weit über die Grenzen unseres Landes hinaus geprägt und verändert. Die Reformation ist vielmehr auch Teil der europäischen und der Weltgeschichte geworden. Wenn wir im Jahr 2017 ein halbes Jahrtausend Reformation feiern, dann werden viele zentrale Entwicklungen und Ereignisse dieser bedeutsamen Epoche des 16. Jahrhunderts zur Sprache kommen. Die zehn Jahre der Vorbereitung auf dieses Jubiläum haben mit ihren Themenjahren schon einen Vorgeschmack darauf gegeben, welches Spektrum an Einsichten und Fragen und welche Inhalte hier zu bedenken und zu diskutieren sind, und zwar sowohl national als auch international, sowohl innerkonfessionell als auch ökumenisch und interreligiös.

Da ist es gut, dass mit dem vorliegenden Beitrag der Konferenz für Islamfragen der EKD der Fokus auf einen Bereich gelegt wird, der in der bisherigen Forschung sicherlich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden hat. Während der Antijudaismus bei Martin Luther und anderen Reformatoren im Zuge der theologischen Neuorientierung des Verhältnisses der evangelischen Kirche zum Judentum vergleichsweise eingehend untersucht wurde, ist die Zahl kirchlicher und wissenschaftlicher Publikationen zum Themenkomplex »Reformation und Islam« insgesamt überschaubar.

Der Kreis der Dialog- und Islambeauftragten der EKD-Gliedkirchen sowie ihrer Werke und Einrichtungen nahm daher das Reformationsjubiläum zum Anlass, besser verstehen zu wollen, wie in den Anfängen reformatorischer Theologie und Predigt die Religion der Musliminnen und Muslime gesehen und beurteilt wurde und welche Schlüsse daraus für die Gegenwart zu ziehen sind. Angesichts der neuen Aufgaben und Herausforderungen im interreligiösen Dialog und in zunehmend religiös pluralen Gesellschaften kann an der Aktualität und Relevanz des Themas kein Zweifel bestehen. Die Reformationszeit prägt ja bis in die Gegenwart hinein theologisches Denken und Wahrnehmen. Die Autorinnen und Autoren haben sich in einem längeren Sammel- und Lernprozess der mitunter sperrigen und gewiss nicht immer leicht verständlichen Sprache des 16. Jahrhunderts angenommen und dabei Fundstücke zusammengetragen, die in heutigem Licht auch kritisch zu bewerten und aufzuarbeiten sind.

Am Ergebnis dieses Entdeckungsprozesses können mit der vorliegenden Veröffentlichung nun weitere Interessierte aus Kirche und Gesellschaft teilhaben. Es würde mich darüber hinaus freuen, wenn der Impuls dieses Textes auch in den Reihen der akademischen Theologie Aufnahme und Resonanz findet und in den kommenden Jahren vielleicht noch ergänzende Ergebnisse der Forschung zutage fördert. Wünschenswert ist es schließlich, dass der Beitrag zum Anlass genommen wird, das historische und theologische Erbe der Reformation auch mit Musliminnen und Muslimen ins Gespräch zu bringen und von deren Perspektiven und Einsichten zu lernen.

Hannover, Mai 2016

Bischöfin Petra Bosse-Huber

Leiterin der Hauptabteilung Ökumene und Auslandsarbeit Kirchenamt der EKD

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