„Ein Tag der Hoffnung“
Protestanten und Katholiken feiern Versöhnungsgottesdienst „Healing of Memories“
Jahrhunderte lang haben Anfeindungen und Schuldzuweisungen das Verhältnis von Protestanten und Katholiken zueinander geprägt. In einem Gottesdienst am 11. März in der Michaeliskirche Hildesheim haben die beiden Konfessionen an diese Geschichte erinnert und um Vergebung gebeten.
500 Jahre nach dem legendären Thesenanschlag von Martin Luther haben Protestanten und Katholiken sich von jahrhundertelangen Anfeindungen distanziert und ihre Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Was in dem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März in Hildesheim geschah, drückte Bundespräsident Joachim Gauck am emotionalsten aus – und wich dabei von seinem Manuskript ab: Zu den vielen politischen Wundern, die er erlebt habe, sei nun ein „geistliches Wunder hinzugekommen“, sagte der Theologe nach dem Gottesdienst.
„Die Christen in unserem Land bekommt man nicht mehr auseinander“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in der Predigt. Das Kreuz und Christus brächten die Christen zusammen, ergänzte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Die höchsten Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland erhielten für ihre Dialogpredigt in der Hildesheimer Michaeliskirche Applaus. „Wir wollen in Zukunft nicht mehr getrennt glauben, wir wollen gemeinsam glauben“, sagte Bedford-Strohm.
Besinnung auf gemeinsamen Glauben
Erstmals in der Geschichte nutzen Katholiken und Protestanten ein Reformationsjubiläum nicht zur Abgrenzung. Der Gottesdienst „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“, der in der ARD übertragen wurde, ist Teil dieses Prozesses und der Einigung auf den Begriff Christusfest. Unter dem Stichwort „Healing of Memories“ erinnern die christlichen Konfessionen daran, was sie einander im Lauf der Jahrhunderte angetan haben, bitten sich gegenseitig um Vergebung und besinnen sich auf den gemeinsamen Glauben an Christus.
Von Scham, Trauer und der „Last der Entzweiung“ war im Gottesdienst die Rede. Doch dies sei „ein Tag der Freude“, sagte Kardinal Marx. Die Bischöfe, der eine im schwarzen Talar, der andere in Kardinalsrot mit lilafabener Stola, umarmten sich herzlich.
„Es gibt Wege, die Trennungen zu überwinden“
Das Reformationsgedenken solle die Kirchen zusammenführen, sagte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm. Das täten die Christen „nicht anklagend oder niedergedrückt, sondern in einer Haltung der Hoffnung und des neuen Aufbruchs“, antwortete der Münchner Erzbischof Marx. Die Christen wollten im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes „weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen gehen“, bekräftigten sie in einer Selbstverpflichtung.
Sichtbar wurde das vor der Predigt: Jugendliche richteten ein dreidimensionales Kreuz auf, das zuvor wie eine Panzersperre im Altarraum gelegen hatte. „Es gibt Wege, die Trennungen zu überwinden“, sagte Bedford-Strohm. Doch auch die noch bestehende Trennung wurde deutlich darin, dass es im Gottesdienst kein Abendmahl gab. „Noch immer haben wir keinen Weg gefunden, im eucharistischen Abendmahl unsere Gemeinschaft mit Christus untereinander zu feiern“, sagte Marx.
Grüße des Papstes
Aus dem gemeinsamen Glauben sollen Taten folgen. „Wir wollen ausstrahlen, wovon wir sprechen“, betonte Bedford-Strohm. Deshalb setzten sich Katholiken und Protestanten zusammen dafür ein, dass Flüchtlinge menschenwürdig behandelt würden, Menschen Wege aus der Armut fänden und mit der Natur sorgsam umgegangen werde.
Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, überbrachte die Grüße von Papst Franziskus und sagte: „Die Hände, die sich evangelische und katholische Christen in den vergangenen Jahrzehnten gereicht haben, lassen sich nicht mehr los.“ Für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) erinnerte Bischof Karl-Heinz Wiesemann, an das, „was manche der kleineren Kirchen und Gemeinschaften bin hin zur Verfolgung erlitten haben“.
Gottesdienst in Simultankirche
Unter den rund 400 Gottesdienstteilnehmern in der Simultankirche St. Michaelis in Hildesheim waren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU). Die Kirche wird von Protestanten und Katholiken seit Jahrhunderten zusammen genutzt.
Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
Wiebke Rannenberg (epd)