„... damit ihr nicht traurig seid“ - Christlicher Umgang mit Sterben und Tod

Eine Handreichung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2018

Sterbenskranke und ihre Angehörigen begleiten

Das Handeln der Kirche im Umfeld von Sterben und Tod

„Ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Matthäus 25,36)

Alle Menschen müssen Krankheit und Tod an sich selbst und an denen, die sie lieben, ertragen - unabhängig von persönlichem Verschulden. Wir haben in diesem Leben keinen Anspruch auf Unversehrtheit. Aber wir haben die Hoffnung auf Gemeinschaft, auf Zuwendung und auf Erlösung. Denn Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Herr und Erlöser, hat als Mensch Leiden und Tod erfahren und durch seine Auferstehung überwunden.

Dem Gebot Christi folgend (vgl. Matthäus 25,43) wenden wir uns den Leidenden und den Kranken zu: pflegend (Diakonie), besuchend und tröstend (Seelsorge), betend, Klage hörend, vergebend und segnend (Liturgie). Wie ein barmherziger Samariter (Lukas 10,25ff) sollen wir die Kranken versorgen, besuchen und für sie beten.

Geistliche spenden den Kranken, Sterbenden und ihren Angehörigen Sakramente bzw. Mysterien und Segenshandlungen (Taufe, Eucharistie / Abendmahl, Beichte, Krankensalbung und -segnung). Sie geben seelischen Beistand und können darüber hinaus in Fragen beraten, die sich bei schwerer Krankheit und am Lebensende stellen. Dabei sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet; alles, was ihnen im Seelsorgegespräch anvertraut wird, steht unter der Schweigepflicht.
 

Orthodox:

Der Christ, der zum Arzt geht, sieht in diesem einen einfachen Mittler, denn er ruft durch ihn den Namen Gottes an und erbittet durch ihn von Gott die Heilung. Der heilige Barsanuphios schreibt: „Diejenigen, die zum Arzt gehen, sollen dies tun, indem sie auf Gott vertrauen und sprechen: ‚Im Namen des Herrn vertrauen wir den Ärzten und glauben, dass Er uns durch sie die Heilung senden wird. In gleicher Weise bittet der Christ Gott, wenn er die verschriebenen Medikamente einnimmt, dass dieser sie wirken lasse. Und wenn er geheilt ist, dankt er wieder Gott“. Basilius der Große nennt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Hiskias (2. Könige 20,7), der „nicht das Pflaster oder die Feigen als alleinigen Grund für seine Gesundheit ansah und ihnen seine Heilung nicht zuschrieb, sondern Gott dafür dankte, auch die Feigen erschaffen zu haben“. Wenn der Mensch es versäumt, sich an Gott zuwenden, verurteilt er sich selbst zum geistigen Tode, wie dies uns der Fall des Königs Asa (2. Chronik 16,12-13) zeigt: „Im neununddreißigsten Jahr seiner Herrschaft erkrankte Asa an den Füßen. Seine Krankheit war überaus schwer. Aber auch in der Krankheit suchte er nicht den Herrn auf, sondern befragte die Ärzte. Asa entschlief zu seinen Vätern und starb im einundvierzigsten Jahr seiner Regierung.“
Jean-Claude Larchet, Théologie de la maladie, 3e éd., Paris: Cerf 2001, S. 118.

Den Betroffenen kann empfohlen werden, miteinander über die Situation und über die Gefühle und Fragen, die sie bewegen, zu sprechen. Gegebenenfalls können sie eine Geistliche oder einen Geistlichen rufen. Beten ist auch heilsam für die Seele. Im Gebet kann man seiner Klage und seinem Dank, seinen Ängsten und seiner Hoffnung Ausdruck geben. Das Gebet verbindet uns mit Gott und mit allen Christen. Das Gebet Christi, das Vaterunser, steht dabei für alle Christen an herausragender Stelle. Beide Kirchen besitzen einen großen Schatz an Gebetstexten, aus denen hier Beispiele folgen:


Evangelisch:

Hilf mir in meiner Verzweiflung, Herr, mein Gott. Ich hänge zwischen Leben und Tod. Meine Krankheit macht mir Schmerzen. Meine Hilflosigkeit quält mich, auch die Ohnmacht derer, die mir helfen wollen. Ich muss damit rechnen, dass mein Leben zuende geht. Ich rufe dich um Hilfe an. Ich möchte am Leben bleiben. Wenn ich aber sterben muss, hilf mir in dieser Stunde. Lass mich deiner Gnade gewiss werden. Gib mir die Zuversicht des ewigen Lebens.
Evangelisches Gesangbuch 827

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir.
Wenn ich den Tod soll leiden,

so tritt du dann herfür.
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.
Evangelisches Gesangbuch 85,9

Lass endlich deine Wunden
Mich trösten kräftiglich
In meiner letzten Stunden
Und des versichern mich:
Weil ich auf dein Verdienst nur trau,
du werdest mich annehmen,
dass ich dich ewig schau.
Evangelisches Gesangbuch 82,8

Herr Jesus Christus, du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich.
Du kennst die Not der Menschen, du bleibst bei mir, wenn mir kein Mensch beisteht, du vergisst mich nicht, du suchst mich.
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW 8, 205-206


Orthodox:

Herr Jesus Christus, mein Gott, nimm mein demütiges Gebet an und vergib mir, da ich nun im Krankenbett liege, meine wissentlichen und unwissentlichen Sünden, der Du „nicht den Tod des Sünders willst, sondern dass er umkehre und lebe“; erbarme Dich meiner und heile meine Krankheit, lindere mein Leiden und meine Schwäche, beende mein Frieren und senke mein Fieber. Strecke Deinen gewaltigen Arm aus und erhebe mich vom Lager der Krankheit wie einst die Tochter des Jairus und mach mich wieder gesund. Suche mich heim in Barmherzigkeit und Mitleid, dass ich erlöst werde von der Krankheit, die mich quält und dir in Dankbarkeit dienen kann. Bevor ich zur Erde zurückkehre, mach mich würdig, zu Dir zurückzukehren. Blicke auf mich in Wohlwollen und Gnade. Vergib mir meine Vergehen in Deiner Barmherzigkeit, die Tiefe Deines Erbarmens bedecke meine Sünden.

Schenke Herr, denen, die mich pflegen, Geduld und Verständnis. Vergelte Ihnen mit Deinen reichen Gaben ihre Liebe und die Mühen, die sie mir zu meinem Wohl erweisen.

Als Fürsprecher bringe ich Deine Allreine Mutter und alle Heiligen, die Dir von Ewigkeit an wohlgefallen haben, vor Dich. Auf ihre Fürbitten erbarme Dich meiner, schenke mir, Herr Gesundheit und Vergebung meiner Sünden damit ich Dich an allen Tagen meines Lebens preise. Amen.
Orthodoxes Gebet am Krankenbett

Herr Jesus Christus, unser Gott, nimm mein demütiges Gebet an und vergib mir meine Sünden und lösche in Deinem Erbarmen das Feuer, das mich befallen hat, beende meine Krankheit und richte mich vom Lager des Leidens auf - zum Lobpreis Deines Namens. Denn Du bist der Arzt unserer Seelen und Leiber, Christus unser Gott, und Dir senden wir Lobpreis empor, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immerdar, und in die Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
Orthodoxes monastisches Gebet

Nächstes Kapitel