Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens
Gewaltsame Konflikte und zivile Intervention an Beispielen aus Afrika - Herausforderungen auch für kirchliches Handeln. EKD-Text 72, 2002
3. Zivile Interventionen zur Reduzierung von Gewalt
3.1 Austrocknung der Gewaltmärkte
Wie oben gezeigt wurde, sind die Kriege und Gewaltkonflikte der Gegenwart in einen internationalen Kontext eingebettet, und dieser Kontext kann für Verlauf und Dauer der Kriege und Konflikte von erheblicher Bedeutung sein, ohne dass die Konflikte selbst ursächlich aus den internationalen Gegebenheiten abzuleiten wären. Offensichtlich bekämpfen UNITA und MPLA einander in Angola aus eigenem Interesse und nicht (mehr) als Sachwalter externer Interessen, wie die Fortsetzung bzw. das Wiederaufleben der Kämpfe nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und nach dem politischen Wandel in Südafrika zeigt. Andererseits wäre der Krieg wohl längst beendet, wenn es keine Möglichkeit gegeben hätte und weiterhin gäbe, ihn über den Weltmarkt zu finanzieren, mit Waffen zu alimentieren und zur eigenen Bereicherung zu nutzen.
Gleichzeitig entwickeln sich zunehmend langandauernde chronische Krisen mit multi-dimensionalen Konfliktlagen und wechselnden Allianzen wie im Falle Sudans, wo keines der gängigen Schemata mehr passt. Der Norden kämpft gegen den Süden, Gruppen im Norden kämpfen ebenso gegeneinander wie Gruppen im Süden, Christen gegen Christen und Muslime gegen Muslime.
Eigeninteressen von Gruppen, Nachbarländern und auch der Industrieländer beeinflussen das Kriegsgeschehen in erheblichem Maße, innerstaatliche Konflikte werden zunehmend internationalisiert wie z. B. im Kongokonflikt.
Die entscheidende Frage ist also, wie der Institutionalisierung des Krieges entgegengewirkt werden kann. Hier bietet sich eine „angebotsorientierte Friedenspolitik“ an, die die gegenwärtig bestehenden Möglichkeiten der wirtschaftlichen Ausbeutung und Finanzierung von Kriegen sowie die Versorgung mit Waffen austrocknet.
Ein wichtiger Teilbereich von externen Interventionen zur Reduzierung von Gewalt in gesellschaftlichen Konflikten ist der Versuch, den Handel mit jenen Produkten zu kontrollieren, die aus Kriegszonen stammen und zur Finanzierung von Kriegen genutzt werden. Das Problem wird inzwischen von einer breiteren internationalen Öffentlichkeit gesehen, was z. B. dazu geführt hat, dass der internationale Diamantenhandel Bereitschaft zeigt, sich gewissen Selbstbeschränkungen zu unterwerfen. Global Witness, eine NRO mit Sitz in England, bezweifelt aber die Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens. Die Diamantenindustrie zeige bisher nur geringe Neigung, sich ernsthaft mit dem Problem auseinander zusetzen. Trotz anderer Verlautbarungen betreibe sie „business as usual“, wie es in einer Erklärung von Global Witness vom Dezember 2000 heißt. Ihre Kritik untermauert die Organisation mit UN-Berichten, die beweisen, dass der illegale Handel mit Diamanten im Austausch für Waffen in Angola und Sierra Leone weitergeht.
Es liegt auf der Hand, dass die bloße Selbstkontrolle der einschlägigen Unternehmen nicht ausreicht. Hier sind staatliche Maßnahmen erforderlich, die auf Transparenz und eine effektive Kontrolle des „Bluthandels“ zielen. Eine einzige Firma, De Beers und ihre zentrale Handelsorganisation, kontrollieren rund 80 % des Welthandels mit Diamanten. Über diese Firma ist folglich ein erheblicher Teil jener 3,7 Mrd. US Dollar realisiert worden, die die UNITA zwischen 1992 und 1998 aus dem Diamantengeschäft erhalten hat. Es ist schwer nachvollziehbar, weshalb hier keine effektive Kontrolle über das bestehende UN-Embargo für inoffizielle Diamantenexporte aus Angola hinaus möglich sein soll. Hier dürfte ein Mangel an politischem Willen, auch hinsichtlich einer Durchsetzung des Embargos durch die EU gegenüber Mitgliedsstaaten, ausschlaggebender sein als die Schwierigkeit, illegale von legalen Diamanten zu unterscheiden. Internationaler Währungsfonds, Weltbank, OECD und WTO befassen sich zur Zeit mit den Möglichkeiten, Transparenz und unternehmerische Verantwortlichkeit als generellen Standard für Wirtschaftstransaktionen zu etablieren. Solche Bemühungen gilt es auch als Teil der zivilen Konfliktbearbeitung nachdrücklich zu unterstützen. Immerhin erscheint es nicht abwegig, dass die Fortsetzung des Krieges in Angola ohne den internationalen Diamantenhandel nicht möglich wäre.
Ähnlich ist die Situation im Sudan. Ausgerechnet in einer Region, um deren geographische Zugehörigkeit zwischen der Regierung und den Rebellenorganisationen am Verhandlungstisch gestritten und mit militärischen Mitteln gekämpft wird, fördert die sudanesische Regierung mit Hilfe kanadischer, schwedischer, malaysischer und chinesischer Firmen Erdöl. Diese Tatsache allein verschärft den Konflikt. Darüber hinaus gibt es sichere Hinweise, dass mit den Öleinnahmen die Terrorattacken gegen die Bevölkerung im Süden finanziert werden. u. a. wurde neues Militärgerät wie Kampfhubschrauber angeschafft, mit denen Dörfer überfallen werden. Im Umland der Ölfördergebiete werden Menschen getötet oder vertrieben. Die Einnahmen aus den Ölgeschäften werden nicht im Staatshaushalt des Sudan ausgewiesen. Das lässt Vermutungen nicht nur in Bezug auf Korruption und persönliche Bereicherung zu, sondern auch in Bezug auf die Finanzierung des Krieges und, wie die USA annehmen, auch auf die finanzielle Unterstützung islamistischer Terrorgruppen. Ein – zumindest vorläufiger – Rückzug der Ölindustrie von der Förderung könnte einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Kriegsintensität zu reduzieren. Die Aussicht auf die Wiederaufnahme der Förderung, insbesondere wenn von ihr alle Seiten profitieren, wäre ein starkes Druckmittel auf die Kriegsparteien, die laufenden Friedensverhandlungen zügig und erfolgreich abzuschließen. Die Kirchen in Kanada sowie eine vor allem von kirchlichen Entwicklungsorganisationen in Europa getragene Kampagne gegen die Ölförderung haben in den letzten Monaten internationalen Druck ausgeübt vor allem auf Ölfirmen in Kanada und Schweden. Zwar haben sich bisher die beteiligten Firmen und ihre Geldgeber geweigert, die Ölförderung im Sudan als kriegsverschärfend zu sehen und verweisen darauf, dass ihr wirtschaftliches Engagement auch für die soziale Entwicklung der lokalen Bevölkerung von Vorteil sei. Doch haben sich die kanadische und die schwedische Ölfirma – aus Sicherheitsgründen – aus der aktiven Ölförderung auf unbestimmte Zeit zurückgezogen. Die asiatischen Firmen sind jedoch weiterhin im Sudan aktiv.
Zu einer wirksamen Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen gibt es bisher erste Ansätze, die auf der Kleinwaffenkonferenz der Vereinten Nationen im Sommer 2001 erörtert wurden. Von diesem Unterfangen hat sich die gegenwärtige US- Administration jedoch zurückgezogen. Dabei wären Beschränkungen für den Waffenhandel nicht nur ein wirksames Instrument, um die gewaltsame Austragung von Konflikten zu reduzieren. Sie wären auch nötig für die Kohärenz und die Glaubwürdigkeit der Politik der Industriestaaten. Diese Kohärenz wird auch in den Grundinformationen zum Schwerpunkthema der EKD Synode 2001 „Globale Wirtschaft verantwortlich gestalten“ angesprochen: „Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite die Einhaltung der Menschenrechte gefordert wird, und auf der anderen Seite, wenn auch auf verdeckten Wegen, Waffen an Angola geliefert werden.“ [21] Auch wenn sich ein völliges Verbot von Rüstungsproduktion (mit Ausnahme staatlicher Bestellungen) zur Zeit kaum durchsetzen lässt, so gibt es doch konkrete Möglichkeiten, den Handel von Kleinwaffen zu reduzieren. Diese werden auch schon vereinzelt genutzt. So sind unmittelbar nach Beendigung von bewaffneten Konflikten die bewaffneten Parteien häufig bereit, ihre Waffen abzuliefern und vernichten zu lassen wie z. B. in Mosambik. Dort, aber auch in anderen Ländern unterstützen verschiedene Einrichtungen, darunter auch kirchliche Organisationen, solche Aktionen, indem sie im Gegenzug für die Ablieferung von Waffen die ehemaligen Soldaten mit Saatgut, Handwerksgeräten oder Baumaterial versorgen. Dadurch wird den Soldaten ermöglicht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und wieder in der Zivilgesellschaft Fuß zu fassen. Solche Möglichkeiten einer „Mikro-Abrüstung“ werden bisher zu wenig genutzt. Inwieweit die NATO-Aktion zum Einsammeln von Waffen in Mazedonien hier eine Wende bedeutet, bleibt abzuwarten.
Ein weiterer Bereich der Reduzierung von Kleinwaffen ist die Minenräumung. Die Zahl der in den derzeitigen und ehemaligen Kriegsregionen verlegten Landminen wird gegenwärtig auf circa 100 Millionen geschätzt. Trotz der Vereinbarung über das Verbot einiger Typen von Landminen wird damit gerechnet, dass die Zahl der Minen nach wie vor steigen wird. Minenräumung ist ein sehr schwieriges und langwieriges Geschäft und oft fehlt es nicht nur an der finanziellen Ausstattung, sondern auch an den Akteuren, die Minenräumungen durchführen können. In einigen Gebieten ist es jedoch gelungen, Minenräumungen bereits während eines noch schwelenden Konfliktes zu erreichen und damit die Wirkung eines der grausamsten Instrumente der Kriegsführung zu reduzieren. Eine hohe Besteuerung der Minenproduktion, analog der Besteuerung von zivilen Gütern, bei denen die Produzenten auch die Verantwortung für eine sachgerechte Entsorgung übernehmen müssen, wäre eine sinnvolle Maßnahme, wenigstens einen Teil der immensen Kosten für Minenräumung durch diejenigen aufbringen zu lassen, die an der Produktion von Minen verdienen.
Auch aus kirchlichen Mitteln werden Projekte zur Minenräumung gefördert. Nicht erst im Frieden, sondern bereits im Krieg, kann die Bevölkerung und ihr Vieh vor Minen geschützt werden. Im Rahmen eines entsprechenden Projekts im Südsudan ist es einer Nichtregierungsorganisation (OSIL) gelungen, sowohl der Regierung als auch der SPLA die Zusicherung abzuhandeln, in Zukunft auf das Legen von Anti-Personen-Minen zu verzichten. Darüber hinaus erreichte OSIL von der Führung der SPLM die Garantie, dass die für das Räumen von Minen ausgebildeten Fachkräfte nicht mehr zum Kriegsdienst eingezogen werden. Auch wenn vielleicht trotz dieser Zusicherung weiterhin Minen gelegt werden, so können doch durch die Minenräumung von OSIL in einigen Gebieten Straßen, Äcker und Weiden wieder ohne Gefahr benutzt werden.
3.2. Unterstützung konstruktiver Konfliktbearbeitung durch die Bevölkerung
Ein wichtiger Ansatz auch für externe Intervention, insbesondere für Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, sind die Einrichtungen und Gruppen in der Bevölkerung, die nicht aktiv in das gewaltsame Konfliktgeschehen einbezogen sind. Diese Erkenntnis nutzen vor allem kirchliche humanitäre Hilfsorganisationen und Entwicklungseinrichtungen, wenn sie „Local capacities for peace“ fördern. „Lokale Möglichkeiten für Frieden“ haben sich bislang in jeder Kriegssituation nachweisen lassen, sie können in unterschiedlichen Formen vorhanden sein. Folgende Kategorien wurden im Rahmen des o. g. mehrjährigen vergleichenden Studienprozesses identifiziert:
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Systeme und Institutionen: in fast allen Kriegsgebieten funktionieren z. B. Märkte und formelle oder informelle Austauschsysteme weiter. Infrastruktur- Einrichtungen wie Elektrizitätssysteme, Wasserversorgungssysteme oder Transportverbindungen werden oft auch während der Kriegsphase erhalten.
Informelle Kommunikationssysteme funktionieren oft über Konfliktlinien hinweg, z. B. jene von Händlern oder als moderne Variante mittels der E-Mail.
- Einstellungen und Handlungen: in vielen Kriegssituationen erhalten oder bilden sich Einstellungen gegen Krieg und Gewaltanwendung; Gruppen weigern sich aus unterschiedlichen Überzeugungen, Gewalt anzuwenden. So z. B. ermahnte zu Beginn des Völkermords in Ruanda der oberste Imam die Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft, dass sie keine Gewalt gegen Glaubensgenossen und Angehörige der anderen „Religionen des Buches“ anwenden dürfen. Im Gegensatz zu den schrecklichen Nachrichten über die Beteiligung von Kirchenleuten an den Morden sind keine Gewalttaten ruandischer Muslime bekannt geworden, aber es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte, dass Muslime ihren Nachbarn Schutz gewährten.
In etlichen Gebieten Somalias organisierten sich Frauen, die vergewaltigt worden waren, und nahmen mit Frauen des gegnerischen Clans, die das gleiche Schicksal hatten erleiden müssen, Kontakt auf. Dies diente mehrfach als Kommunikationsbrücke zwischen den Teilen der Clans, die sich nicht länger von den War Lords instrumentalisieren lassen wollten.
- Gruppen, Personen und Organisationen können gleichfalls lokale Ansatzpunkte für Friedensbemühungen sein. So können z. B. Frauen, Gewerbetreibende oder Unternehmer ebenso ein ausgemachtes Interesse an der Beendigung von Gewalt haben wie lokale NRO oder Selbsthilfevereinigungen.
- Gemeinsame bzw. verbindende Werte und Interessen können als Gegenkraft gegen die spaltenden Interessen von Kriegsakteuren wirken. In etlichen Kriegsgebieten, in denen Gewalthandlungen nicht religiös legitimiert wurden, wurden gemeinsame religiöse oder kulturelle Feiertage eingehalten und – gelegentlich sogar gemeinsam – gefeiert. Das allgemeine Interesse, Kinder vor den Folgen des Krieges zu schützen, hat das UN-Kinderhilfswerk verschiedentlich genutzt, um „ruhige Zonen“, „Friedenstage“ und „Codes of Conduct“ mit den Kriegsakteuren auszuhandeln.
- Gemeinsame Erfahrungen, etwa die gemeinsame Kriegserfahrung und Kriegsmüdigkeit, können verbindende Faktoren und Ansatzpunkte für konstruktives Konfliktmanagement sein. Gemeinsame historische Erfahrungen wie die frühere Unterdrückung durch einen gemeinsamen Feind, die Erinnerung an frühere Zeiten des konstruktiven Miteinanders usw. fallen in die gleiche Kategorie. Die Erfahrungen einzelner Opfergruppen (Frauen, Kriegsversehrte) können ebenfalls als Ansatzpunkte dienen.
Im Jahre 1992 begann ein Geschäftsmann in Mogadischu, junge Männer aus den Milizen abzuwerben, sie zu Elektrikern und Mechanikern auszubilden und mit ihnen seit 1993 die Straßenbeleuchtung wieder in Stand zu setzen. Seine Beweggründe waren weniger altruistisch, als vielmehr die Erkenntnis, dass beleuchtete Straßen die Sicherheit zur Hauptgeschäftszeit erhöhen und damit die Geschäftslage verbessern würden. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat diese Initiative gemeinsam mit Caritas International Deutschland seit 1992 bis zur Ermordung des Geschäftsmannes 1994 unterstützt, weil sie darin ein wesentliches zivilgesellschaftliches Potential zur Stärkung der Sicherheit erkannte.
3.3 Wiederaufbau von Staat und Gesellschaft
Die oft jahrzehntelangen negativen Erfahrungen der Bevölkerung mit dem Staat müssen überwunden werden. Dabei sind Strukturen und Mechanismen wichtig, die während des Zusammenbruchs des Staates auf lokaler und intermediärer Ebene das Zusammenleben von Menschen und Gemeinschaften ermöglichten. Vergleichende Studien in Kriegsgebieten haben gezeigt, dass Menschen nach dem Zusammenbruch staatlicher Strukturen und Funktionen keineswegs in einem politischen und administrativen Vakuum leben. Vielmehr greifen Gemeinschaften auf andere Strukturen und Mechanismen zurück, um notwendige gemeinschaftliche Angelegenheiten untereinander zu regeln. Dies sind meist traditionelle Strukturen und Mechanismen. Teilweise übernehmen andere Akteure, etwa lokale NRO und Verbände, quasi politische und administrative Funktionen [23]. Das darf jedoch nur vorübergehend der Fall sein.
Nach einer mehr oder weniger völligen Zerstörung des Staates muss gleichzeitig mit dem Neuaufbau staatlicher Strukturen der Aufbau der Gesellschaft zu einer politischen Gemeinschaft erfolgen. Wenn „nationale Identität“ ein Band der Loyalität ist, das die Bürgerinnen und Bürger eines Staates zu einer Gemeinschaft zusammenbindet, dann ist ein gewisses Maß an Nationalismus oder „nationaler Identität“ notwendig, um ein belastbares Staatswesen aufzubauen und den Weg zu einer Demokratisierung zu ebnen. So verstanden ist „nationale Identität“ ein Indikator dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung eines Staates keinen Zweifel oder irgendwelche Vorbehalte dagegen hat, zu der politischen Gemeinschaft dieses Staates zu gehören. Innerhalb dieser nationalen Identität wird es immer Differenzierungen von unterschiedlichen Gruppen geben, etwa nach religiösen oder ethnischen Gesichtspunkten oder bedingt durch soziale Unterschiede. Solche Differenzierungen müssen aber nicht zu einer grundsätzlichen Infragestellung der politischen Gemeinschaft als solcher führen.
Ein allgemein geteiltes Verständnis unter den Mitgliedern einer Gesellschaft über den Zweck und die Natur des Staates festigt sich in Wechselwirkung mit dem Wiederaufbau eines Regierungssystems und einer staatlichen Verwaltung. Der Wiederaufbau staatlicher Strukturen und Funktionen kann nur dann tragfähig sein, wenn er auf der Grundlage allgemein anerkannter Werte und Normen erfolgt, die die Beziehungen der Bürgerinnen und Bürger untereinander und zwischen diesen und dem Staat regeln. Jedes Verfahren, das für den Aufbau von Einrichtungen gewählt werden wird, wird langfristig nur dann tragfähig sein, wenn es auf dem Grundkonsens einer „politischen Gemeinschaft“ basiert. Diese politische Gemeinschaft ist nicht als Alternative zu staatlichen oder zu staatenübergreifenden (regionalen) Gemeinschaften zu sehen, sondern als deren Fundament.