Dass Menschen Gottes Geschöpfe sind, bedeutet gleichzeitig, dass sie nicht allein Herr über ihr Leben sind. Sie haben die Freiheit, aus ihrem Leben etwas zu machen. Wann ihr Leben aber beginnt und wann es endet, darüber sollen sie nicht bestimmen und können es auch nicht bis ins letzte Detail. Zudem ist die Freiheit der Menschen eine geschenkte Freiheit: Sie wurde ihnen von Gott zusammen mit der Verantwortung, das Leben und die Schöpfung zu achten und zu bewahren, geschenkt. Aus dieser Überzeugung heraus nehmen die Kirchen in Deutschland in besonderem Maße an den Debatten über Präimplantationsdiagnostik sowie an der Debatte um Sterbehilfe teil. Sie lehnen es ab, Embryonen in großer Zahl zu züchten, zu manipulieren und dann nicht gewollte, überzählige Embryonen zu töten. Sie lehnen es auch ab, den Zustand zu legalisieren, dass Organisationen oder Ärzte Menschen helfen können, sich das Leben zu nehmen.
In der Debatte über Präimplantationsdiagnostik geht es um die Möglichkeiten, die mit einer künstlichen Befruchtung verbunden sind. Die künstliche Befruchtung wurde unter anderem entwickelt, um Paaren einen Kinderwunsch zu erfüllen, wenn diese nicht auf natürlichem Weg schwanger werden können. Bei einer künstlichen Befruchtung werden Samen und Eizellen in einer Glasschale im Labor zusammengebracht, deswegen nennt man die künstliche Befruchtung auch „In-vitro-Fertilisation“.
Bei der künstlichen Befruchtung entstehen im günstigen Fall Embryonen, die dann in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt werden. Das Gesetz erlaubt nur die Verpflanzung von maximal drei Embryonen in die Gebärmutter, um Mehrlingsgeburten zu verhindern. Wenn mehr als drei Embryonen entstehen, wird das Paar gefragt, ob die überschüssigen Eizellen vernichtet oder eingefroren werden sollen. Dies geschieht allerdings, wenn die Embryonen ihren Status als Embryo noch nicht erreicht haben, im sogenannten Vorkernstadium.
Die neuere Forschung, insbesondere die Genforschung, geht noch einen Schritt weiter: Mit ihren Methoden haben Menschen die Möglichkeit zu untersuchen, wie gesund die jeweiligen Embryonen sind. Sie können die gesündesten aussuchen und die kranken Embryonen gezielt aussortieren und töten. Derzeit verbietet das Embryonenschutzgesetz in Deutschland, einen Embryonenvorrat anzulegen, um zwischen möglichst vielen Embryonen aussuchen zu können.
Die Wahlmöglichkeit besteht aber theoretisch auch schon bei der erlaubten Zahl von drei Embryonen, nämlich dann, wenn sich mehr als ein Embryo bildet. Auch dann können die Embryonen auf ihre Gesundheit hin untersucht und gegebenenfalls aussortiert werden. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass nur gesunde Embryonen eingepflanzt werden oder nur „der gesündeste“ Embryo. Die anderen würden dann in ihrem Stadium als Embryo getötet werden.
Nach dem Verständnis der Evangelischen Kirche in Deutschland ist ein Embryo bereits ein Mensch und besitzt damit bereits Menschenwürde. Deswegen dürfen nach Ansicht der Kirche Embryonen weder getötet noch aussortiert werden. Die Entscheidung, Embryonen gezielt auszusortieren, kommt zudem einer Entscheidung über lebenswertes und lebensunwertes Leben gleich. Dabei ist jedes Leben von Gott gewollt und muss geschützt werden. Kranke oder behinderte Menschen als „unwert“ zu bezeichnen oder anzusehen, lehnt die Kirche entschieden ab.
Bei der Diskussion um die Sterbehilfe wird grundsätzlich unterschieden zwischen aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid. Eine wichtige Rolle spielt auch, ob es sich um organisierte Sterbehilfe handelt oder nicht.
Bei aktiver Sterbehilfe gibt der Arzt oder die Ärztin dem Patienten oder der Patientin auf Wunsch zum Beispiel eine Spritze oder verabreicht ihm eine Flüssigkeit mit dem Ziel, den Tod des Patienten herbeizuführen. Bei assistiertem Suizid besorgt der Arzt oder die Ärztin dem Patienten oder der Patientin auf dessen Wunsch hin ein tödliches Medikament und präpariert es so, dass der Patient oder die Patientin es selbst einnehmen kann: wenn er körperlich beeinträchtigt ist, zum Beispiel mit einem Strohhalm. Bei assistiertem Suizid muss der Patient oder die Patientin das Medikament aber immer selbst nehmen, also nach dem Medikament greifen oder sich zu dem Medikament hinbewegen. Beim letzten Schritt hilft der Arzt oder die Ärztin nicht. Organisierte Sterbehilfe liegt dann vor, wenn eine Institution Sterbehilfe als Dienstleistung anbietet. Das können Sterbehilfeorganisationen sein, wie es sie zum Beispiel in der Schweiz mit „Exit“ und „Dignitas“ gibt.
Die Evangelische Kirche in Deutschland lehnt organisierte Sterbehilfe und eine Legalisierung der Beihilfe zum Suizid ab. Bei organisierter Sterbehilfe warnt die Kirche davor, dass Sterbehilfeorganisationen, weil sie Dienstleistungen verkaufen, unter einem Profitzwang stehen und versuchen könnten, aus dem Sterben Kapital zu schlagen. Gegen die Legalisierung von assistiertem Suizid wendet sich die Kirche hauptsächlich aus zwei Gründen: Zum einen warnt sie davor, das Berufsethos der Ärzte anzugreifen. Wenn Ärzte in Zukunft nicht mehr nur dafür stehen, Leben zu retten, sondern auch dafür, Menschen zu töten, würde dies das Vertrauen der Menschen in Ärzte nachhaltig stören. Zum anderen warnt die Kirche davor, dass sich die Werte der Gesellschaft in Bezug auf Tod und Krankheit durch die Legalisierung des assistierten Suizids verschieben könnten. Unter würdigem Sterben würde in schwierigen Fällen dann allein der Suizid verstanden. Gleichzeitig würde ein Leben in Krankheit oder Behinderung als unwürdig gelten. Menschen hätten dann womöglich in den Augen vieler kein Recht mehr, krank oder pflegebedürftig zu sein.