Perspektiven für diakonisch- gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile

Tätigkeiten – Kompetenzmodell – Studium, Hrg. EKD-Texte 118, 2014

2.2 Berufliches Handeln in diakonisch-gemeindepädagogischen Arbeitsfeldern – Grundformen und Kerntätigkeiten

2.2.1  Komplexität als Grundgegebenheit

Das diakonische und gemeindepädagogische berufliche Handeln ist von einem hohen Grad fachlicher und struktureller Differenzierung bestimmt. Das hängt zunächst und unmittelbar mit der Entstehung dieser Arbeitsfelder und Berufe zusammen.[14] Die neueren Konzepte für diakonische, missionarische und pädagogische Berufe sind seit dem 19. Jahrhundert als Reaktion auf konkrete gesellschaftliche Wandlungen und Herausforderungen entstanden.[15] Anlässe waren Entwicklungen im Zusammenhang mit der Industrialisierung und Urbanisierung, die auch besondere soziale Notlagen und Bildungsaufgaben sowie neue Herausforderungen der inneren Mission in Bezug auf das entstehende Proletariat mit sich brachten. Das aufkommende Vereinswesen wiederum bot den Rahmen für evangelische Akteure, Organisationsformen zu entwickeln für eigenständige missionarische und / oder diakonische Initiativen, Vereine, Werke oder andere zivilgesellschaftlich agierende, selbstorganisierte Initiativen. Dies gilt sowohl für den Bereich der Diakonie als auch für den der Kirchengemeinde, die sich im Kontext der Gemeindereformbewegung am Vereinswesen orientierte, um über die Gemeindehelfer und Gemeindepflegerinnen und -pfleger etc. Bildung, Geselligkeit und Hilfe zu organisieren.[16]

Seit dem 20. Jahrhundert werden Gemeindehelfer, Gemeindepflegerinnen und -pfleger bzw. Gemeindediakone nach verbindlichen Regeln ausgebildet, unter anderem um unter den Bedingungen des jeweiligen staatlichen Rechts auch Religionsunterricht zu erteilen.[17] Erste vorsichtige Ansätze zur Standardisierung der Berufsbilder und Ausbildungen sowohl in Kirche und Diakonie als auch im Staat gab es schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein weiterer großer Schub der Professionalisierung ergab sich dann seit den 1970er Jahren im Zusammenhang der damaligen Bildungsreformen in Westdeutschland.

Grundsätzlich ist festzustellen: Die Vielfalt dieser Berufe beruht wesentlich auf dem jeweiligen Situationsbezug ihrer Entstehung. Denn Anlass und Hintergrund für ihr Aufkommen waren konkrete, gesellschaftlich bedingte soziale oder religiöse Problemstellungen. Darauf reagierten evangelisch-christlich motivierte Akteure in Kirche, innerer Mission und diakonischen Handlungsfeldern. Zur Bewältigung dieser Problemstellungen wurden von ihnen Konzepte entwickelt und Rahmenbedingungen zur Anstellung sowie zur Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen. Die Konzepte für das berufliche Handeln sind, den Veranlassungen gemäß, in inhaltlicher wie zeitlicher Hinsicht zielund zeitbezogen, das heißt flexibel und durch permanente Veränderungen bzw. Weiterentwicklungen geprägt. Das führt unweigerlich zu einer starken Dynamik und Differenzierung.

Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit in den Berufsfeldern ist also zunächst ein Hinweis auf die Leistungs-, und das heißt hier auch Anpassungsfähigkeit der Akteure – sowohl der Träger als auch der Mitarbeitenden – in diesen Berufsfeldern. Darin liegt für die Kirchen ein hohes Potential, vor allem angesichts der aktuellen Diskussion um eine erweiterte Bezogenheit des Gemeindebegriffs auf kirchliche Arbeitsfelder jenseits der Parochie.[18] Vielfalt und Unterschiedlichkeit kennzeichnen darum gerade die Stärke, auf unterschiedliche Anforderungen in Kirche, Diakonie, Bildungssektor und Gesellschaft reagieren zu können und darin eine vor allem der Diversität der Lebenslagen von Menschen angemessene Praxis zu entwickeln.

Zugleich aber stellen Vielfalt und Unterschiedlichkeit sich als Problem dar, weil die Steuerung sowie Profilund Qualitätsentwicklung aufgrund der differenzierten Rahmenbedingungen erschwert werden und die beruflichen Profile kaum in einem Gesamtzusammenhang darstellbar sind. Vielfalt und Unterschiedlichkeit finden sich in den Berufsbezeichnungen und Berufskonzeptionen, den institutionellen, organisatorischen und berufsstrukturellen Rahmenbedingungen sowie in den beruflichen Referenz-, Auftrags- und Unterstützungssystemen.

Exemplarisch wird die Komplexität deutlich an den Handlungsebenen und Referenzsystemen:

Handlungsebenen
Berufliche diakonische und gemeindepädagogische Mitarbeitende in Kirche und Diakonie arbeiten zunehmend nicht allein einrichtungsbezogen oder nur in einer Kirchengemeinde oder einer anderen einzelnen Organisationsstruktur, sondern auf mehreren Handlungsebenen, beispielsweise auf

  • der örtlichen Ebene in Ortsgruppen, Kirchengemeinden und Regionalgemeinden, bei Verbänden, Werken und Einrichtungen;
  • der mittleren funktionalen Ebene als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Fachberater, Fortbildner und Leitungsverantwortliche in Bildungseinrichtungen, Geschäftsoder Arbeitsstellen von Dekanaten, Kirchenkreisen, Landkreisen oder Bezirken sowie in überörtlichen themenbzw. aufgabenspezifischen Arbeitsstellen und Bildungseinrichtungen;
  • auf übergeordneter Ebene wie Landeskirchen, Bundesland oder Bund in Geschäftsstellen von Werken und Verbänden sowie in Bildungsstätten und Fort- und Weiterbildungseinrichtungen.

Diese Ebenen sind nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen. Aktuell werden vor allem aufgrund rückläufiger (personeller) Ressourcen Aufgaben an Mitarbeitende übertragen, die unterschiedlichen Ebenen zugeordnet werden können.

Referenzsysteme
Oft haben die kirchlichen und diakonischen Praxisfelder hybride, das heißt differenzierte oder gegensätzliche, Referenzsysteme:

  • Als subsidiär, im gesellschaftlichen Auftrag wahrgenommene Tätigkeitsfelder sind sie Teil der gesellschaftlich verankerten, staatlich gesteuerten und öffentlich geförderten sozialen Arbeit und Bildung.
  • Als kirchliche und diakonische Tätigkeitsfelder sind sie der kirchlichen Institution oder christlichen Organisation mit einem glaubensbezogenen Wertesystem und christlich motivierten Zielstellungen, kirchlichen Gesetzen und Ordnungen sowie eigenen Steuerungs-, Regelund Unterstützungssystemen verpflichtet.
  • Alle refinanzierten Tätigkeiten im Bereich von Bilden und Unterstützen, zum Beispiel in der Jugendarbeit, unterliegen zudem den Bedingungen des Wettbewerbs mit anderen Anbietern.

Mitarbeitende in hybriden Organisationen benötigen zur konstruktiven Gestaltung dieser Spannungen im Ineinander von Politik, Recht, Kirche, Markt, drittem Sektor, Wissenschaft und anderen entsprechende interprofessionelle Handlungskompetenzen und zur Vermittlung und Überschreitung der Referenzsystemgrenzen eine ausgeprägte Dialogfähigkeit.[19]

Auch innerhalb von Diakonie und Kirche herrschen durchaus unterschiedliche Referenzsysteme und Organisationsformen. Neben institutionellen finden sich solche Organisationsformen, die eher den Charakter von Bewegung oder Überzeugungs- bzw. Gesinnungsgemeinschaft („Gruppe“) haben. Die jeweiligen Handlungslogiken sind oft traditionell gewachsen und entfalten eine je eigene Dynamik. Beruflich Tätige sind deshalb damit konfrontiert, verschiedenen Referenzsystemen zugleich zugeordnet zu sein und mögliche Widersprüche in konstruktive Handlungsstrategien umzusetzen.

Dazu bedarf es auch entsprechender beruflicher Unterstützungssysteme, die die Mitarbeitenden zur Bewältigung der komplexen Aufgaben und aktiven Mitgestaltung der Bedingungsgefüge befähigen und sie fortlaufend begleiten. Anstellungsverhältnisse müssen so gestaltet sein, dass fachbezogene Kollegialität, interne und externe Fortbildung und Praxisberatung, Supervision bzw. Coaching sowie systematische Personalentwicklung gesichert sind. Nicht zuletzt stellt das hybride, komplexe berufliche Bedingungsgefüge auch an die Anstellungsträger bzw. Führungskräfte erhöhte fachliche, organisatorische und berufspolitische Anforderungen.

Personalentwicklung ist ein Bestandteil der Organisationsentwicklung und steht im Spannungsfeld zwischen den Fähigkeiten, Potentialen, Erwartungen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden einerseits und den Aufgaben, Zielen und Anforderungen von Kirche und Diakonie andererseits. Personalentwicklung soll dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden die an sie gestellten Aufgaben und Anforderungen gut erfüllen können. Personalentwicklung kann ein Instrument sein, um sowohl die Vielfalt und Komplexität der Aufgaben als auch die Vielfalt der Berufsund Anforderungsprofile von diakonisch-gemeindepädagogischen Mitarbeitenden konstruktiv zu gestalten. Personalentwicklung ist insofern ein auf die Organisationsziele ausgerichteter Prozess. Konzepte von Personalentwicklung können mit der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, mit der Erstellung von Arbeitsplatzbeschreibungen und Stellenausschreibungen sowie gegebenenfalls bei der Auswahl von Bewerbern und Bewerberinnen aus den unterschiedlichen Ausbildungsstätten beginnen. Sie können fortgesetzt werden durch eine nachhaltige berufliche Laufbahnbegleitung.

2.2.2 Theoretische Perspektiven

Um Kategorien zu entwickeln, die profilbildende Merkmale diakonischer und gemeindepädagogischer Berufe erfassen, ist zunächst nach der theologisch-kirchlichen Programmatik von Grundmustern beruflicher Tätigkeit zu fragen. Dann sind professionstheoretische Diskurse in den fachlichen Kontexten der entsprechenden Berufe einzubeziehen. Drittens ist auf die Praxis zu sehen mit der Frage, für welche beruflichen Tätigkeiten Mitarbeitende angestellt werden.

Theologisch-kirchliche Zugänge
Ein Leitbegriff für kirchliches Handeln in den unterschiedlichen Lebensäußerungen des christlichen Glaubens ist seit den 1970er Jahren die von Ernst Lange geprägte Formel „Kommunikation des Evangeliums“.[20] Ernst Lange hatte in seiner Formulierung den Inhalt des Begriffs Evangelium als bekannt vorausgesetzt. Sein Neuansatz bestand darin, die Begriffe „Verkündigung“ oder „Predigt“ des Evangeliums durch „Kommunikation“ zu ersetzen, „weil der Begriff das prinzipiell Dialogische des genannten Vorgangs akzentuiert und außerdem alle Funktionen der Gemeinde, in denen es um die Interpretation des biblischen Zeugnisses geht – von der Predigt bis zur Seelsorge und zum Konfirmandenunterricht – als Phasen und Aspekte ein und desselben Prozesses sichtbar macht“.[21]

Durch die Betonung des dialogischen Prozesses neben den Konstanten im Verhältnis zwischen Gott und Mensch erhalten die Variablen der jeweiligen sozialen, geschichtlichen, persönlichen Situation des Menschen vor Gott und in der Welt ihre Bedeutung. Für die diakonischen und gemeindepädagogischen Berufe ist dieser Ansatz Ernst Langes zu einem starken Impuls geworden.

Der Leitbegriff von der „Kommunikation des Evangeliums“ wurde seither vielfach aufgenommen und weiter differenziert.[22] Anders als bisher oft übliche Aufteilungen des kirchlichen Handelns nach Handlungsfeldern (zum Beispiel Gottesdienst, Schule, Eingliederungshilfe) oder Zielgruppen (zum Beispiel Kinderund Jugendarbeit) ist dieser auf eine Kernaktivität fokussierende Begriff besonders gut anschlussfähig an die aktuellen Diskurse um eine kompetenzorientierte Bildung.

Die Kommunikation des Evangeliums lässt sich für die Tätigkeit der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofile ausdifferenzieren in die Modi ‚Bilden – Unterstützen – Verkündigen‘. Wolfgang Huber bezeichnete den Auftrag der öffentlichen Kommunikation des Evangeliums als „Außenseite“ des kirchlichen Handelns, „die von unmittelbarer gesellschaftlicher Relevanz sei. Diese Außenseite zeige sich vor allem in drei Kennzeichen kirchlichen Handelns [. . .]: der Bildungsverantwortung der Kirche, ihrem Eintreten für Gerechtigkeit und ihrer Verpflichtung auf Barmherzigkeit.“[23]

Mit den Modi der Kommunikation des Evangeliums ‚Bilden – Unterstützen – Verkündigen‘ nimmt die vorliegende Veröffentlichung die von Huber beschriebenen Vollzüge kirchlichen Handelns auf. Das berufliche Handeln der diakonisch-gemeindepädagogisch Mitarbeitenden ist als je unterschiedener Modus der Kommunikation des Evangeliums an den Schnittstellen von Kirche und Gesellschaft zu verstehen:

  • im Modus des bildenden Handelns mit dem Schwerpunkt religiöser Bildung,
  • im Modus des unterstützenden, das heißt helfenden, fördernden, begleitenden, pflegenden und heilenden Handelns,
  • im Modus der Wortverkündigung des Evangeliums, wie sie in der zielgruppenorientierten Verkündigung, zum Beispiel bei Jugendgottesdiensten, in der Predigt, in der persönlichen Ansprache und in unterschiedlichen Formen gottesdienstlichen Feierns zu erleben sind.

Ulrich Fischer nimmt den theologischen Zugang zur diakonisch-gemeindepädagogischen Praxis ausgehend vom Taufbefehl Jesu Christi auf und betont dabei die „Verzahnung von Bildung und Diakonie“: „Der Mensch in seiner Lebenslage wird in den Mittelpunkt gestellt. Gelehrt und gelernt werden soll Lebenswissen, unterstützt werden soll würdiges Leben. Bildung und Diakonie wollen den Menschen auf seinem Weg stärken, sich eigenständig und verantwortlich zu entwickeln. Das bedeutet: Der im Taufbefehl Jesu gründende Bildungsauftrag ist immer zugleich ein diakonischer Auftrag. Das ‚Lehren‘ beinhaltet immer zugleich ein ‚Unterstützen‘, das Menschen befähigt, ihr Leben verantwortlich und eigenständig zu gestalten.“[24]

Kommunikation des Evangeliums ist darum nicht zu reduzieren auf die Weitergabe von tradiertem Glaubenswissen, sondern zielt auf die Teilhabe aller an diesem Geschehen Beteiligten; hier zeigen sich die Subjektorientierung und die soziale Dimension evangelisch akzentuierter Bildung.[25]

Die genannten Grundformen sind nicht trennscharf voneinander abzugrenzen, sondern wechselseitig verschränkt und aufeinander bezogen. Eine diakonische und gemeindepädagogische Berufskonzeption hat demnach beides einzubeziehen: die Spezialisierungen zwischen den Bereichen und innerhalb der Modi Bilden, Unterstützen und Verkündigen, außerdem muss sie die Querschnittdimensionen dieser Grundformen der ‚Kommunikation des Evangeliums‘ berücksichtigen.

Professionstheoretische Zugänge
Die Frage nach der Erfassund Beschreibbarkeit typischer Merkmale von pädagogisch oder sozial beruflich Tätigen ist auch für die allgemeine, insbesondere erziehungswissenschaftliche Professionstheorie nicht neu. Bereits seit der Professionalisierungswelle im Zusammenhang der Bildungsreformen in Westdeutschland in den 1970er Jahren gibt es Bemühungen um Systematiken zur Darstellung typischer Merkmale und Arbeitsweisen beruflich Tätiger in pädagogischen (und sozialen) Berufen.[26]

Auch die aktuelle erziehungswissenschaftliche Professionsforschung sucht nach Kategorien zur Beschreibung von profilbildenden Merkmalen. Dabei wird zunächst konstatiert, dass der ‚klassische‘ Professionsansatz für die pädagogischen und sozialen Berufskulturen nicht greift.[27]

Strukturmerkmale von ‚klassischer‘ Profession sind unter anderem eine Monopolstellung für eine bestimmte personenbezogene Dienstleistung, eine mehr oder weniger eindeutige wissenschaftliche bzw. fachliche Bezugsoder Leitdisziplin, ein speziell auf diese Profession bezogenes gesellschaftliches Mandat (Auftrag) sowie eine aufgrund klar definierter Ausbildung erteilte Lizenz (Qualifikation / Erlaubnis).[28] Diese Kategorien treffen auf die meisten pädagogischen und sozialen Berufe nicht zu.

In der aktuellen Forschung wird „die Adaption des Professionsbegriffs für die Felder pädagogischen Handelns kritisch eingeschätzt und mehr oder weniger deutlich für einen Abschied vom Professionsbegriff plädiert“[29]. Diese Einsicht ist für die Überlegungen zu Zukunftsperspektiven diakonisch-gemeindepädagogischer Berufsprofile bedeutsam. Nicht die Orientierung an einem Professionsverständnis ist relevant, sondern an der Professionalität, die Mitarbeitende zur Lösung der an sie gestellten beruflichen Aufgaben benötigen.[30] Nahezu jede Tätigkeit und jeder Arbeitsvollzug in der pädagogischen und sozialen Praxis erfordert spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten (Handlungskompetenzen) zur Bewältigung und Lösung der Aufgaben. Dies gilt zunächst einmal unabhängig davon, ob die Handelnden beruflich oder ehrenamtlich tätig sind. So erfordern die ehrenamtliche Leitung einer Jugendfreizeit oder die berufliche Leitung eines Jugendzentrums ähnliche ‚professionelle‘ Handlungskompetenzen, weil die Verantwortlichen mit vergleichbaren pädagogischen Situationen zu tun haben können, in denen sie adäquat (‚professionell‘) handeln können müssen. Professionalität in den diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofilen erfordert eine interprofessionell auszubildende Handlungskompetenz. So sind alle Formen bildenden Handelns auf erziehungswissenschaftliche und sozialpädagogische Kompetenz im weitesten Sinn angewiesen. Auch in allen Formen des unterstützenden bzw. helfenden Handelns bleiben sie auf die Kompetenz und die Innovationen der Beratungs-, Pflege- und Sozialarbeitswissenschaften angewiesen.

Zugleich ist die „Professionalität“ auch ein Differenzkriterium. Handelnde, aber auch Träger können markieren, welche ‚professionellen‘ Standards bzw. Qualitätskriterien für sie gelten und welche auch nicht gelten.

Die Beschreibung profilbildender Merkmale für pädagogisiche und soziale Berufe erfordert daher ein mehrperspektivisches, komplexes Instrumentarium. In der vergleichenden erziehungswissenschaftlichen Berufsgruppenforschung wird deshalb auf das von Anselm Strauss und anderen entwickelte Konzept der „sozialen Welt“ zurückgegriffen.[31] Kategorien der „sozialen Welt pädagogisch Tätiger“ sind unter anderem Sinnquellen, berufsbiographische Dispositionen, Mandat und Lizenz, Kernaktivitäten, Arenen der Auseinandersetzung und Aushandlung (Innenund Außenarenen) sowie pädagogische Technologien.[32] Erst aus der zusammenhängenden Perspektive auf die Vielfalt der Merkmale ergibt sich ein Bild vom jeweiligen Profil.

Für unseren Zusammenhang sei exemplarisch auf die Kategorien Kernaktivitäten sowie Mandat und Lizenz hingewiesen. Dieter Nittel und andere identifizieren fünf Kernaktivitäten, die auch für diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige zur Beschreibung der Tätigkeitsprofile fruchtbar gemacht werden können: Begleiten, Unterrichten, Beraten, Organisieren und Sanktionieren. Zur Veranschaulichung seien hier exemplarisch die Kernaktivitäten pädagogischer Tätigkeit genauer beschrieben:

Begleiten meint jegliche informelle Unterstützungsaktivitäten mit Einzelnen, Familien, Gruppen, die unterhalb standardisierter Beratungstätigkeiten erfolgen. Begleiten bildet für viele spezielle Aktivitäten die Basis, weil über das Begleiten erst eine Kontaktaufnahme und eine soziale Beziehung hergestellt werden. „Das Begleiten kann zwischen einer kontemplativen bzw. passiven Haltung des bloßen Beobachtens der Entwicklungsprozesse einerseits und einer Akutintervention aufgrund eines vermittelten Hilfebedarfs oszillieren.“[33]

Unterrichten steht für eine „Form der zielgerichteten und ritualisierten Kommunikation unter der Bedingung von körperlicher Anwesenheit [. . .], die den Zweck erfüllt, Wissensdifferenzen auszugleichen oder zu überbrücken“[34]. Hauptaugenmerk liegt dabei nicht nur in der „Weitergabe von bloßem Wissen, sondern auf der Vermittlung von Fachkompetenzen“[35].

Beraten umfasst die fallbezogene fachliche Beratung Einzelner oder in Gruppen in der Sozialen Arbeit oder in Bildungszusammenhängen. „Pädagogische Beratung ist eine zielgerichtete Aktivität unter der Bedingung von Freiwilligkeit, die unter der Beteiligung einer Expertin dazu dient, sich von einem begrenzten Problem zu emanzipieren oder eine temporäre Krise zu überwinden.“[36]

Organisieren meint das Entwickeln, Organisieren und Herstellen von (pädagogischen) Settings zur konkreten Arbeit (Arbeitsformen einschließlich der begleitenden, unterstützenden Arbeitsstruktur und organisatorischen Absicherung der Arbeit).[37]

Sanktionieren meint etwa das „Evaluieren und Kontrollieren“, das in jeder pädagogischen Lizenz „implizit oder explizit“ enthalten ist. „Tatsache ist, dass pädagogische Arbeit ohne positive oder negative Sanktionen, Lob und Tadel, ohne das Fördern oder Fordern, das Gutheißen sowie das Signalisieren eines besseren oder schlechteren Zustands schlicht nicht denkbar ist.“[38]

Diese in der vergleichenden erziehungswissenschaftlichen Berufsgruppenforschung herausgearbeiteten Kernaktivitäten lassen sich auf diakonisch-gemeindepädagogische und andere bildungsbezogene berufliche Tätigkeiten in Kirche und Diakonie übertragen. Dabei treten in einer Beschreibung der diakonischen Kerntätigkeiten an die Stelle des Unterrichtens Aktivitäten wie Assistieren, Fördern, Pflegen, Beraten und Betreuen. Diese Begriffe bezeichnen die Unterstützungsleistungen, die von Menschen in Anspruch genommen werden, die entsprechenden Bedarf in der Begleitung ihres alltäglichen Lebens haben, die der Stabilisierung ihrer Lebenssituation dienen und ihnen helfen, gegebenenfalls über die erfahrenen Grenzen einer Einschränkung hinauszukommen. Auch für die Tätigkeiten im Bereich der Verkündigung in Andachten, Predigten und der Gestaltung liturgischer Formate gilt, dass sie eingebettet sind und unterstützt werden durch andere Kerntätigkeiten wie Unterrichten und Unterstützen. Dieser systemische Blick auf die Zusammenhänge der Kernaktivitäten und ihre gegenseitige Durchdringung ist für die Referenzsysteme, aber auch für die Kontrolle der Wirksamkeit der professionellen Tätigkeit bedeutsam.

Hilfreich für die systematische Beschreibung diakonisch-gemeindepädagogischer Ausbildungsund Berufsprofile sind die aus der Professionalitätstheorie übernehmbaren Kategorien „Mandat“ und „Lizenz“:[39]

Mandat bezeichnet den durch die Gesellschaft, den Staat oder andere Akteure, bei den diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen besonders die Kirche, legitimierten Auftrag zu sozialen und pädagogischen Dienstleistungen. Das Mandat erweist sich für viele diakonische und gemeindepädagogische Tätigkeiten als ein mindestens doppeltes: ein kirchliches, das sich aus dem Auftrag zur Kommunikation des Evangeliums an alles und mit allem Volk ergibt, und ein gesellschaftliches, das durch Problemlagen und deren notwendige positive Veränderung entsteht und von der Kirche entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip übernommen wird. Das Mandat bezieht sich nicht unbedingt allein auf beruflich handelnde Personen, sondern zugleich auf eine Organisation, die für die Ausübung des Mandats entsprechende organisatorische und personelle Bedingungen schafft.

Lizenz meint die Erlaubnis, den Auftrag (das Mandat) auszuführen. Die Lizenz setzt Zertifikate über abgeschlossene Ausbildungen, andere Attribute und die Aneignung spezifischer Kompetenzen voraus. Aufgrund der Vielfalt der Aufgaben und Spezifik der erforderlichen Handlungskompetenzen sind auch die Lizenzen durchaus speziell. Für diakonisch und gemeindepädagogisch Handelnde sind Lizenzen auch immer mit einer bestimmten Bindung an die Institution Kirche bzw. mit glaubensbezogenen Inhalten und kirchlichen Mandaten verbunden.

2.2.3 Empirische Zugänge – Profile diakonisch-gemeindepädagogischer Beruflichkeit

In den Modi Bilden, Unterstützen und Verkündigen gestalten die diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen ihre besonderen Aufgaben zur Kommunikation des Evangeliums. Diese Ausdrucksformen setzen unterschiedliche Schwerpunkte, bilden aber einen wechselseitigen konzeptionellen Zusammenhang. Er ist plastisch in einem Modell konzentrischer Kreise darstellbar: In unterschiedlichen Anforderungskonstellationen bildet immer jeweils ein Element der Trias (Bilden oder Unterstützen oder Verkündigen) den ‚inneren Kreis‘ – also den Schwerpunkt –, die anderen Elemente sind aber ‚in einem weiteren Kreis‘ zugeordnet und haben ihre Auswirkungen auf die jeweilige Berufspraxis.

Dem entspricht, dass die Ausbildung in diakonisch-gemeindepädagogischen Berufen ihr Zentrum in der Kommunikation des Evangeliums hat. ‚Bilden‘, ‚Unterstützen‘ und ‚Verkündigen‘ sind immer wesentliche Bestandteile in den jeweiligen Ausbildungen. Allerdings sehen die jeweiligen Ausbildungsgänge bzw. Ausbildungsstätten eine unterschiedliche Gewichtung dieser drei Elemente in ihren Curricula vor. Damit besteht vom Grundsatz her die Möglichkeit, dass Absolventinnen und Absolventen dieser einander ähnlichen und sich dennoch unterscheidenden Ausbildungen für die je spezifischen Bedarfe der Anstellungsträger eingesetzt werden können. Die Auswertung der Dienstanweisungen zeigt jedoch, dass die Absolventinnen und Absolventen der Ausbildungsstätten und Hochschulen für die gesamte Breite und Vielfalt der Arbeitsfelder eingesetzt werden, unabhängig von dem jeweiligen (Hochschul-)Abschluss.

Die oben beschriebene große Vielfalt in den diakonischen und gemeindepädagogischen Arbeitsfeldern ermöglicht und erfordert in der Ausbildung zugleich Ausdifferenzierungen und Spezialisierungen, zugleich aber auch einen konsequenten Bezug auf das Verbindende.

Der folgende Zugang gründet auf einer empirischen Analyse diakonisch-gemeindepädagogischer Berufe. Grundlage für die nachfolgende Darstellung ist die Auswertung von insgesamt 140 Dienstanweisungen, Dienstbeschreibungen, Arbeitsplatzbeschreibungen bzw. Dienstplänen von diakonisch-gemeindepädagogisch Mitarbeitenden aus Gliedkirchen der EKD.

Aus dieser Auswertung ergibt sich eine Typik der Berufsprofile, die sich als Rekonstruktion der Konzepte der zugrundeliegenden Arbeitszusammenhänge versteht. Unter einer Typik wird hier ein vereinfachendes Ordnungsschema verstanden, das komplexe Sachverhalte auf ‚(ideal-)typische‘ Muster reduziert, um einen Überblick zu verschaffen und Verstehen zu ermöglichen.

Die Rekonstruktion ergab ein vielfältiges Spektrum hinsichtlich der Zielgruppen, Kernaktivitäten und Arbeitsformen bzw. pädagogischen Technologien. Bemerkenswert ist, dass in allen befragten Gliedkirchen die genannten Spektren faktisch oder potentiell deckungsgleich sind.

Die entwickelte Typik ist insgesamt nicht statisch und abgrenzend zu verstehen, sondern beschreibt ein dynamisches, bewegliches (und ausbaubares) System.

In vorliegendem Zusammenhang ist es sinnvoll, solch eine Typik mehrperspektivisch zu entwerfen. Darum werden auf die bunte Vielfalt der Berufsrealitäten drei Schablonen gelegt:

  • Welches Grundkonzept diakonisch-gemeindepädagogischer Beruflichkeit liegt zugrunde?
  • Was sind die Grundmuster für erforderliche Ausdifferenzierungen und Spezialisierungen in diesem Berufsfeld?
  • Was sind die (theoriebildenden und) handlungsleitenden Tiefenstrukturen / Schwerpunktsetzungen und die daraus abgeleiteten Handlungslogiken?

Die Praxis zeigt, dass die Übergänge zwischen verschiedenen Perspektiven fließend sind und Merkmale einzelner idealtypischer Beschreibungen ausgetauscht werden können.

Die „Grundberufsidee“
Diakonisch-gemeindepädagogische Beruflichkeit ist unter gegenwärtigen Bedingungen in hohem Maße ausdifferenziert. Dennoch können eine verbindende Grundberufsidee bzw. Grundkonzepte identifiziert werden.

Die Grundberufsidee von Gemeindepädagoginnen und -pädagogen / Diakoninnen und Diakonen äußert sich in der beruflichen Praxis zunächst als die von Generalisten, die für eine Vielfalt von Tätigkeitsfeldern zuständig sind und über entsprechend vielfältige Kompetenzen verfügen müssen. Kennzeichnend für dieses Grundkonzept ist auch die Aufgabe, die erforderlichen Strukturen selbst zu schaffen und zu gestalten und als Netzwerkerinnen und Netzwerker die Tätigkeitsfelder mit entsprechenden (Teil-)Systemen innerhalb der Kirchengemeinde bzw. der Region und darüber hinaus in kommunalen oder sozialräumlichen Zusammenhängen zu verorten und zu vernetzen.

Diese Grundberufsidee kann sich durch Spezialisierungen und bestimmte Schwerpunktsetzungen ausdifferenzieren.

Generalist/-in in diakonischen und gemeindepädagogischen Berufsfeldern
Die Akteure dieser Grundberufsidee tragen in den verschiedenen gliedkirchlichen und auf das Gemeinwesen bezogenen Kontexten unterschiedliche Berufsbezeichnungen (vornehmlich Gemeindepädagoge / -in, Gemeindediakon / -in, Gemeindereferent / -in); eine Vereinheitlichung dieser Berufsbezeichnungen ist allerdings wünschenswert. Der Zusatz „Gemeinde“ deutet darauf hin, dass die Tätigkeit grundsätzlich auf parochiale oder überparochiale Kontexte bezogen ist.

Der Generalist bzw. die Generalistin ist für allgemeine diakonisch-pädagogischtheologische Aufgaben in der Kirchengemeinde ausgebildet und hat eine entsprechend breite professionelle Qualifikation mit Potential zur Spezialisierung. Er / sie verbindet die Modi der Kommunikation des Evangeliums ‚Bilden‘, ‚Unterstützen‘ und ‚Verkündigen‘ und bringt sie in eine den jeweiligen Erfordernissen geschuldete Balance. Er / sie kann prinzipiell in allen diakonisch-gemeindepädagogischen Arbeitsfeldern in Kirche und Gemeinde eingesetzt werden. Seine / ihre jeweiligen Aufgabenstellungen können sich an bestimmten altersspezifisch, biographisch, lebensweltlich oder sozialräumlich definierten Zielgruppen orientieren, aber genauso an thematischen Schwerpunktsetzungen.

Auch wenn unter den Bedingungen der Realität niemand alle Arbeitsfelder tatsächlich gleichzeitig oder mit gleicher Intensität bewältigen kann, liegt es in der Grundidee, dass das Potential (Kompetenzen / Ausbildung) dazu vorhanden sein muss und der Generalist prinzipiell für alle potentiellen Aufgaben zur Verfügung steht und dafür eingesetzt werden kann.

Zu fragen ist, wie umfassend (extensiv und intensiv) die Inhalte dieser generalistischen Berufspraxis gefasst werden können und wo ihre Grenzen liegen – wo also in Zeiten gesellschaftlicher, kultureller und demographischer Entwicklungen, die aufgrund zunehmender Komplexität auch verstärkt Spezialisierungen und Diversifizierungen erfordern, für den Generalisten / die Generalistin die Grenzen des Machbaren und des Bewältigbaren und damit der Bandbreite seiner / ihrer Aufgabenstellungen erreicht sind.

Die Dynamik des Verhältnisses von generalistischer und spezialisierter Tätigkeit ist ein Merkmal der Akteure in diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsfeldern.

Strukturen und Vernetzungen gestalten und fördern
Die Veränderungsprozesse im kirchlichen Raum, wie zum Beispiel regionale Zusammenarbeit von Kirchengemeinden, haben direkte Konsequenzen auf die Anforderungsprofile der kirchlichen Berufsgruppen.[40] Die Konzepte der Veränderung unterscheiden sich. In der Regel entstehen jedoch größere Einheiten. Im Rahmen solcher Strukturveränderungen und auch für die sozialräumliche diakonische Arbeit im Gemeinwesen und in vernetzten Dienstaufträgen mit diversen Trägern aus Kirche, Diakonie und Gesellschaft sind Mitarbeitende notwendig, die die Fähigkeit besitzen, neue Strukturen (mit) zu gestalten sowie die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten vereinbar zu machen und professionell zu kommunizieren. Es sind Managementfähigkeiten gefordert und die Fähigkeit, andere, auch interprofessionelle Teams aus Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen, in die Lage zu versetzen, innovative Aufgaben in Gemeinwesen und Gemeinde zu übernehmen. Daher muss die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zur Vernetzung mit anderen Beteiligten in der Ausbildung erworben und im professionellen Handeln ausgeprägt sein.

Zunehmend werden darum auch in der beruflichen Tätigkeit des Generalisten bzw. der Generalistin übergreifende (infra)strukturelle Tätigkeiten erwartet. Dazu gehören in erster Linie Formen der Vernetzung und entsprechender Kommunikationsherstellung: zum Beispiel Vernetzungen innerhalb einer Kirchengemeinde, Vernetzungen mit anderen Organisationen und Trägern vergleichbarer Arbeitsformen, kommunale Vernetzungen, Gestaltung zum Beispiel der Jugendarbeit auf der nächst übergeordneten Ebene (Kirchenkreis).

Daneben sind zu nennen die Gestaltung von entsprechenden Strukturen für die Gewinnung, Ausbildung, Förderung und Begleitung von (ehrenamtlich) Mitarbeitenden sowie die Akquise von Finanz- und anderen Ressourcen.

Spezialisierungen
Die Grundberufsidee des Generalisten bzw. der Generalistin ist in der Realität häufig durch Spezialisierungen ausdifferenziert. Die berufliche Arbeit richtet sich einerseits an Menschen in je spezifischen Lebenslagen, in bestimmten Sozialräumen und mit bestimmten Fragestellungen bzw. Lebensthemen. Andererseits erfordert das Berufsfeld in bestimmten Konstellationen fachlich-thematische Fokussierungen. Entsprechend reagieren die Fachkräfte durch Spezialisierungen auf die vielfältigen Herausforderungen bzw. wird von ihnen erwartet, dass sie entsprechende Kenntnisse besitzen oder sich aneignen können.

Auf der Basis einer Analyse der vorliegenden 140 Dienstanweisungen[41] kristallisieren sich drei Formen von Spezialisierungen heraus:

  • zielgruppenspezifische Spezialisierungen: Bezugsrahmen sind zum Beispiel das Lebensalter und die Lebenslagen von Zielgruppen;
  • sozialräumliche Spezialisierungen: Bezugsrahmen sind zum Beispiel die Sozialräume, in denen Menschen leben, sowie deren Bedarfe und Ressourcen;
  • thematische Spezialisierungen: Bezugsrahmen sind sachlich-thematisch konturierte Arbeitsaufträge wie zum Beispiel ‚Öffentlichkeitsarbeit‘.

Orientierung an Zielgruppen
Für die Beschreibung des Dienstes diakonisch-gemeindepädagogischer Mitarbeitender werden sehr häufig Zielgruppen mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen benannt. Diese Beauftragungen werden zum Teil verbunden mit der Angabe von Arbeitsformen (Gruppen, Freizeiten, Feste etc.) und mit bestimmten Kernaktivitäten (Konzeptentwicklung, Seelsorge, bildungsbezogene oder diakonische Arbeit etc.).

In dem vorliegenden Material werden mehr als 30 Zielgruppen benannt. Von den gut 300 Nennungen beziehen sich etwas mehr als 20 Prozent auf die Arbeit mit Jugendlichen. Bei knapp 20 Prozent geht es um (Klein-)Kinder, ebenso oft um die Arbeit mit Ehrenamtlichen. In mehr als 10 Prozent werden Konfirmandinnen und Konfirmanden, in gut 6 Prozent (junge) Erwachsene genannt. Die restlichen Zielgruppen reichen von Familien, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften über Senioren bis hin zu Menschen mit Behinderungen, Kranken, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und andere mehr.

Die Bandbreite der Adressatinnen und Adressaten lässt sich in folgende Kategorien einteilen:

  • Lebenslaufbezug: Die Adressaten umfassen das gesamte Altersspektrum von der frühen Kindheit über das Schulkindalter, die Jugend, Erwachsene bis zum Seniorenalter. Allerdings liegt ein Schwerpunkt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, ein erkennbares Defizit besteht in der mittleren Lebensphase.
  • Institutionsbezug: Die Adressaten finden sich in unterschiedlichen institutionellen Bezügen wie Kirchengemeinden, Verbänden und Werken sowie in Einrichtungen wie Tageseinrichtungen für Kinder, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen etc.
  • Funktionsbezug: Die Adressaten nehmen sehr unterschiedliche Funktionen in den Praxiszusammenhängen wahr. Prägnantestes Merkmal ist dabei die Unterscheidung zwischen Beruflichen und Ehrenamtlichen bzw. freiwillig Engagierten.
  • Geschlecht: Die Zielgruppen werden geschlechtsspezifisch differenziert: genannt wird zum Beispiel die Arbeit mit Jungen oder Mädchen, Frauen oder Männern.
  • Milieu / Lebenslagen: Zielgruppen können anhand von sozialen und existentiellen Risiken identifiziert werden (zum Beispiel Armutsrisiken); besondere Lebenslagen wie Arbeitslosigkeit, Behinderung oder spezifische Milieus kommen vor, werden jedoch eher selten genannt.
  • Adressaten in spezifischen Situationen: Einige genannte berufliche Tätigkeiten richten sich ausdrücklich an Menschen in besonderen Situationen bzw. bei situationsbezogenen Anlässen, zum Beispiel Messe, Flughafen usw.
  • Kirchenferne: Eine besondere Erwähnung finden, gegebenenfalls auch in Kombination mit einem anderen Merkmal, nicht der Kirche angehörige Menschen (Konfessionslose).

Die / der diakonisch-gemeindepädagogische Mitarbeitende ist in der kirchlichen Ortsgemeinde, häufig aber auch überregional tätig; von daher sind Koordinierungsund Kooperationskompetenzen wichtig.

Orientierung an sozialen Räumen bzw. Orten
Sozialraumorientierung wird als Strategie beschrieben, die auf die Erschließung von Ressourcen in sozialen Räumen zielt. Sie dient dazu, Menschen in der Entfaltung ihrer Interessen zu unterstützen und individuelle und soziale Veränderungsprozesse zu motivieren und zu begleiten.

Ein Sozialraum ist ein geographischer Raum (ein Gebäudekomplex, ein Stadtteil, ein Platz), aber darüber hinaus vor allem ein gesellschaftliches und soziales Konstrukt: ein Raum, der durch die vorhandenen Sozialstrukturen (zum Beispiel die sozialen Schichtungen und die ökonomischen Ressourcen, durch die Beziehungen und die funktionale Stellung ihrer Mitglieder untereinander, durch das in diesem Raum sich abspielende Geschehen und die dortigen Themen etc.) definiert wird.

Expertinnen und Experten für die Arbeit in bestimmten Sozialräumen orientieren sich an den örtlichen Gegebenheiten sowie an Lebensthemen, Bedarfen und Ressourcen der unterschiedlichen Menschen, die in einem geographisch oder politisch bestimmten Raum leben, und unterstützen sie bei der Bestimmung und Durchsetzung ihrer Ziele. Sie kommunizieren das Evangelium in diesen Räumen und Lebenswelten und übersetzen es in die jeweiligen Gegebenheiten (Beispiele: soziale Brennpunkte, touristische Zentren, Stadtteil, Krankenhaus, Behindertenhilfe, Diakonie).

Orientierung an speziellen Arbeitsaufträgen und Fachthemen
Expertinnen und Experten arbeiten mit einem bestimmten, klar umrissenen und spezifischen Arbeitsauftrag, für den eine adäquate Expertise bzw. entsprechende Kompetenzen erforderlich sind (zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit, Religionsunterricht, schulbezogene Arbeit, Kirchenpädagogik, Besuchsdienstarbeit im Kirchenkreis, Fundraising, Projektmanager / -in). Häufig haben „Expertinnen und Experten“ ihre in Ausbildung bzw. Studium erworbenen Kenntnisse nach beruflicher Erfahrung als „Generalist“ oder „Zielgruppenspezialist“ durch eine gezielte anforderungsbezogene bzw. themenspezifische Fortbildung ausgeweitet (Zusatzqualifikation). Entsprechende spezialisierende Fortbildungen eröffnen auch Angehörigen anderer Berufsgruppen einen Zugang zu diesem Handlungsfeld; so sind auch Pfarrerinnen und Pfarrer oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hier tätig. Mögliche Einsatzorte der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen sind Fachstellen für besondere Aufgaben auf Gemeindeebene, meist aber in übergemeindlichen Diensten auf Kirchenkreis-(Propstei-, Dekanats-)Ebene. Dazu können auch besondere Einsatzorte gehören wie zum Beispiel Tourismuszentren.

Bilden – Unterstützen – Verkündigen als Modi der Kommunikation des Evangeliums
Als integraler Leitbegriff für kirchliches Handeln und der entsprechenden Berufsprofile gilt in vorliegendem Text der Begriff der „Kommunikation des Evangeliums“.[42] Diese ist ausdifferenziert in die Modi des ‚Bildens‘, des ‚Unterstützens‘ und des ‚Verkündigens‘. Diese sind immer in ihrem Zusammenhang konstitutiv für berufliches Handeln, aber mit jeweils deutlich erkennbaren Schwerpunkten.

Bilden
Spezifischer Arbeitsauftrag eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin mit Schwerpunkt Bilden ist es, Bildungsprozesse zu initiieren bzw. durchzuführen, um Menschen die christliche Religion mit evangelischem Akzent oder andere Themenfelder zu erschließen. Das Arbeitsfeld der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen liegt zum einen im Bereich der formalen Bildung in Schulen, an Hochschulen oder in der Fortbildung. Zum anderen werden in Kirchengemeinde, Diakonie oder Sozialraum vielfältige non-formale und informelle Bildungsprozesse im Rahmen von zielgruppendefinierten Arbeitszusammenhängen (vor allem Kinderund Jugendarbeit) geplant und gestaltet. Die Rolle der Mitarbeitenden variiert in einer großen Bandbreite: Sie reicht von der Begleitung der Selbstbildung Erwachsener in Erwachsenenbildung oder Diakonie über die Organisation der non-formalen Bildung in Konfirmandenarbeit oder Kindergottesdienst bis hin zu informellen Bildungsprozessen mit allen Altersund Bezugsgruppen; im Kontext formaler Bildungsprozesse gehört die Arbeit als Religionslehrerin bzw. Religionslehrer in der Schule dazu.

Unterstützen
Ein Arbeitsauftrag mit Schwerpunkt Unterstützen beinhaltet zunächst, die Verschiedenheit von Menschen und sozialen Gruppierungen in ihren Nöten und systematischen Benachteiligungen wahrzunehmen sowie sich gegebenenfalls im Sozialrecht bewegen zu können. Ziel der Mitarbeitenden ist es, zu unterstützen bzw. Unterstützungssysteme zu entwickeln und vernetzen zu können und somit Ausgrenzungen bzw. Stigmatisierungen entgegenzuwirken. Mitarbeitende mit diesen Schwerpunktsetzungen finden sich in den vielen Arbeitsfeldern kirchlicher sozialer Arbeit (gemeinwesendiakonische Arbeit, Tafelarbeit, Besuchsdienst, Arbeitsloseninitiativen, Dienstleistungen für und mit Menschen mit Behinderungen etc.). Sie setzen sich mit aktuellen Themen wie Diversity, Partizipation und Inklusion auseinander und entwickeln Konzepte, um diese Themen und damit verbundene Aufgaben in ihren Arbeitsbezügen umzusetzen. Hier werden die jeweiligen themenbezogenen Fachkenntnisse und Kompetenzen gebraucht. Eine unerlässliche Grundkompetenz ist es, im Sozialraum kommunikativ und vernetzend tätig zu werden.

Verkündigen
Bei einem Schwerpunkt Verkündigen ist es primärer Auftrag, (zumeist in diakonisch-pädagogischen Kontexten) missionarisch zu wirken: das Evangelium in verschiedenen Formen und bei verschiedenen Anlässen zu verkündigen und zu bezeugen. Der / die Mitarbeitende praktiziert Formen zielgruppenspezifischer Spiritualität (Hauskreise, Andachten für die Arbeit von Gruppen, Mitarbeitende in Einrichtungen und Schulen, aber auch Konfirmandenarbeit, zielgruppenbezogene Gottesdienste, …). Er / sie entwickelt entsprechende Formen der (missionarischen) Glaubenserschließung und baut entsprechende Netzwerke auf. Er / sie gewinnt Mitarbeitende und bildet sie aus. Er / sie arbeitet dabei sowohl zielgruppenbezogen als auch sozialraumbezogen (Vesperkirchen etc.).

Zusammenfassung: Herausforderungen der Beruflichkeit für diakonisch-gemeindepädagogische Ausbildungsgänge
Die Vielfalt der Aufgabenfelder, die diakonisch-gemeindepädagogische Mitarbeitende im Rahmen ihres Arbeitsauftrages übertragen bekommen und bewältigen, setzt eine entsprechende Breite von Kenntnissen, Fertigkeiten und Handlungskompetenzen voraus, um den Anforderungen entsprechen zu können. Die Kommunikation des Evangeliums als Leitbegriff dieses Arbeitsauftrages erfordert, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, jeweils den Gesamtzusammenhang der Modi ‚Bilden‘, ‚Unterstützen‘ und ‚Verkündigen‘
sowie eine entsprechende Integration der entsprechenden Kompetenzen. Die rasanten Veränderungen, denen Kirche und Diakonie ausgesetzt sind und die sie mitgestalten wollen, erfordern darüber hinaus eine große Flexibilität ihrer Mitarbeitenden, die mit gleichbleibender Qualität ihrer Arbeit handeln müssen.

Nur eine gute und breit aufgestellte fachliche Ausbildung gewährleistet die nötigen Voraussetzungen für eine angemessene Professionalität. Viele Gliedkirchen folgen deshalb der Empfehlung zur doppelten Qualifikation, wie sie die Berufsbildungsordnung der EKD gegeben hat.[43] Ein Studium der Religionsbzw. Gemeindepädagogik in Verbindung mit einem Studium des Sozialwesens befähigt diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige in besonderer Weise dazu, ihren Auftrag im Rahmen des kirchlichen und gesellschaftlichen Mandats professionell wahrzunehmen.

Der Blick über kirchliche Binnenlogiken hinaus, Sprachfähigkeit in und Anschlussfähigkeit an weitere Wissensgebiete mit ihren jeweiligen Handlungslogiken gewährleisten eine Vernetzung von Kirche und Diakonie mit anderen gesellschaftlichen Feldern.

In der Diskussion um die im Frühjahr 2014 vorgestellte fünfte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung44 wird die Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, für Kinder, Jugendliche und Familien eine stärkere Bindekraft an die Kirche zu entwickeln. Glaube kann wachsen durch die Beteiligung Einzelner am kirchlichen Leben und durch qualifizierte Begleitung von Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und Lebensbezügen. Genau in diesen Feldern liegt bei aller Vielfalt der Arbeitsschwerpunkt diakonisch-gemeindepädagogisch Mitarbeitender. Genau hier brauchen Kirche und Diakonie Professionalität.

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